Hermes, Magnus, Teamplayer, Tempo – an fantasiereichen Namen herrscht bei der neuen Ebergeneration kein Mangel. Die Zuchtunternehmen schlagen neue Wege bei der Vaterlinienzucht ein – abseits von fleischwüchsigen Pietrain-Vererbern, die lange Zeit das Feld dominiert haben. Zunehmend geraten wüchsigere und noch robustere Duroc-, Pietrain- oder Kreuzungseber in den Fokus. Selbst beim Pietrain zählen jetzt verstärkt auch andere Ziele als nur Fleisch.
„Mittlerweile gehören 15 % der Endstufeneber in Deutschland nicht mehr zur Rasse Pietrain“, schätzt Dr. Meike Friedrichs. Sie ist bei der Besamungsgenossenschaft GFS für den Einkauf der Eber verantwortlich. „Dabei gibt es regionale Unterschiede, je nach Sauenherkunft und Vermarktungsalternativen.“
Zuchtunternehmen können sich die Zuchtziele der neuen Väter leisten, da die Sauenseite fleischreicher geworden ist. Hervorragende Mastleistungen durch wachstumsbetonte Eber gehen nicht mehr automatisch Hand in Hand mit miserablen Klassifizierungsergebnissen. Allerdings haben Eber mit hoher Zuwachsleistung ein Manko: Ihnen fehlt oft die Festigkeit des Bindegewebes. Folge können vermehrte Nabelbrüche und Mastdarmvorfälle sein.
Was Mäster wollen
Zudem hat der Markt sich gewandelt. In Zeiten steigender Futterpreise und hoher Güllekosten bekommt die Futtereffizienz mehr Gewicht. Insbesondere Betriebe, die auf Mitarbeiter angewiesen sind, legen Wert auf unkomplizierte Mast und robuste Schweine. Vielen Mästern ist die Homogenität der Mastgruppe wichtig. Andere sehen die Langschwanzhaltung auf sich zukommen, die friedfertige Schweine mit intaktem Sozialverhalten erfordert. Und eine kleine Gruppe setzt auf mehr Geschmack beim Fleisch durch intramuskuläres Fett. Wer sich hier eine Spezialvermarktung aufgebaut hat, hebt sich mit marmoriertem Fleisch sichtbar und schmeckbar vom Standard ab.
Viele Sauenhalter wünschen sich gleichmäßigere Würfe statt größere. Den höchsten Einfluss auf dieses Merkmal haben die Sauenlinien. Doch auch der Endprodukteber kann bis zu ein aufgezogenes Ferkel mehr vererben. Ziel sind vitale Ferkel mit hohem Überlebenswillen. Diese sollen in der Biestmilchphase voll auftanken, um den Immunbooster mitzunehmen.
Duroc auf dem Vormarsch
Die Zuchtunternehmen haben reagiert. Bundesweit sind Duroc-Eber auf dem Vormarsch – zunächst in ostdeutschen Großanlagen, dann bei großen Mästern im Raum Vechta/Cloppenburg. Mittlerweile stallen sogar süddeutsche Besamungsstationen Duroc-Eber auf, die bislang eher für ausgedrehte Pietrains bekannt waren.
Traditionell ist Dänemark die Hochburg der Duroc-Zucht in Europa. Hier lag ein starkes Zuchtziel auf dem Fleischanteil. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Durocs aus dänischer Zucht den überwiegenden Anteil an deutschen Besamungsstationen stellen. Breeders of Denmark hat davon nach Aussage von Verkaufsleiter Werner Sandscheper mit rund 500 Danish-Genetics-Duroc-Ebern das größte Kontingent.
Ein weiterer Anbieter von dänischen Durocs ist Danbred, während sich die PIC erst vor rund drei Jahren in die dänische Zucht „eingekauft“ hat. Durch die strategische Partnerschaft mit dem dänischen Zuchtbetrieb Mollevang bietet sie seitdem mit dem PIC 800 einen original dänischen Duroc an. Mittlerweile stehen knapp 200 PIC-800er-Eber auf deutschen KB-Stationen. Für Vertriebsleiter Dr. Jan Bielfeldt ist der Duroc damit kein Nischenprodukt mehr.
Auch nicht dänische Zuchtunternehmen haben den Duroc entdeckt, besetzen aber nur einen Bruchteil des Markts. BHZP hatim Jahr 2006 kanadische Duroc-Zuchttiere gekauft, die heute als db.Siegfried angeboten werden. Seitdem ist die Speckauflage züchterisch verringert worden, wobei die Eber beim Intramuskulären Fettanteil 2,5 bis 3 % halten sollen. Zudem gilt der Eber als langschwanztolerant.
Relativ neu auf dem deutschen Markt ist der Hypor Magnus,ebenfalls kanadischen Ursprungs. Zuchtziel ist ein höheres Fleischmaß bei gleichzeitiger Konstanz des Intramuskulären Fettgehalts.
German Genetic bietet mit dem German Duroc einen „klassischen“ robusten, aber flachbemuskelten Eber.
Vermarktung nach FOM
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass Durocs leichter verfetten. Die Zuchtunternehmen empfehlen durch die Bank die Klassifizierung nach FOM-Fleischanteil. Bei Autofom-Klassifizierung nach Indexpunkten schneiden Duroc-Nachkommen meistens schlecht ab, da ihnen eindeutig Schinken fehlt.
Ad-libitum-Fütterung befeuert schlechte Klassifizierungsergebnisse, auch bei FOM-Vermarktung. Mit restriktiver Fütterung in der Endmast, regelmäßigem Wiegen und nicht zu schweren Verkaufsgewichten ist ein akzeptables Ergebnis zu erwarten.
Sauenhalter, die zum Duroc-Eber wechseln, sollten unbedingt vorher ihre Mäster informieren. Sonst besteht die Gefahr, dass die Quittung für den Mäster am Schlachtband kommt, wenn Fütterung und Vermarktung nicht angepasst werden.
Marmoriert für Gourmets
Das Fett entwickelt sich nicht nur als Speckauflage, sondern auch als Intramuskuläres Fett (IMF). Letzteres hat bei Feinschmeckern einen guten Ruf. Sorgt es doch dafür, dass das Fleisch beim Braten zart, saftig und aromatisch bleibt.
Doch tritt der Effekt nicht bei allen Duroc-Nachkommen in gleichem Maße auf, wie Testverkostungen gezeigt haben. Mit dem TN Duroc IMF hat Topigs Norsvin deshalb einen Eber mit „extra Geschmack“ herausgebracht, der speziell auf den Intramuskulären Fettanteil gezüchtet wird. Untergrenze für die Zucht sind bei Topigs 4 % IMF. So erreichen Nachkommen dieser Eber mindestens 2 % IMF-Gehalt. Damit schneiden sie in diesem Merkmal 0,5 bis 1 % besser ab als das marktübliche Mastschwein.
Ruhig für Ringelschwanz
Ein Thema, das mittlerweile immer mehr Schweinehalter beschäftigt, ist die Haltung vom Langschwanz-Schweinen. Gesucht wird das sozialverträgliche Schwein, das auch unter Stress nicht die Ruhe verliert.
Dabei gilt: Je magerer das Schwein, desto „kribbeliger“ reagiert es auf Stress. Wenn weder Sau noch Eber eine nennenswerte Speckauflage mitbringen, können schon relativ kleine Stressmomente die Nachkommen aus dem Gleichgewicht bringen. Ohren- und Schwanzbeißen ist oft die Folge.
Nachkommen von Ebern mit höherer Speckauflage reagieren auf Stress robuster als zu magere Pietrain-Mastschweine. Doch kommt die Hälfte der Genetik von der Sau. Ob das bei jeder Eber-Zuchtlinie und Sauengenetik ausreicht, um den Ringelschwanz heil bis zum Mastende zu bringen, muss sich noch zeigen.
Mittlerweile gibt es auch Pietrain-Züchter, die auf Sozialverträg-lichkeit selektieren. Das Ergebnis heißt bei German Genetic Gentleman. Das Pendant im BHZP ist der Teamplayer.
Sozialverträgliche Pietrain
German Genetic teilt die Eber anhand der subjektiven Beurteilung in Stresssituationen ein. Zudem zählt die Unversehrtheit der Langschwänze bei Nachkommen, die in der Landesanstalt für Schweinezucht in Boxberg bonitiert werden. Die 20 Gentleman-Eber stehen exklusiv in den süddeutschen BuS-Besamungsstationen. Über ein Kooperationsabkommen mit der hiesigen Besamungsstation GFS ist das Sperma auch im norddeutschen Raum verfügbar.
Den Teamplayer charakterisiert die BHZP als den „ruhigen, umgänglichen Bruder des db.77“. Er wird auf einen ruhigen Grundcharakter selektiert. Eine etwas stärkere Speckauflage wirkt als Puffer bei der Stoffwechselregulation und sorgt für mehr Stabilität im Sozialverhalten.
Robuster als der fleischbetonte Pietrain ist auch der Maxter von Hypor. Dieser wachstumsbetonte Eber steht für Fressfreude und Uniformität. Er wurde früher vorwiegend für die Ebermast empfohlen. Durch Verbesserung des Bauchfleischanteils erzielen heute auch Kastraten akzeptable Klassifizierungsergebnisse.
German Genetic präsentiert mit dem Hermes eine Pietrain-Linie mit mehr Wachstum, aber auch mit etwas höherer Fettauflage.
Duroc: Robust und fressfreudig
Der Duroc ist robust und sehr fressfreudig, auch wenn die Bedingungen im Stall nicht ausgewogen sind oder das Futter nicht so schmackhafte Komponenten enthält. Zudem gilt er als friedfertig.
Wer bislang nur Mastschweine mit Pietrain-Vater kennt, muss sich erst auf Duroc-Nachkommen einstellen. Die Zuchtunternehmen geben teilweise Fütterungsempfehlungen. Klar ist: Durocs brauchen genügend Trogfläche, damit alle Tiere ihre Fressfreude ausleben können. Ein Fressplatzverhältnis über 1 : 4 am Sensor oder ein Doppelautomat in der 30er-Bucht reicht dafür eher nicht aus.
Kreuzungseber: Zwischen Pietrain und Duroc
Neben reinrassigen Ebern bieten einige Zuchtunternehmen auch Kreuzungseber oder sogenannte synthetische Eber an. Die Kreuzung aus Hampshire oder Duroc mit Pietrain gab es früher schon. Doch konnten diese sich nicht durchsetzen, da die Nachkommen zu inhomogen waren. Dieses Manko soll laut PIC und Topigs bei ihren aktuellen Kreuzungsebern ausgemerzt sein. Das zeige die steigende Nachfrage der Besamungsstationen, wo nach Aussagen der Firmen rund 330 TN Tempo-Eber und 80 PIC 410-Eber stehen.
Topigs empfiehlt seinen Tempo-Eber als Gegenpart zum Duroc. Obwohl er kein Durocblut hat und hauptsächlich auf Edelschweingenetik beruht, soll er mindestens ebenso robust sein, im Fleischanteil aber überlegen. Wer mehr Durchsatz im Stall und robuste Tiere haben will, aber keine flachen Schinken, für den ist der Tempo-Eber nach Aussagen von Hermann Schlagelambers von Topigs ideal. Der Eber wird in Kanada züchterisch bearbeitet. Das Scannen der Zuchttiere im Computertomografen bringt Topigs wichtige Aussagen über den Schlachtkörperwert.
In eine ähnliche Richtung geht der 410er-Eber der PIC. Hierbei handelt es sich um eine Kreuzung des Pietrain PIC 408 mit der synthetischen weißen Endstufenlinie PIC 337. Dass der Kreuzungseber genauso wenig wie die Reinzuchtlinien streut, weiß das Zuchtunternehmen aus langjährigen Erfahrungen in Asien und Südamerika. „Wem der Schritt von Pietrain zum Duroc zu hart ist, findet im 410er eine gute Alternative“, urteilt Dr. Jan Bielfeldt. Bislang wird er vorwiegend von größeren Betrieben geordert.
Die BHZP bietet mit dem db.Carl eine Kreuzung aus Duroc und Pietrain an. Da die beiden Ausgangslinien sich vom Typ bei Fleisch und Wuchs entsprechen und nur hochkompatible Zuchttiere angepaart werden, rechnet Zuchtleiter Dr. Hubert Henne mit robusten, homogenen Endprodukten mit Fleischtiefe.
Bei der Klassifizierung ist man bei Kreuzungsebern mit FOM auf der sicheren Seite. Doch glaubt Hermann Schlagelambers, dass bei richtiger Fütterung auch mit dem TN-Tempo 1 Indexpunkt bei weiblichen Tieren machbar ist.