Ab August muss jedes Schwein jederzeit Zugang zu organischem und faserreichem Beschäftigungsmaterial haben. So fordert es die neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Doch was heißt das im Klartext? Antworten auf diese Frage lieferte vergangene Woche ein Webinar der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen.
Material – nicht Futter!
Als Beschäftigungsmaterial im Sinne der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gilt nicht nur Raufutter. Auch Naturseile, Jutesäcke und bestimmte Hölzer sind zugelassen – Hauptsache organisch und faserreich. Dabei dürfen sich zwölf Tiere eine Beschäftigungsmöglichkeit teilen. Behörden können allerdings noch mehr als diesen gesetzlichen Standard verlangen, erklärte Anne-Claire Berentsen vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves). Zum Beispiel dann, wenn Schwanzbeißen ein Problem ist.
Schwein ist keine Giraffe
Tierhalter müssen sämtliches Beschäftigungsmaterial bodennah ausbringen, um das Wühlverhalten zu fördern – das heißt unterhalb der Rüsselscheibe des Schweins. Seile und Jutesäcke in luftigen Höhen zählen also ebenso wenig wie Pelletspender und Raufen ohne Auffangfläche über dem Boden. Bei allen Materialien muss ein „Hebeln“ möglich sein.
Außerdem sollten Schweinehalter sich bei Holz fragen, ob ihre Tiere es wirklich zerkauen können. Weichhölzer wie Äste seien eine Alternative, so Berentsen. Bei frischem Material müsse allerdings auch die mögliche Keim- und ASP-Viruslast berücksichtigt werden.
Baumwoll- oder Sisalseile scheinen eine günstige Alternative zu sein. Doch auch hier ist Hygiene wichtig. Liegen sie in der Kotecke im Dreck, kann man sich das Geld sparen. Und fransen sie aus, können die Tiere mit den Ohrmarken hängen bleiben, zählt LWK-Beraterin Vanessa Gappa als Risiken auf.
Für Raufutter ist ein schlitzreduzierter Boden von Vorteil. Macht die Gülletechnik Probleme, können die Spalten auch stellenweise durch Platten oder Clips geschlossen werden.
Material für alle Fälle
Das „eine“ Beschäftigungsmaterial für alle Betriebe gibt es nicht. Ringelschwanzexpertin Gappa rät daher zu einer Kombination aus verschiedenen Materialien. Zusätzlich zum Standardangebot sollte jeder Betrieb Notfallmaterial bereithalten. Gerade hier sind Naturseile, Äste, Stroh und Späne gut geeignet. Was nicht ständig verfügbar ist, macht in der Gülle weniger Probleme und kann gegen Schwanzbeißen helfen, indem es kurzfristig neue Reize schafft.
ITW: Verwechslungsgefahr
Teilnehmer der Initiative Tierwohl (ITW) sind doppelt gefordert. Das für die ITW verpflichtende Raufutter kann nicht gleichzeitig als gesetzlich gefordertes Beschäftigungsmaterial dienen. Vielmehr sind verschiedene Materialien gefragt, die auch räumlich getrennt voneinander angeboten werden.
Klartext: ITW-Teilnehmer müssen ihren Schweinen in der überwiegenden Zeit des Tages Zugang zu Raufutter gewährleisten. Ab August müssen sie zusätzlich gesetzlich gefordertes Beschäftigungsmaterial anbieten – und zwar ständig. Letzteres kann, muss aber nicht Raufutter sein.
Zu beachten sind die unterschiedlichen Tierzahlen: Für jedes gesetzliche Beschäftigungsobjekt sind zwölf Schweine zugelassen, für jeden Raufutterfressplatz nach ITW sind es 20 Schweine.
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