Hören, sehen, riechen, anfassen und fühlen, während des Stalldurchgangs sollte der Geflügelhalter alle Sinne einsetzen. Kann eine Maschine das besser? Wohl kaum, jedoch kann so ein Apparat mithilfe einer Vielzahl von Sensoren umfangreich und kontinuierlich Daten erheben. So wird der Mensch rasch und konkret auf Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht. Farmer-Assistenz-System (FAS) heißt das an einer Schiene aufgehängte Gerät, das kontinuierlich im Stall auf Ruthe seine Runden dreht.
Daten jederzeit einsehbar
„Es geht darum eine praktisch lückenlose Überwachung und Beobachtung des Tierbestandes zu ermöglichen, um den Landwirt schnell und zielgerichtet über Luftqualität und Ventilation sowie das Verhalten seiner Herde im Stall zu informieren“, sagt Projektleiter Prof. Ottmar Distl. Ersetzen, darauf weist er ausdrücklich hin, kann und soll das FAS den Landwirt nicht. Die Vorteile hingegen liegen für Distl klar auf der Hand: Stallklima und Tierdaten sind schnell und effizient jederzeit auf dem PC und Smartphone abrufbar. Idealerweise weiß der Landwirt so schon vor dem Stalldurchgang, wo Probleme wie beispielsweise tote Tiere oder stark verkotete Bereiche in der Einstreu lauern und er genauer hinsehen muss.
Das vom Bundesministerium geörderte Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) soll insbesondere die Schnittstelle Mensch-Tier und die Digitalisierung unter die Lupe nehmen. Die Forscher wollen herausfinden wo es Limitierungen gibt, erläutert Distl, der Direktor am Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover ist.
Sobald sich das FAS in Bewegung setzt, werden über spezielle Sensoren Klimadaten wie Stalltemperatur, Luftfeuchte, Luftbewegung, CO2 und der Ammoniakgehalt erfasst. Der gesamte Stall ist dabei in ein Koordinatensystem unterteilt, so dass eine genaue örtliche Zuordnung der gemessenen Daten möglich ist.
Vorteil: viele Messpunkte
Aktuell haben die Wissenschaftler das FAS so programmiert, dass es bei einer Über- oder Unterschreitung der vorgegebenen Grenzwerte von mehr als 10 % einen Alarm auslöst, eine Warnmeldung gibt es schon vorher. „Wichtig ist hierbei, die Daten individuell auf den Bestand abzustimmen“, erläutert Fabian Spieß, der das Projekt betreut. Er sieht einen deutlichen Vorteil dieser umfangreichen räumlichen Datenerfassung, denn: „Der herkömmliche Stallcomputer erfasst das Klima nur an drei festen Messpunkten“, erläutert der Veterinär. Durch zusammenfassende Tagesberichte erfährt der Landwirt zusätzliche Details über die Verhältnisse, die im Laufe eines 24-Stunden-Tages im Stall herrschten.
Ein weiterer Fokus des FAS liegt auf der Erfassung von Daten, die Rückschlüsse auf das Befinden der Tiere erlauben. Hierzu gehören die Lautstärke der Tiere, der freie Raum im Stall, die Lichtintensität und die Abweichung vom Lichtprogramm. Spieß erklärt dazu, dass nicht an jeder Position im Stall die gleiche Lichtstärke herrsche. In Kombination mit der Verteilung der Tiere könne ermittelt werden, bei welchem Licht sich die Tiere wohler fühlen. Das müsse aber stets in Kombination mit den Klimadaten gesehen werden. Aktuell arbeitet Spieß daran, das automatische Erkennen toter Tiere mit Hilfe von Algorithmen noch effizienter und genauer zu machen. Eine Normalbild- und eine Infrarotkamera des FAS filmen die Tiere von oben. Wenn an einem bestimmten Punkt zum zweiten Mal ein Tier in unbeweglicher Position erkannt und ein deutlicher Temperaturunterschied gemessen wird, definiert das FAS dieses Tier als tot. Auch das Erkennen feuchter Stellen in der Einstreu muss noch perfektioniert werden. Auf längere Sicht soll das FAS auch in der Lage sein, die Kotkonsistenz der Tiere zu erfassen. Diese Werte könnten als Indikatoren für die Tiergesundheit herangezogen werden.
Tierkontrolle unverzichtbar
Trotz all dieser Informationen ist das Einfühlungsvermögen und die Wahrnehmung des Landwirtes bei solch einem automatisch arbeitenden Gerät wichtiger denn je. Während das FAS über den Köpfen der Tiere ungeachtet hinwegschwebt, treibt der verantwortungsbewusste Tierbetreuer seine Hühner während eines Stalldurchganges grundsätzlich auf. Das Verhalten der Tiere gibt ihm dabei Hinweise auf deren Wohlbefinden.
Spieß berichtet von einem Vorkommnis während des morgendlichen Stalldurchganges: „Ein Tier blieb sitzen, ich habe es mir genauer angesehen und erkannt, dass sein Schnabel verletzt war“. Weil das Hähnchen damit keine Überlebenschance hatte, tötete Spieß das Tier tierschutzgerecht. In solchen Situationen hat ein Automat seine Schwächen und die Sachkenntnis des Betreuers ist gefordert.
Einfühlungsvermögen zählt
„Der Landwirt darf es sich mit so einer Maschine nicht zu einfach machen“, bringt Dr. Christian Sürie, der Leiter des Lehr- und Forschungsgutes Ruthe, seine Vorbehalte gegenüber dem FAS zum Ausdruck. Die umfangreiche Datenerhebung sieht er positiv, jedoch gibt er zu bedenken, dass es bei der Tierbetreuung unbedingt auch auf das Fingerspitzengefühl des Menschen ankommt. „Es ist dieses Quentchen, was den Landwirt ausmacht – denn wir arbeiten mit lebenden Kreaturen“, sagt er. Distl betont, dass der Landwirt nicht ersetzbar ist. Er kann sich jedoch dank des FAS jederzeit selbst einen Überblick über seine Herde und die Verhältnisse im Stall verschaffen. Damit sei er nicht mehr abhängig von der Beurteilung der Situation durch Mitarbeitende. Gleichzeitig erhöhe das die Eigenverantwortlichkeit.
Eine weitere wichtige Eigenschaft des FAS zum verbesserten Schutz der Tiere ist seine Frühwarnfunktion. Es löst bei Schwierigkeiten „rund um die Uhr“ Alarm aus, also auch außerhalb der mindestens zwei Mal am Tag stattfindenden Stalldurchgänge des Betreuers. Gesündere Tiere mit mehr Lebensqualität, das ist das Ziel, das Spieß durch eine Prozessoptimierung anstrebt. Das FAS kann aus seiner Sicht dazu einen Beitrag leisten. Um das Gerät noch intensiver prüfen zu können, sollen im Rahmen des MuD-Projektes auch fünf Praxisbetriebe damit ausgestattet werden.
Das Farmer-Assistenz-System
Der etwa 25 kg schwere Roboter aus Edelstahl fährt in einer Höhe von 60 bis 80 cm über dem Stallfußboden kontinuierlich über die Tiere hinweg. In dem Versuchsstall (Abmessungen 16 x 30 m) für 8000 Tiere wurden 200 Meter Schienen in regelmäßigen Bahnen eingebaut. Die Vorschubgeschwindigkeit beträgt 10 bis 15 cm/Sekunde. Bei einem Hindernis wird ein Notstopp eingelegt. Alle erfassten Daten und Bilder kann der Landwirt in „real time“ auf dem Smartphone abrufen. Betrieben wird das FAS über Elektromotoren aus einer Batterie, die nach jeder Fahrt in einer Ladestation aufgeladen wird. Vor dem Ausstallen wird das Gerät aus dem Stall entfernt. Langfristig ist geplant, für das FAS eine eigene Garage zu bauen. Die Tiere nehmen den von einem spanischen Unternehmen hergestellten Automaten nicht als störendes Objekt war.