„Es gibt nicht die eine Langschwanzgenetik“, stellte Susanne Rohde von der Genossenschaft zur Förderung der Schweinehaltung (GFS) entschieden fest.
Zuchtorganisationen forschen zwar in ihren Nucleusbetrieben. Sie bonitieren Schwänze und leiten daraus Zuchtwerte ab. Doch sie brauchen Merkmale mit hoher Erblichkeit. Die sind schwierig zu finden. Und je niedriger die Erblichkeit, desto länger dauert eben die Zucht.
Ein Beispiel für genetische Einflüsse auf das Schwanzbeißen ist das Entzündungs- und Nekrosesyndrom SINS. Auslöser hierfür sind Abbauprodukte von Bakterien, welche die Leber und damit den Stoffwechsel belasten.
Was die Forschung weiß
Eine Studie der Uni Gießen hat dazu verschiedene Sauen- und Eberlinien verglichen. 60 % der Nachkommen aus einer Sauenlinie hatten entzündete Schwänze, während nur 20-30 % der Tiere aus den übrigen drei Linien betroffen waren. Insgesamt wurden dafür 20 000 Mastschweine untersucht.
Um den Effekt des Vaters ausfindig zu machen, bonitierten die Forscher außerdem 646 Ferkel im Alter von drei Tagen. Dabei bekamen Nachkommen von Duroc-Ebern signifikant niedrigere SINS-Werte bescheinigt als Piétrain-Endprodukte.
Einzelne Eber weichen ab
Aber auch innerhalb der Rasse Piétrain beeinflusste der einzelne Eber die Werte seiner Nachkommen. Messungen der GFS bestätigen, dass Eber innerhalb einer Linie voneinander abweichen können. So hat die Genossenschaft deutliche Unterschiede in der Rückenspeckdicke festgestellt. Sie wirkt sich auf den Hormonspiegel, den Stoffwechsel und das Verhalten der Tiere aus.
Futter für den Langschwanz
Darüber hinaus haben Haltung und Fütterung großen Einfluss auf das Auftreten von Schwanzbeißen. Also immer reichlich Rohfaser, um die Tiere zu beruhigen? Das würde Fütterungsberater Marius Erning von der agriV Raiffeisen eG so nicht unterschreiben. Im Ernstfall bräuchten Schweine eine Ration mit reichlich hochwertigem Protein und Energie, um Verhaltensstörungen zu mildern. Hilfreich seien oft entzündungshemmende und blutverdünnende Pflanzenextraktstoffe.
Energiesparmodus
Besondere Vorsicht ist laut Tierarzt Dr. Michael Kleimans während eines Krankheitsgeschehens geboten: Solange Schweine mit Erregern kämpfen, sparen sie an anderer Stelle Energie ein. Dadurch sinkt die soziale Motivation. Betroffene Tiere werden nach kurzer Zeit reizbar und neigen zum Beißen.
„Sie haben Hochleistungssportler im Stall“, verdeutlichte Susanne Rohde den anwesenden Landwirten die Situation. „Da müssen alle Faktoren stimmen, um das volle Potenzial zu nutzen.“
Technische Unterstützung?
Mit Kameras und künstlicher Intelligenz lassen sich Schweine mehr oder weniger objektiv erfassen. Die Technik kann zum Teil schon aggressives Verhalten sowie Opfer- und Tätertiere erkennen. Ganz praxisreif sind die Modelle laut Rohde aber noch nicht.
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