Wir müssen das Pferd wieder Pferd sein lassen und nicht auf eine Sportmaschine reduzieren. Ein Tier, das 23 Stunden im Stall steht, kann keine Leistung bringen.“ Das ist das Statement von Georg Fink, Sachverständiger für „Reitanlagen und Stallbau in der Pferdehaltung“.
Wo der Trend hingeht, ist für Fink klar: „Aktuell stehen nur ein Drittel der Pferde in Gruppenhaltung und zwei Drittel in Einzelhaltung. In zehn Jahren ist die Verteilung genau andersherum.“ Er rät Pensionsbetrieben sich darauf einzustellen. Allerdings betont der Fachmann auch: „Gruppenhaltung ist nicht besser als Einzelhaltung. Beides behält seine Berechtigung.“
Einzelhaltung bleibt wichtig
Das sieht auch Dr. Sandra Kuhnke, Referentin für Pferdehaltung bei der Landwirtschaftskammer NRW so. „Die Nachfrage von Pferdebesitzern nach Gruppenhaltung wird steigen. Auf der anderen Seite wünschen sich aber auch immer mehr Einsteller Einzelboxen mit Paddock. Denn auch in Zukunft eignet sich nicht jedes Pferd für die Gruppenhaltung.“ Die Expertin schätzt, dass immer mehr Reiter sich große, luftige Einzelboxen für ihre Vierbeiner kombiniert mit Weidehaltung in Gruppen wünschen. Gerade im Bereich des Leistungssport kann sie nicht feststellen, dass Gruppenhaltung in Mode kommt.
Im Freizeitbereich beobachtet Kuhnke, dass Betriebe, die zukünftig auf Gruppenhaltung umsteigen möchten auch das Paddock Paradise-System in Betracht ziehen. Bei dem Stallsystem sind verschieden strukturierte Flächen mit unterschiedlichen Untergründen über lange Laufwege für die Pferde erreichbar. Auslauf und Struktur übersteigen den Aktivstall. Allerdings sieht die Referentin auch, dass solche Haltungssysteme für viele Betriebe nicht umsetzbar sind, da viel Fläche vorhanden sein muss. Außerdem berichtet sie, dass so ein Bauvorhaben je nach Kreis auch an der Zustimmung der Behörden scheitern kann, weil beispielsweise die benötigte Fläche als zu groß erachtet wird.
Was bringt die neue Leitlinie?
Wie die Einzel- oder Gruppenhaltung von Pferden wirklich beschaffen sein soll, beschreibt die Leitlinie zur Pferdehaltung des BMEL. Aktuell beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe (AK 11 der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz)mit der Überarbeitung der Leitlinie. Mitglied ist auch Georg Fink. Er geht davon aus, dass die Bedeutung der Leitlinie künftig zunimmt. „Die Leitlinie ist keine nett gemeinte Empfehlung, sondern stellt Rahmenbedingungen in der Bedeutung eines antizipierten Gutachtens dar. Es handelt sich vielfach um Mindestangaben.“
Der Mindestplatzbedarf pro Pferd von (2 x Widerristhöhe)² wird aber auch in der überarbeiteten Leitlinie bestehen bleiben. Allerdings handele es sich dabei um ein absolutes Mindestmaß. Kuhnke, wie auch Fink, ist bewusst, dass einige Pferdehalter diese Maße noch nicht einhalten und ihre Boxen vergrößern müssen. „Natürlich ist das bei Altgebäuden nicht immer einfach und bringt wirtschaftlichen Druck mit sich“, erklärt die Referentin der Landwirtschaftskammer.
Fink berichtet zudem, dass die von der Leitlinie geforderten Auslaufzeiten und -flächen größer werden sollen. Zwei Stunden Auslauf sind heute Minimum. Aktuell wird in der Leitlinie eine Auslauffläche von etwa 45 m2 vorgeschrieben. Die Formel lautet: „Fläche pro Pferd = 150 m² für die ersten zwei Pferde + 40 m² für jedes weitere Pferd“. Fink findet: „Das ist viel zu wenig für ein Bewegungstier. Wir fordern mehr Fläche mit galoppierfähigem Untergrund.“ Außerdem wünscht er sich für die Zukunft mehr ökologische Aspekte, wie ein artenreiches Grünland als Weidefläche und nicht lediglich eine Monokultur.
In Bereichen der Fütterung ist für die Neuauflage der Leitlinie vorgesehen, dass Fütterungspausen nicht länger als vier Stunden sein dürfen. „Haben die Pferde eine Stroheinstreu, bekommen zwei Mal täglich Heu und zusätzlichen Weidegang, fehlt es ihnen aber an nichts“, versichert Fink. Wichtig ist ihm: „Kraftfutter muss nach Bedarf gefüttert werden. Eine extreme – heute oft übliche – Kraftfuttergabe macht die Pferde krank.“
Vor Gericht oder bei Bauanträgen spielt die Leitlinie künftig eine noch wichtigere Rolle. Fink weist darauf hin, dass sie bei Kontrollen, zum Beispiel durch Amtstierärzte, bereits heute herangezogen wird.
Sachkundenachweis
Einig sind sich die Experten darin, dass es bei vielen Pferdebetrieben an Fachwissen fehlt. „Ich rate Betriebsleitern aus der Landwirtschaft, die das Fachwissen Pferd nicht haben, einen Sachkundenachweis zu machen“, erklärt Kuhnke. Fink wünscht sich: „Der Sachkundenachweis ist der kleinste Pferde-Führerschein. Ich möchte, dass Betriebsleiter regelmäßig Fortbildungen besuchen.“ Dass ein Pferde-Führerschein auch für Pferdebesitzer Pflicht werden könnte, sieht Kuhnke nicht. Fink ergänzt: „Es würde aber helfen, die Haltungsbedingungen vieler Pferde zu verbessern!“
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