Kühe in der Gruppe halten

„Ich will soziale Kühe“

Matthias Everinghoff macht so ziemlich alles für seine Kühe. Besonders der direkte Kontakt zum Tier ist ihm wichtig. Das vermittelt er auch in der Öffentlichkeit und gibt Hofführungen.

Milchviehhalter Matthias Everinghoff steht hinter der rotbunten Kuh Alke und krault sie am Schwanzansatz. „Das mag sie besonders gerne“, strahlt der hochgewachsene blonde Mann aus Schapen, Landkreis Emsland. Auf seiner anderen Seite steht ihre Schwester. „In dieser Kuhgruppe habe ich vier Tiere aus dem A-Stamm.“ Der Umgang mit seinen Kühen ist Everinghoff eine Herzensangelegenheit. „Die Kühe dürfen sich nicht verstecken, wenn ich in den Stall komme“, erklärt er. Und das tun sie auch nicht. Die überwiegend Schwarz- und Rotbunten schauen ihn erwartungsvoll an. Keine der Damen geht schnell aus dem Weg. Sie kennen ihren Bauern und sind entspannt.

Die Trockensteher stehen bis zur Kalbung in der gleichen Gruppe im neuen Strohstall. (Bildquelle: Schildmann)

In der gleichen Gruppe

Damit die Tiere möglichst wenig Stress haben, bleiben sie immer in einer Gruppe. Diese sind nicht nach Leistungsparametern sortiert, sondern gar nicht gegliedert. Bei Everinghoffs sind knapp 160 zu melkende Kühe zu Hause. Die Kühe stehen in vier verschiedenen Gruppen, in verschiedenen Ställen. Von dort treibt der Landwirt sie zweimal täglich in den Doppel-12er-Fischgräten-Melkstand.

Der Futtertisch ist gefliest. „Von einer Beschichtung halte ich nicht viel. Fliesen halten ewig und sind einfach zu säubern“, erklärt Matthias Everinghoff. (Bildquelle: Schildmann)

Die Tiere sollen nicht nur sozial mit Menschen umgehen, sondern auch miteinander. „Wer mir öfter auffällt und die anderen Kühe wiederholt vom Fressgitter verdrängt, muss gehen“, erklärt Everinghoff. Dabei kann er sich nur schwer von Tieren trennen. Das hängt mit der Vergangenheit zusammen.

Die Milchkühe stehen in diesem Stall auf planbefestigtem Boden mit Gummiauflage. Ein Schieber hält die Lauffläche sauber. (Bildquelle: Schildmann)

2017: BHV1 im Betrieb

2017 brach auf dem Betrieb das Bovine Herpesvirus aus. Der komplette Bestand musste gekeult werden. „Das macht etwas mit einem. Vor allem, wenn deine Lieblingskühe im Doppelstock-Lkw den Betrieb zum Schlachthof verlassen“, berichtet Everinghoff bedrückt. Doch hat die Familie den Kopf nicht in den Sand gesteckt und neue Kühe gekauft. „Eine Zucht muss man sich erst mal wieder aufbauen“, sagt der Milchviehhalter. „Momentan behalte ich bestimmt manche Kühe zu lange, manchmal auch Zellmillionärinnen.“ Auch Mortellaro macht dem Züchter zu schaffen. „Aber mit dem neuen Zuchtwert wollen wir dem entgegensteuern.“

Lea Eicken­busch mit ihrer Lieb­lings­kuh Daisy. Sie ist in ihrem dritten Lehrjahr und will danach bei Everinghoffs bleiben. Die Besamung der Kühe ist dann eine ihrer Aufgaben. (Bildquelle: Schildmann)

Generell liegt ihm die Zucht am Herzen. Everinghoff geht bei der Anpaarung nach dem Triple-A-Verfahren vor. Außerdem freut er sich über die Zuchtfortschritte mit Genomics. „Ich bin ein Herzblutzüchter. Extremen Schaukühen stehe ich aber kritisch gegenüber.“ Das sind für ihn keine optimalen Stallkühe. „Die einseitige Ausrichtung aufs Exterieur hilft uns in der Außendarstellung nicht weiter.“

Everinghoffs Herde ist bunt: Sie besteht aus etwa 90 % schwarz- und rotbunten Holstein-Friesians (HF) sowie 10 % Braunvieh. „Braunvieh ist einfach toll. Doch in den Leistungen kommen die Tiere bei ihren HF-Kolleginnen nicht mit.“

Komfort für Trockensteher

Besonderes Augenmerk legt der emsländische Milchviehhalter auf die Trockensteher und frisch Ab­gekalbten. Die Tiere stehen rund sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin im großen, lichtdurchfluteten neuen Strohstall. Der Liegebereich ist auf Stroh, dann kommt ein nicht überdachter Laufbereich auf planbefestigtem Boden und vorne der überdachte Fressbereich. „Ich mag schöne neue Ställe, die für meine Tiere gut sind“, grinst der Landwirt. Die Trockensteher haben mindestens 11 m2 Platz pro Tier bei voller Belegung und kalben in der Gruppe. „Erst danach separiere ich die Tiere. Das bringt Ruhe“, erklärt Everinghoff.

Nach der Geburt kommen die Kälber direkt zu zweit in ein Iglu. (Bildquelle: Schildmann)

Die Geburten überwacht er nicht. „Wenn ich dort eine Kamera hängen hätte, würde ich keine Nacht mehr durchschlafen.“ Nach der Kalbung bleiben die Kälber rund einen Tag bei der Mutter. „Sind die Kühe schlecht drauf, lasse ich die Kälber auch mal zwei bis drei Tage dabei.“ Denn die jungen Tiere motivieren die Kühe immer wieder zum Aufstehen, da sie trinken wollen. „Dann liegen die Kühe nicht so schnell fest“, erklärt Everinghoff.

Kälber sind die kleine Kuh

Auch die neugeborenen Kälber bekommen viel Zuwendung. „Wir geben ihnen spätestens zwei Stunden nach der Geburt mindestens 3 l ­Kolostrum von der eigenen Mutter.“ Nach der Geburt kommen die Kälber möglichst direkt in Zweiergruppen. „Das ist einfach gut für den Sozialkontakt.“ Mit drei Wochen kommen sie dann in 5er- und mit drei Monaten in 10er-Gruppen. Mit fünf ­Monaten stallt der Landwirt sie in den Strohstall in der alten Diele. „Hier sind die Luftverhältnisse nicht optimal, aber die etwas älteren Tiere kommen damit zurecht und wir haben kaum Lungenprobleme.“

Eine ad libitum-Tränke bekommen die Kälber nicht, dafür zweimal täglich 4 l eines Milchaustauschers mit einer Konzentration von 160 g/l. Außerdem bietet Everinghoff ihnen von Beginn an die Kuh-TMR an.

Die Herde besteht zu 90 % aus Holstein-Friesian-Kühen und zu 10 % aus Braunvieh. Die Schwarzbunten sind den Braunen in der Milchleistung überlegen. (Bildquelle: Schildmann)

Öffentlichkeitsarbeit

Die Kälberhaltung ist dem Milchviehhalter besonders mit Blick auf die gesellschaftlichen Anforderungen wichtig. „Die Konsumenten wünschen sich einen längeren Kuh-Kalb-Kontakt. Das versuche ich nach und nach umzusetzen.“

Wir müssen uns mehr bewegen und zeigen, was Landwirtschaft für Gesellschaft und Umwelt tun kann.

Generell liegt Everinghoff am Herzen, die Landwirtschaft zu erklären. Alleine in diesem Jahr hatte er fünf Kindergartengruppen zu Besuch. Auch die Kindertagespflege aus dem Ort ist jederzeit willkommen. Ehrenamtlich ist er im Vorstand beim LsV Grafschaft Bentheim, Vorsitzender im Öffentlichkeitsausschuss des Landvolks und engagiert sich bei Parents for Future NRW. „Ich möchte die Menschen erreichen. Wir müssen uns mehr bewegen und zeigen, was Landwirtschaft für Gesellschaft und Umwelt tun kann. Da ist bei unseren Verbänden noch viel Luft“, findet Everinghoff. Deshalb möchte er sich künftig auch stärker politisch engagieren.

Daten zum Betrieb Everinghoff
Zum Hof der Familie Everinghoff aus Schapen im Emsland gehören neben den 160 zu melkenden ­Kühen und ihrer weiblichen Nachzucht etwa 120 ha landwirtschaftliche Fläche. Auf dem Acker bauen die Milchviehhalter Mais und Triticale an. Das Jungvieh bringen die Landwirte tragend zum Pachtstall im Nachbarort. Den Betrieb führt Matthias Everinghoff gemeinsam mit seiner Frau und seinen Eltern. Außer­dem gehören zwei Auszubildende dazu. Lea Eickenbusch bleibt nach ihrem dritten Lehrjahr auf dem Betrieb als Festangestellte. Sie ist zudem ausgebildete Eigenbestandsbesamerin.
Die Milch liefern Everinghoffs an die Privatmolkerei Paul Mertens. „Wir produzieren ganz normal nach dem QM-Standard. Höhere Haltungsformen fordert momentan niemand“, erklärt Everinghoff. Seine Kühe geben im Jahr rund 11.200 kg Milch mit 4 % Fett und 3,45 % Eiweiß. Künftig plant er jedoch, eine Joggingweide an den Betrieb anzubauen, um die Fitness seiner Tiere noch weiter zu erhöhen.

Lesen Sie mehr: