Solche Milchpreisspreizungen wie im Jahr 2023 haben wir noch nie gesehen“, erklärte Peter Stahl auf der Pressekonferenz des Milchindustrie-Verbandes (MIV) am vergangenen Freitag. Im Juli habe zwischen dem Top- und dem Flop-Auszahler mehr als 8 Cent/kg Milch gelegen. Die erfreuliche Botschaft: Für die kommenden Monate geht der MIV-Vorsitzende im Schnitt von steigenden Milchpreisen aus.
„Zu Beginn des Jahres hatten wir noch Milchauszahlungspreise von teilweise mehr als 60 Cent/kg. Im Norden haben die Preise dann schneller und deutlicher nachgegeben als im Süden“, so Stahl. Jetzt würden internationale Notierungen aber auf sich verbessernde Marktbedingungen hindeuten. Der MIV rechnet für 2023 im Bundesschnitt mit einem Milchpreis von rund 45 Cent/kg Rohmilch.
Milchmenge über 2022
Aktuell liege die Milchanlieferung in Deutschland etwa 2 % über dem Vorjahresniveau. „Besonders im ersten Halbjahr dieses Jahres haben die Landwirte deutlich mehr Milch angeliefert als im Vorjahr“, berichtete der MIV-Vorsitzende und führte das auf die sehr festen Preise zurück, mit denen das vergangene Jahr geendet hat. Auf lange Sicht werde die Milchmenge in Deutschland und der EU aber zurückgehen.
Im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sinkt der Absatz von Trinkmilch weiter. „Trinkmilch bekommt eine ernste Konkurrenz durch pflanz-liche Alternativen“, erklärte MIV-Geschäftsführer Eckhard Heuser. Weidemilch zeigt dagegen einegute Entwicklung.
Der Butterabsatz ging ebenfalls zurück, wasauf die hohen Preise zurückzuführen sei. „Margarine profitiertedavon allerdings nicht“, ordnete Peter Stahl ein. Käse bleibt sehrgefragt. Der Umsatz der Molke-reibranche lag im vergangenen Jahr bei 38,6 Mrd. € und damit rund 25 % über dem Vorjahres-ergebnis.
CO2-Fußabdruck erfasst?
Trotz des guten Ergebnisses steht die Branche vor zum Teil großen Herausforderungen: „Die Anforderungen von Politik, Handel und Gesellschaft werden höher“, so Stahl. Auch das Thema Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung: Auf die Frage, ob Molkereien in Deutschland künftig ein gemeinsames Tool nutzen, um den CO2-Fußabdruck landwirtschaftlicher Betriebe zu erfassen, gab Stahl zu bedenken, dass es auch internationale Milchverarbeiter gibt, die auf andere bzw. eigene Systeme zurückgreifen.
Ziel aller Molkereien sei es aber, die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Landwirtinnen und Landwirte zu vergüten. Letztlich müsse dazu aber auch der Handel und schlussendlich der Kunde bereit sein, mehr zu zahlen. Verbraucher bevorzugen momentan inflationsbedingt aber überwiegend günstige Produkte.
Mehr Milchgeld mit QM++?
Dass teilweise schon mehr Wertschöpfung durch Nachhaltigkeitsprogramme auf den Höfen ankommt, erklärte der stellvertretende MIV-Vorsitzende Hans Holtorf. Er verwies auf das Mehrwertprogramm QM++, das einige Molkereien jetzt ausrollen und mit dem Landwirte bereits Zuschläge erhalten können.
Die hohen Produktionskosten setzen nicht nur Landwirte, sondern auch Molkereien unter Druck: „Die Branche ist darauf angewiesen, dass die Bundesregierung jetzt an geeigneten Rahmenbedingungen arbeitet, um dem Wirtschaftsstandort Deutschland Rückenwind zu verleihen. Unsere Mitglieder stehen für Produktvielfalt und die Innovationsfähigkeit einer mittelständisch geprägten Branche – das ist ein großer Wert für den Verbraucher. Die aktuelle Überregulierung bedroht diese Vielfalt, hier muss die Politik aus unserer Sicht dringend gegensteuern“, appellierten die MIV-Vertreter.
Peter Stahl forderte die Regierung zudem auf, Genehmigungen für Um- und Neubauten von Kuhställen zu vereinfachen, um Kuhbetrieben eine Perspektive zu geben: „Deutschland ist ein Gunststandort, um Milch zu produzieren. Wir sollten dieses Potenzial nutzen und durch kluge Entscheidungen den Milchsektor stärken.“
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