Wochenblatt: Frau Wohlfarth, der Kieler Rohstoffwert Milch ist gesunken, auf der globalen Handelsplattform für Milchprodukte Global Dairy Trade gab der Durchschnittspreis nach: Haben die Eckprodukte ihren Preiszenit überschritten?
Monika Wohlfarth, Geschäftsführerin der Zentralen Milchmarkt Berichterstattung (ZMB): Ja, bei Blockbutter und Milchpulver ist das so. Milchpulver hatte im Mai mit 4300 €/t einen Höchststand und nähert sich nun 3000 €/t an. Butter hat sich in den vergangenen Monaten in Deutschland immer wieder auf und ab bewegt und liegt aktuell nah bei 6000 €/t. Im langfristigen Vergleich sind die Erlöse aber weiter mehr als die Hälfte über dem Schnitt.
Wochenblatt: Ist das Angebot gestiegen oder ist die Nachfrage gesunken?
Monika Wohlfarth: Es ist eine Mischung aus beidem. Die Produktion hat sich zumindest EU-weit stabilisiert, die Nachfrage ist abgeflacht.
Milchangebot weltweit
Wochenblatt: Sinkt die Nachfrage international aufgrund der hohen Preise für Milchprodukte?
Die Nachfrage verteilt sich auf viele Länder und es kommt immer zu gewissen Schwankungen. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage importiert Sri Lanka deutlich weniger. Zudem China, der weltweit größte Importeur von Milchprodukten mit einem Anteil am Gesamthandel von 20%. Das dürfte aber nicht allein an den hohen Preisen liegen. Ausschlagend dürfte die Kombination sein aus höherer Eigenproduktion, Absatzrückgängen im Außer-Haus-Konsum aufgrund neuer Corona-Lockdowns in Millionenstädten, sinkender Wirtschaftsleistung und der platzenden Immobilienblase.
Wochenblatt: Trotz der hohen Preise springt der Milchmotor nicht richtig an. Wie entwickelt sich die Milchmenge in globalen Milchregionen?
Monika Wohlfarth: Das ist unterschiedlich. Die Produktionskosten sind überall gestiegen. In der EU und auch in Deutschland steigt seit September die Milchanlieferung, die im August durch das extreme Wetter und Hitzestress bei den Kühen noch ausgebremst war. In den USA ist die Milchproduktion ebenfalls angesprungen. In Neuseeland war das Wetter zuletzt ungünstig, sodass es hier weniger Milch als im Vorjahr gibt.
Preisbildung beim Käse
Wochenblatt: Weltweit haben die Notierungen nachgegeben, in deutschen Supermärkten sind die Käsepreise im November gestiegen. Warum?
Monika Wohlfarth: Das liegt an den Mechanismen der Preisbildung. Die Preise für die Eckprodukte am Weltmarkt reagieren unmittelbar auf Angebot und Nachfrage. Im Einzelhandel sind dagegen längerfristige Kontrakte üblich, die zu Beginn der Laufzeit an die Marktverhältnisse angepasst werden.
Wochenblatt: Die Hälfte der deutschen Milch wird zu Käse: Wie läuft der Inlands- und Exportmarkt?
Monika Wohlfarth: Im Inland ist die Nachfrage hoch. Die Absätze im Einzelhandel erreichen zwar nicht mehr die Höchstmengen wie zur Hochphase der Corona-Pandemie. Doch die Bestellungen aus dem Lebensmitteleinzelhandel sind weiter hoch und gleichzeitig hat sich die Nachfrage aus dem Außer-Haus-Sektor erholt. Die Schnittkäsenotierungen liegen mit 5,33 €/kg um mehr als 70 % über dem langjährigen Schnitt. Die Käseexporte Deutschlands sind in den ersten acht Monaten 2022 um 3,2 % gesunken.
Was tun Verbraucher?
Wochenblatt: Bei Trinkmilch und bei Butter ist der Regalpreis 2022 schon mehrmals gestiegen. Nahrungsmittel zählen zu den Inflationstreibern. Wie reagieren Verbraucher darauf?
Monika Wohlfarth: Auch bei Milchprodukten greifen sie stärker zu günstigeren Handelsmarken und Aktionsware. Höherpreisige Spezialitäten haben es schwerer. Es gilt aber weiter: Gegessen wird immer.
Wochenblatt: Gilt das auch für pflanzliche Milchalternativen?
Hier hat sich das Absatzwachstum abgeflacht. Die pflanzlichen Alternativen sind übrigens im Schnitt nicht von der Inflation betroffen, während sich Trinkmilch um 30 % und mehr im Vergleich zum Vorjahr verteuert hat.
Wochenblatt: Bis vor wenigen Monaten haben Verbraucher und Lebensmittelhandel „Mehrwerte“ für die Milch gefordert. Wie entwickelt sich der Absatz dieser Produkte?
Monika Wohlfarth: Bei Weidemilch ist der Absatz zuletzt gestiegen, zeigt die Marktforschung. Das lässt sich aber nur schwer bewerten. Denn erste Handelsunternehmen nutzen für ihre Handelsmarke im Preiseinstieg teilweise Weidemilch oder Milch aus Haltungsform 3.
Wochenblatt: Heißt: Die Mehrwerte sind jetzt also teils ohne Preisaufschlag für den Verbraucher im günstigsten Einstiegsprodukt eingepreist?
Monika Wohlfarth: Zumindest scheint es so, als würden die Handelsunternehmen die Standards im Preiseinstieg erhöhen wollen.
Forderungen nach Bio realistisch?
Wochenblatt: Wie läuft der Absatz von Biomilchprodukten?
Monika Wohlfarth: Zum Teil rückläufig. Es scheint aber so zu sein, dass die Verbraucher hier ebenfalls mehr Handelsmarken im konventionellen Einzelhandel kaufen und sie seltener in den Naturkostfachhandel gehen. Die Preisanpassungen bei Bioprodukten waren aber teilweise später als bei konventionellen Erzeugnissen, sodass man die Lage hier weiter beobachten muss.
Wochenblatt: Sind die Forderungen des Handels nach höheren Haltungsstufen und die Forderung der Politik nach mehr Bio unter diesen Umständen überhaupt realistisch?
Monika Wohlfarth: Das entscheidet am Ende der Verbraucher an der Ladenkasse.
Weiterer Preisdruck zu erwarten
Wochenblatt: Die Milchpreise haben mit rund 60 Cent/kg ungeahnte Höhen erreicht – die Produktionskosten aber auch. Die große Sorge vieler Milcherzeuger: Die Milchpreise sinken demnächst, die Kosten bleiben aber hoch. Welche Prognose geben Sie für die kommenden Monate?
Monika Wohlfarth: Die Auszahlungspreise reagieren auf den Markt in beide Richtungen mit Verzug. Daher bleiben sie zunächst hoch. Zum Jahresstart 2023 könnte es aber je nach Produktionsausrichtung erste Preissenkungen geben. Wenn die internationale Nachfrage im ersten Halbjahr 2023 schwach bleiben sollte und die Milchproduktion über den üblichen saisonalen Anstieg hinauswächst, würde das weiteren Preisdruck erzeugen.
Die Preise für Futtermittel haben teilweise ihre Höchststände überschritten. Sie bleiben aber künftig volatil. Andere Kostenfaktoren wie Energie und damit auch Dünger sowie Personalkosten bleiben dagegen voraussichtlich dauerhaft höher als in der Vergangenheit.
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