In Emstek, inmitten der Putenhochburg Niedersachsens, geht Doktorand Björn Sake der Frage nach, ob es gelingen kann, Puten in freigelüfteten Ställen besser gegen Krankheitserreger abzuschirmen. Zusammen mit den Partnern Big Dutchman und dem Unternehmen RWS Agrarveredlung wurde an einem Standort mit vier Putenställen einer technisch so umgerüstet, dass nun die gesamte Zuluft gefiltert werden kann. Dazu war es erforderlich, die Jalousien komplett hochzufahren, um den unkontrollierbaren Lufteintrag zu unterbinden. An den Längsseiten des Stalles kamen dann jeweils zwei Filtereinheiten hinzu, die nun die gefilterte Luft in den Stall drücken. Im Stall sind jeweils am Filtereinlass sowie unter der Decke Luftverteiler installiert worden (siehe Übersicht). So wird eine gleichmäßige Durchlüftung des Stalles ohne Zugluft für die Tiere gewährleistet.
Zweistufiger Filteraufbau
Hintergrund dieses von der Niedersächsischen Tierseuchenkasse geförderten Forschungsprojektes ist es, die Möglichkeit zu haben, Offenställe in Zeiten mit erhöhtem Druck durch das Geflügelpestvirus kurzfristig auf das Filtersystem umzustellen. Geprüft wird auch, inwieweit das Eindringen anderer problematischer Krankheitserreger unterbunden werden kann. Uwe Beuse von Big Dutchman erklärt, dass die Ausrüstung eines Offenstalles mit entsprechenden Filtern etwa zwei Wochen Zeit in Anspruch nimmt. In einer Gefahrenlage müssen dann nur die Jalousien hochgefahren und die Computersteuerung auf die Filterung umgestellt werden. Die Technik dafür befindet sich in einem der vier Filterboxen. Der Teststall wird dauerhaft im Filtermodus betrieben. Inzwischen läuft der vierte und damit letzte Versuchsdurchgang. Im Stall werden 1500 Putenhähne der Herkunft BUT 6 in Haltungsstufe 1 gehalten.
Die vier Filtereinheiten sind dreistufig aufgebaut. Zuerst wird die Luft durch ein sogenanntes PAD-Cooling System, eine Verrieselungskühlung, angesogen. So gelingt es bei Bedarf, die zugeführte warme Luft im Sommer abzukühlen. Daran schließt sich ein Grob- sowie ein F9 Feinstaubfilter an. Bisher gibt es noch keine Erkenntnisse über solche Filtersysteme im landwirtschaftlichen Umfeld, erläutert Sake.
Im Praxistest soll sich weiterhin zeigen, wie hoch die Abscheideraten der Filter sind und mit welchen Standzeiten der Filter kalkuliert werden kann, das heißt, wann eine Erneuerung fällig ist. Auch, ob die Belüftung und Kühlung des Stalles bei einer herausfordernden Inversionswetterlage gelingt, wird untersucht.
Filter halten viel zurück
Der Grobstaubfilter dient als Schutz für den Feinstaubfilter. Damit soll eine längere Betriebsdauer dieses Filters erreicht werden. Im Grobstaubfilter finden sich beispielsweise Staub von der Getreideernte oder auch Blütenstaub vom Raps wieder.
Die Abscheideraten und damit die Effizienz des Feinstaubfilters wurde von Durchgang zu Durchgang besser. Sake erklärt das so: „Der Filter setzt sich mit der Zeit zu und ist dann für die Partikel noch schwerer passierbar.“ Im Durchschnitt der ersten drei Durchgänge betrug die Abscheideleistung je nach Partikelgröße zwischen 94 und fast 98 %. Je größer die Partikel, desto höher war die Abscheideleistung. Der Grobstaubfilter ist nach dem zweiten Durchgang einmal getauscht worden.
Messungen und Ergebnisse
Björn Sake hat für seine wissenschaftlichen Untersuchungen verschiedene Messgeräte im Einsatz:
- Eine stationäre, kontinuierlich laufende Pumpe saugt Luft durch jeweils einen Schlauch von der Außen- und der gefilterten Luft an. Dabei wird die Luft durch Messköpfe gezogen, in denen sich Teflonfilter befinden. Mittels PCR wird nach 14 Tagen Laufzeit im Labor untersucht, ob sich auf den Filtern genetisches Material von Aviären-Influenzaviren (AI) oder anderen Krankheitserregern befindet. Ins Visier genommen hat Sake dabei auch zwei weitere bedeutende Erreger in der Putenhaltung: das TRT-Virus (Erreger der Turkey-Rhinotracheitis) sowie das ORT-Bakterium (Ornithobakteriose). Erste Ergebnisse zeigen, dass das ORT-Bakterium in den ersten beiden Durchgängen durch die Filter zwar nicht komplett, aber doch in erheblichem Umfang abgefangen werden konnte. Das AI-Virus wurde bislang noch gar nicht nachgewiesen, auch nicht in der ungefilterten Luft. Aktuell ist es eher ruhig um die Geflügelpest.
- Alle weiteren Messungen erfolgen jeweils an den Tagen des Betriebsbesuches. Verschiedene Partikelzählgeräte erfassen über den Zeitraum einer halben Stunde, wie viele Partikel sich in der angesaugten Luft sowie in der gefilterten Luft nach dem Feinstaubfilter befinden. Ein eingesetzter Nanopartikelzähler erfasst über Lasertechnik selbst kleinste Partikel ab 0,02 Mikrometer und somit auch mögliche in der Luft vorkommende Viren.Die Untersuchungsergebnisse der ersten drei Durchgänge zeigen, dass mehr als 95 % aller in der Luft schwebenden Nanopartikel aus dem Stall gehalten werden.
- Weitere Partikelzählgeräte werten Größenspektren von 0,3 bis 20 Mikrometer aus. Damit können auch Mikroorganismen und Viren erfasst werden, die sich an größere Partikel zu einem Agglomerat angelagert haben. Hiermit wurde die bereits erwähnte Abscheideleistung der Filter ermittelt.
- Der Coriolis-Luftkeimsammler scheidet Schwebstoffe in einer Flüssigkeitsprobe ab. Die Probenahme erfolgt über fünf Minuten vor und hinter dem Filter sowie im Stall. Pro Messung kann so ein Kubikmeter Luft untersucht werden. Diese Proben werden anschließend im Labor auf die Gesamtkeimzahl, Schimmelpilze und Hefen untersucht. Die Untersuchungen der ersten drei Durchgänge zeigten, dass im Mittel 97 % aller Keime, Hefen zu 100 % und 98 % der Schimmelpilze von den Filtern abgefangen wurden.
Hervorragendes Stallklima
Auch die Klimaparameter werden im umgebauten Stall laufend überwacht. Durch das Schließen der relativ hellen Jalousien änderten sich die Lichtverhältnisse kaum. Die geforderten 20 Lux werden problemlos eingehalten und liegen meist deutlich darüber. Der CO2-Gehalt in der Luft betrug im Durchschnitt der ersten drei Durchgänge 1190 ppm. Für NH³ konnte ein Durchschnitt von 7,4 ppm ermittelt werden.
Die Umstellung des ehemals freigelüfteten Stalles auf die Zwangslüftung hat für Ludger Lamping, Produktionsleiter bei RWS, weitere Vorteile: Gerade bei einer Inversionswetterlage könne die Luftzufuhr besser reguliert werden. „In einem frei gelüfteten Stall gibt es die Krux, dass oft Zugluft auftritt“, sagt Lamping. Durch die gezielte Luftzufuhr sei die Tiergesundheit besser. Im Vergleich zu den drei weiteren Ställen des Betriebsstandortes beobachtet Lamping, dass der Stall die beste Einstreuqualität und die höchsten Zunahmen aufweist.
Filtern für die Sicherheit
Thomas Uchtmann, Geschäftsführer bei RWS, sieht Potenzial für das Filtersystem. Wenn es einen wirksamen Schutz vor AI-Viren und anderen Krankheitserregern biete, so gebe das auch viehdichten Gebieten wieder eine Perspektive. „Wir wollen versuchen, die Entwicklung langfristig wieder in eine andere Richtung zu drehen“, sagt er. Das System soll weiter erforscht werden. Geplant ist der Einbau in einen größeren Stall.
Björn Sake arbeitet am Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärzliche Hochschule Hannover unter der Leitung von Prof. Nicole Kemper, Projektverantwortlicher ist Privatdozent Jochen Schulz.
Viren, Partikel, Agglomerate
Influenzaviren sind zwischen 80 und 120 Nanometer groß. Deshalb, so erläutert Björn Sake, können sie in der puren Form eigentlich schwer abgeschieden werden. Weil die Überlebensfähigkeit von Viren und Mikroorganismen allgemein in der Luft aber viel höher ist, wenn sie sich an einen (Staub-)partikel binden und zusammen ein Agglomerat bilden, erreichen sie damit eine Größe, die zwar gefährlicher, aber auch besser zu filtern ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Viruslasten in den größeren Partikelfraktionen im Vergleich zu den kleineren Fraktionen gleich oder sogar höher waren.
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