Der Druck auf Schweinehalter nimmt stetig zu – politisch, gesellschaftlich, finanziell. Da kommen Angebote von Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und Vermarktern wie gerufen, mit Außenklima und Tierwohl mehr Geld pro Tier zu erlösen.
Die Kriterien der drei großen Programme, die alle der Haltungsform 3 des LEH entsprechen, haben wir in Wochenblatt-Ausgabe 8/2022 vorgestellt. Die zentrale Frage der Landwirte ist jetzt: Lohnt sich der Umstieg von der konventionellen Produktion auf eine Haltung mit Außenklimareizen, mehr Platz, Einstreu und GVO-freier Fütterung?
Abstockung kostet 5 €/Platz
Grundsätzlich hat der Landwirt zwei Alternativen, um 40 % mehr Fläche für die Schweine zu generieren: Entweder er reduziert den Bestand im vorhandenen Stall um mindestens 29 % – der genaue Prozentsatz ist betriebsindividuell je nach Buchtenmaßen und Belegungsdichte unterschiedlich. Oder er erweitert den Stall durch Anbau oder Auslauf auf die geforderten 1,05 m²/Tier.
Die Bestandsverringerung ist die teurere Variante, wie der Kasten „Anbauen oder Tierzahl reduzieren?“ am Ende des Artikels belegt. Daher gehen wir im Folgenden von der Erweiterung des vorhandenen Stalls aus. Wo das räumlich oder genehmigungsrechtlich nicht möglich ist, müssen die Kosten der folgenden Kalkulation um gut 5 €/Mastplatz/Jahr erhöht werden.
Futterverwertung schlechter
Neben dem zusätzlichen Platz treiben weitere Kriterien die Kosten. Da viele Schweinemastbetriebe zu Jahresbeginn zur Umsatzsteueroption wechseln mussten, handelt es sich bei den Kostenpositionen in Übersicht 1 um Nettowerte.
Den größten Batzen machen mit knapp 9 €/Tier Umbau und Erweiterung des Stalls aus. Direkt an zweiter Stelle folgen die höheren Futterkosten. Nach Auswertungen von Erzeugerring Westfalen und Landwirtschaftskammer NRW verschlechtert sich die Futterverwertung in Außenklimaställen um rund 0,3 Punkte. Bei 95 kg Zuwachs und 27 €/dt Futter im Schnitt der Mast führt das zu Mehrkosten von 7,70 €/Tier.
Besondere Beachtung finden die Futterkosten beim Programm Bauernliebe, das ein höheres Zielgewicht von 102,5 kg SG anstrebt. Die zusätzlichen Kilos schlagen mit knapp 7 €/MS zu Buche, wenn man langjährige Futterpreise für Endmastfutter unterstellt.
Kostentreiber GVO-frei
Die GVO-freie Fütterung spielt insbesondere beim Eiweißträger eine Rolle. Bei 20 % Anteil der Eiweißkomponente über die gesamte Mast werden beispielsweise etwa 50 kg Sojaschrot benötigt. Im langjährigen Durchschnitt betrug der Preisunterschied zwischen GVO-freiem und normalem Sojaschrot rund 8 €/dt. Pro Mastschwein bedeutet das rund 4 € höhere Kosten in der Fütterung.
Das Programm „Wertschätze“ fordert die GVO-freie Fütterung aufgrund des Gentechnikfreiheitsgesetzes vier Monate vor der Schlachtung. Daher muss hier schon in der Ferkelaufzucht GVO-frei gefüttert werden. Dadurch verteuern sich die Futter- bzw. Ferkelkosten mindestens um weitere 0,7 €/Tier.
Alle Programme favorisieren Einstreu. Wenn dadurch nennenswerte Mistmengen entstehen, ist der Bau eines JGS-anlagentauglichen Mistlagers notwendig. Muss der Mist über drei Monate gelagert werden, entstehen Kosten von etwa 0,2 €/MS/Jahr. Zusätzliche Kosten können durch die Investition in einen Hoftrac entstehen.
Doch auch wenn die Einstreu überwiegend durch die Spalten fällt, kann der Aufwand steigen. Die Kosten für zusätzliche Spül- oder Rührtechnik, um die strohreichere Gülle homogen zu bekommen, sind in der Übersicht noch nicht enthalten.
Eins ist sicher: Der Arbeitseinsatz steigt durch Einstreu, Sauberhalten der Festflächen und erhöhten Aufwand bei der Tierkontrolle. Das verursacht Mehrkosten in Höhe von 5,10 €/Mastschwein bei einem zusätzlichen Aufwand von 0,57 Stunden/Mastplatz und einem Stundenlohn von 25 €.
Unterm Strich steigen die reinen Produktionskosten um 33 bis knapp 40 €/MS gegenüber einer konventionellen Mast ohne Tierwohlmaßnahmen. Diese zusätzlichen Kosten müssen durch die Programmvergütungen und Boni wieder eingespielt werden.
Die dargestellten Kosten beziehen sich auf Durchschnittswerte langjähriger Auswertungsergebnisse. Aktuell steigen insbesondere die Futterkosten auf einen absoluten Höchststand. Bei Futterpreisen von rund 40 €/dt für Mastfutter steigen die Mehrkosten für Futter auf 12 €/Tier.
Das setzt sich bei den GVO-freien Komponenten fort, die derzeit deutlich teurer als die normalen Komponenten sind. Setzt man den aktuellen Preisabstand von über 30 €/dt zwischen konventionellem und gentechnikfreiem Sojaschrot an, erhöhen sich die Mehrkosten in den Programmen Bauernliebe und Fairfarm um über 11 €/MS. Beim Programm Wertschätze steigen die Kosten um über 13 €/MS, da schon in der Ferkelaufzucht GVO-frei gefüttert werden muss. Der zusätzliche Futterbonus von 4 €/MS, den Wertschätze zurzeit zahlt, gleicht diese Kostensteigerung nicht aus.
Mehrerlös durch Tierwohl
Der Mehrerlös in Übersicht 2 setzt sich bei den Programmen aus ganz unterschiedlichen Komponenten zusammen, die wir ausführlich in Ausgabe 8/2022 vorgestellt haben.
Da bei Bauernliebe das Ziel-gewicht bei 102,5 kg SG liegt, bekommen Mäster dort den höchsten Mehrerlös von insgesamt knapp 37 €/Schwein. Das zusätzliche Schlachtgewicht von knapp 6 kg bringt 9,12 €/Schwein bei einem Durchschnittspreis von 1,60 €/kg. Zudem gibt es einen Tierwohl-Bonus von 20 €, den ITW-Bonus von 5,28 € und einen Mengenbonus von 2,50 €/Tier für Westfleisch-Vertragsmäster mit einer Jahresliefermenge zwischen 3000 und 5999 Schlachtschweinen.
Das Wertschätze-Programm zahlt Mästern neben dem ITW-Bonus einen Tierwohlbonus in Höhe von 12 €/Schwein, zudem einen Futterbonus von 10 €/Tier. Das ergibt einen Mehrerlös in Höhe von 27,28 €/Tier.
Beim Fairfarm-Programm haben Mäster neuerdings zwei Optionen – Festpreis oder Notierung. Wer sich für den Festpreis entscheidet, koppelt sich vom Markt ab und erhält drei Jahre lang 1,95 €/kg ohne einen weiteren Bonus. Zu- und Abschläge erfolgen auf Basis der Preismaske. Das führt bei durchschnittlich 96,8 kg SG zu einem Mehrerlös von 33,88 € im Vergleich zum langjährigen Durchschnittspreis von 1,60 €/kg.
Alternativ können Mäster die VEZG-Notierung als Preisbasis wählen. Dann bekommen sie einen Haltungsform-Zuschlag von 0,25 €/kg plus die ITW-Prämie von 5,28 €/Schwein. Das summiert sich zu einem Mehrerlös von 29,48 €/Tier.
Einen Zusatzerlös kann bei allen Programmen ein geringerer Maskenschlupf bringen. Gerade die Bauernliebe-Maske punktet mit weiten Gewichtsgrenzen und geringen Abzügen. Wie viel das im Endeffekt ausmacht, muss jeder Betrieb individuell anhand seiner Sortierungsverluste kalkulieren.
Auf der anderen Seite steigen in den meisten Fällen die Vorkosten, da kleinere Partien abgeholt werden. Viele Mäster sind nur mit einem Stall bei Haltungsform 3 eingestiegen und halten die übrigen Schweine konventionell. Auch wenn sich die gesamte Liefermenge nicht ändert, liegen die Vorkosten trotzdem meist höher. Denn Programm-Schweine dürfen oft nicht auf dem gleichen Lkw transportiert werden wie konventionelle Schweine.
Bonus reicht nicht
Damit Schweinemäster bei der Investition nicht draufzahlen, müssen die höheren Kosten der Programme durch die Boni mindestens ausgeglichen werden. Zudem müssen Mäster einen Puffer aufbauen, um das Risiko von Vermarktungsausfällen, Kostensteigerungen oder höheren Auflagen im Folgevertrag aufzufangen. Dafür haben wir 15 % der Mehrkosten kalkuliert. Das ergibt eine Risikoprämie von rund 5 €/MS.
Die wirtschaftliche Betrachtung in Übersicht 3 ist ernüchternd. Bei Bauernliebe, Wertschätze und Fairfarm-Marktmodell reichen die Zusatzerlöse nicht aus, um die höheren Kosten inklusive der Risikoprämie zu erwirtschaften. Lediglich beim Festpreis-Modell von Fairfarm verbleibt ein schmaler Überschuss von 1 €, wenn der Vergleichspreis bei 1,60 €/kg liegt.
Doch reicht auch das nicht aus, um die konventionelle Mast zu toppen. Diese hat in allen vier Fällen einen eindeutigen Vorteil beim Überschuss über die Produktionskosten. Vergleichsmaßstab sind die langjährigen Ergebnisse eines durchschnittlichen Mastbetriebs. Im Schnitt der letzten fünf Jahre erzielte dieser gut 5 €/MS Überschuss bei einer Durchschnittsnotierung von 1,60 €/kg SG.
Bei diesem Preisniveau greifen die Preisuntergrenzen der Programme nicht. Wertschätze und Fairfarm-Marktmodell garantieren einen Mindestpreis von 1,40 €/kg. Bei Bauernliebe gilt das gleitende Mittel der vorangegangenen fünf Jahre als Preisuntergrenze. Im ersten Quartal 2022 ergab sich dadurch ein Mindestpreis von 1,53 €/kg.
Wenn die Notierung steigt
Sowohl die Winter-Tiefstpreise als auch die aktuelle Preisexplosion sind weit entfernt von den Durchschnittsnotierungen der letzten Jahre. Wie sich Überschuss bzw. Unterdeckung bei unterschiedlichen Preisen entwickeln, zeigt Übersicht 4.
Die vier Tierwohlprogramme wollen mit einer Preisuntergrenze bzw. einem Festpreis verhindern, dass der Überschuss in die Verlustzone abrutscht. Dadurch ist der Verlust in absoluten Niedrigpreisphasen, die wir gerade verlassen haben, deutlich geringer.
Die Preisuntergrenze greift bei Wertschätze und Fairfarm-Marktmodell bei 1,40 €, sodass die Überschusskurve bei niedrigerem Preisniveau konstant bleibt. Bei Bauernliebe gilt ein Fünfjahresschnitt. Hier lag die Untergrenze im ersten Quartal 2022 mit 1,53 €/kg SG höher. Das Fairfarm Festpreismodell legt die Latte mit 1,95 € kg/SG am höchsten. Im Gegenzug steigt der Erlös in Hochpreisphasen nicht.
Bei aktuell stark steigenden Preisen verlieren die Programme ab dem Überschreiten der Preisuntergrenze gegenüber der konventionellen Mast. Hinzu kommt, dass nicht vertragsgebundene Mäster im steigenden Markt oft höhere Zuschläge auf den Basispreis aushandeln können.
Der Vorteil des Programms Wertschätze schwindet schon bei einer Notierung von 1,28 €/kg SG, dicht gefolgt vom Fairfarm-Notierungsmodell. Das Programm Bauernliebe hat bis zu einer Notierung von 1,44 €/kg SG einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der konventionellen Produktion. Ab einer Notierung von 1,55 €/kg SG laufen alle drei Programme wirtschaftlich rund 8 bis 10 €/MS schlechter als die konventionelle Mast.
Die Festpreis-Variante von Fairfarm hat bis zu einer Notierung von 1,55 €/kg SG einen finanziellen Vorteil gegenüber der konventionellen Mast. Bei höheren Preisen verschlechtert sich die Wirtschaftlichkeit durch das Festpreissystem. Allerdings ist unter langjähriger Kostenbetrachtung mit diesem Programm zumindest in jeder Preisphase ein Überschuss zu erzielen.
Anbauen oder Tierzahl reduzieren?
Haltungsform 3 fordert 40 % mehr Platz fürs Schwein als gesetzlich vorgeschrieben. Damit steht der Betriebsleiter vor einer grundsätzlichen Entscheidung: Die Tierzahl halten und durch Anbau von Stallfläche oder Auslauf den erforderlichen Platz schaffen. Oder die Tierzahl verringern und den vorhandenen Stall entsprechend anpassen. Die Übersicht vergleicht die beiden Alternativen.
Die Investitionskosten sind betriebsindividuell sehr unterschiedlich. Wir haben mit 650 €/m² zusätzlicher Stallfläche gerechnet. Dann kostet die Erweiterung bei einem Stall mit 1000 Mastplätzen (MP) 195 000 €. Bei 10 % jährlichen Kosten entspricht das 19,50 €/MP. Hinzu kommen 5,40 €/MP/Jahr für den Umbau des vorhandenen Stalls, sodass der Anbau Kosten von insgesamt 24,90 €/MP/Jahr verursacht.
Beim Bestandsabbau verzichtet der Landwirt beim 1000er-Stall auf 286 Mastplätze. Diese bringen im Schnitt eine Direktkostenfreie Leistung (DkfL) in Höhe von 61,6 €/MP. Unterm Strich fehlen damit 17 601 € DkfL jährlich. Das entspricht 24,64 €/MP. Da auch hier der bestehende Stall für 5,4 €/MP/Jahr umgebaut werden muss, summieren sich die zusätzlichen Kosten auf 30 €/MP/Jahr. Damit ist der Bestandsabbau gut 5 €/MP teurer als die Investition in zusätzliche Stallfläche.
Kurz gefasst
- Tierwohlprogramme der Haltungsform 3 bieten Chancen auf Mehrerlös. Der Mäster trägt das Risiko der Investition und der höheren Kosten.
- In Tiefpreisphasen fällt der Überschuss pro Tier gegenüber der konventionellen Mast durch Mindest- bzw. Festpreis der Label höher aus.
- Im Schnitt der Jahre sind die Mehrkosten bei drei Programmen mit Mindestpreis durch die zusätzlichen Erlöse nicht abgedeckt.
- Lediglich beim Festpreis-Modell übertraf der Mehrerlös die Mehrkosten um 1 €/Tier. Doch profitieren Mäster nicht von steigenden Preisen.
- Konventionelle Mäster hatten im Mittel der letzten fünf Jahre die Nase wirtschaftlich vorn – wenn die Abnahme der Schweine gesichert ist.
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