Wenn es nach dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) geht, wird die Tierschutzbremse in der Nutztierhaltung weiter angezogen.
Im Referentenentwurf zum Tierschutzgesetz, der seit Anfang Februar vorliegt, ist nicht nur das Aus für die Anbindehaltung von Rindern geplant. Auch bei Schweinen sind Verschärfungen vorgesehen. Noch handelt es sich um einen Entwurf, nicht um ein Gesetz. Interessenverbände können bis zum 1. März ihre Stellungnahmen abgeben.
Maximal ein Drittel kupieren
Das Schwänzekupieren bei Ferkeln soll stärker reglementiert werden. Ziel sind Schweine mit Ringelschwanz. Das Halten von Schweinen mit gekürzten Schwänzen soll nur unter eng gefassten Bedingungen erlaubt sein:
- In der jeweiligen Haltungseinrichtung sind Schwanz- oder Ohrverletzungen aufgetreten.
- Es wurde eine Risikoanalyse durchgeführt, um die wesentliche Ursache zu ermitteln.
- Es wurden Maßnahmen durchgeführt, um die Haltungsbedingungen zu verbessern, unter denen die Verletzungen aufgetreten sind. Die Schwänze dürfen in diesem Fall um maximal ein Drittel gekürzt werden. Doch ist das kein Freibrief für die Zukunft.
Das BMEL erhält weitgreifende Durchgriffsrechte auf Betriebe, die Schweine mit gekürzten Schwänzen halten. Dazu darf es Verordnungen erlassen, die lediglich die Zustimmung des Bundesrats benötigen.
Was darf das Ministerium?
Für kupierte Schweine kann das Ministerium beispielsweise mehr Platz vorschreiben. Eigene Spielregeln kann es auch für Erhebung und Dokumentation der Schwanz- und Ohrverletzungen einsetzen, ebenso für Inhalt und Häufigkeit der Risikoanalyse oder die daraus folgenden Maßnahmen.
Zudem kann es Grenzwerte für Ohr- und Schwanzverletzungen in der Verordnung festlegen. Und es kann einen Termin festsetzen, ab wann und in welcher Anzahl Schweine mit ungekürztem Schwanz gehalten werden müssen.
Falltiere im Fokus
Neu in den Fokus nimmt der Gesetzentwurf verendete und notgetötete Tiere. Diese müssen dauerhaft mit der VVVO-Nummer des letzten Halters gekennzeichnet sein, damit die Rückverfolgunggewährleistet ist. Ausgenommen sind totgeborene Tiere.
Dabei wird sich die neue Kennzeichnungspflicht nach Angaben des BMEL vorrangig auf Falltiere aus dem Bereich Ferkelerzeugung und Schweinemast beziehen. Das Ministerium rechnet aktuell mit einer Kennzeichnungslücke von gut 3 Mio. Ferkeln und 1,6 Mio. Mastschweinen im Jahr.
Um Tierschutzverstößen der Tierhalter auf die Spur zu kommen, bekommen Behörden ein Betretungsrecht bei Betrieben, die tierische Nebenprodukte verarbeiten. Sie dürfen dort geschäftliche Unterlagen einsehen. Zudem können sie Fotos oder Videos anfertigen, Tierkörper untersuchen, Proben entnehmen oder Tierkörper zur Untersuchung mitnehmen.
Untersucht werden sollen insbesondere der Ernährungszustand, Veränderungen der Haut und Läsionen am Bewegungsapparat. Darüber hinaus wird kontrolliert, ob die Nottötung vorschriftsmäßig erfolgt ist.
Kameras am Schlachthof
Am Schlachthof soll der Tierschutz durch eine permanente Videoüberwachung in sensiblen Bereichen kontrolliert werden. Dabei sollen nicht nur die Tiere gefilmt werden, sondern auch die Mitarbeiter des Schlachthofs.
Überwacht werden alle Schritte vom Entladen der Tiere über die Betäubung bis zum Brühen bzw. bis zu den ersten Schritten nach der Tötung. Der Schlachthof muss die Aufzeichnungen 30 Tage speichern. Zudem muss er sie arbeitstäglich der zuständigen Behörde zum Abruf bereitstellen.
Neu: Tierschutzbeauftragte
Der Entwurf sieht in § 16 das neue Amt eines/einer Bundesbeauftragten für Tierschutz vor. Für die Geschäftsstelle im BMEL sollen weitere vier Stellen geschaffen werden. Die Personalkosten werden mit 467 000 € jährlich veranschlagt.
Kommentar: Scheitern mit Ansage
Wider besseres Wissen will Cem Özdemir den Ringelschwanz per Gesetz durchsetzen. Dabei sprechen die niederschmetternden Ergebnisse der KoVeSch-Studie Bände.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte fünf renommierte Versuchsanstalten mit Ringelschwanzversuchen in optimierten Komfort-buchten beauftragt. Die Idee: Schrittweise den Komfort zurückfahren und den Kipppunkt finden, ab dem Schwanzbeißen beginnt.
Doch selbst in der höchsten KomfortPlus-Variante trat in den meisten Buchten Schwanzbeißen auf. Und das trotz zusätzlichem Platz, besserer Buchtenstruktur, geringerem Schlitzanteil im Ruhebereich, verschiedenen Klima- und Lichtzonen, Kühlung, Wühlareal, großzügiger Ausstattung mit Fressplätzen und (offenen) Tränken sowie Verzicht auf Umgruppierungen.
In der Ferkelaufzucht wiesen je nach Versuchsbetrieb zwischen gut 20 % bis hin zu 96 % der Tiere Schwanzverletzungen auf. In der Mast zeigten 73 % der Mastgruppen Schwanzbeißen mit mehr als 5 % verletzten Tieren. Das Friedrich-Loeffler-Institut erklärte als Projektkoordinator in seinem Abschlussbericht, dass die Fortschritte über alle Versuchsstationen betrachtet nicht ausreichten, um in den KomfortPlus-Buchten verfahrenssicher un-kupierte Schweine halten zu können.
Ungeachtet des ernüchternden Ergebnisses macht der Bundeslandwirtschaftsminister den Kupierverzicht zum Maß aller Dinge, den er mit dem Referentenentwurf durchsetzen will. Verlierer sind dabei die Schweine, die schmerzhafte Bissverletzungen an den Langschwänzen erleiden.
Verlierer sind auch die Schweinehalter, denen niemand sagen kann, wie die Haltungsbedingungen aussehen müssen, damit die Schweine den Stall mit unversehrtem Ringelschwanz verlassen. Mit diesem „Feldversuch“ provoziert Cem Özdemir viel Tierleid und ein Scheitern mit Ansage.
Lesen Sie mehr: