Acht Jahre hat der Jungsauen-Nachschub aus dem eigenen Stall bestens funktioniert. Bis Katrin Bergmann letztes Jahr auffiel, dass die Sauenherde überalterte. Was war passiert?
Ein Jahr Vorlauf
Mehrere Kleinigkeiten führten in Summe zum Ungleichgewicht, so die Herdenmanagerin eines Sauenbetriebs am Niederrhein:
- Die Zuchttiere hatten kleinere Würfe. Zudem dominierten im vergangenen Jahr die männlichen Ferkel.
- Einzelne Ausfälle – seien es Verluste oder Umrauscher – wirkten sich in der kleinen Gruppe besonders stark aus.
- Vollends ins Minus geriet die Eigenremontierung durch Ferkel mit Anomalien. Das ist auch für die übrigen Ferkel des Wurfs ein K.-o.-Kriterium bei der Selektion.
„Der lange Zeithorizont ist ein Haken bei der Eigenremontierung“, erklärt Beraterin Claudia Achten, die den Betrieb betreut. Die Geschäftsführerin des Rheinischen Erzeugerrings für Qualitätsferkel (FER) betont: „Erst zwölf Monate nach dem Belegen der Zuchttiere stehen Jungsauen für die Remontierung zur Verfügung. Ebenso lange dauert es, bis die Altersstruktur wieder ins Lot kommt.“
Zeit und Geld
Aktuell konnte Bergmann die Remontierungsquote auf 40,2 % erhöhen. Ihr Ziel sind 42 bis 43 %. Höher hinaus will sie nicht, da die Eigenremontierung zeitaufwendig ist. Zudem kostenintensiv durch die energiereduzierte Fütterung der Jungsauen, die erforderlichen Stallplätze sowie die schlechteren Erlöse der Zucht-Nebenprodukte.
Seitdem belegt die Sauenexpertin alle vier Wochen fünf anstelle von vier Zuchttieren. Ziel sind 280 belegungsfähige Jungsauen pro Jahr. Dazu wählt sie aus der Belegungsgruppe von rund 60 Sauen die besten aus. Dabei nimmt sie sich bewusst Zeit: „Mit meiner Wahl lege ich das Fundament für die künftige Herdenleistung.“ An erster Stelle steht für Katrin Bergmann deshalb die Ferkelzahl – sowohl lebend geboren als auch abgesetzt.
14 Zitzen, große Würfe
Direkt danach kommen hohe Geburtsgewichte. Jeder Wurf wird bei der Erstbehandlung gewogen. Wichtig sind gute Fundamente und sieben funktionsfähige Zitzen auf jeder Gesäugeleiste. Weiteres Kriterium ist gute Mütterlichkeit, aggressive Sauen scheiden aus. Eine hohe Zahl totgeborener Ferkel senkt die Selektionschancen der Sau, ebenso wie Umrauschen.
Sauen zum zweiten Wurf bleiben meistens außen vor, da die Daten des ersten Wurfs zur Beurteilung nicht ausreichen. Ebenso Sauen nach dem fünften Wurf. „Aber im Augenblick muss ich Kompromisse eingehen, um die Gruppe voll zu bekommen“, räumt die Landwirtin mit einem Lächeln ein.
Aufpassen beim Eber
Genauso wichtig ist die Eberauswahl. Da die Zuchteber oft nur Eigenleistungs-, aber keine Nachkommendaten haben, lässt Bergmann sich von der Besamungsgenossenschaft GFS beraten. Sie belegt die Zuchtsauen dänischer Genetik in Wechselkreuzung mit Landrasse- und Yorkshire Ebern. Für jede Rasse wählt sie einen Wunscheber plus drei Alternativen, da die Bestellung nicht immer zum Sprungplan der Station passt.
Die Wechselkreuzung erfordert einen exakt geführten Sauenplaner. „Ich schau beim Besamen dreimal hin, ob Sau und Eberrasse zueinander passen“, betont Bergmann. Die Zuchtläufer bekommen farbige Ohrmarken mit ihrer Herdennummer – gelb für Yorkshire-, grün bei Landrasse-Vätern. So lassen sie sich auf den ersten Blick zuordnen. Die Gegenplatte mit der VVVO-Nummer des Betriebs ist rot. Erst wenn die Ohrmarken eingezogen sind, gleicht Katrin Bergmann die Würfe aus, damit die Zuordnung zu den Elterntieren eindeutig ist.
Die Vermehrungsbörge erhalten zusätzlich eine orange Ohrmarke. Zusammen mit den ausselektierten Schwestern werden sie mit Abschlag an feste Mäster verkauft.
Selektion in drei Stufen
- Mit der Erstbehandlung der Ferkel beginnt die Selektion. Weibliche Ferkel mit weniger als 14 funktionsfähigen Zitzen fallen durchs Raster. Bei den übrigen klebt Katrin Bergmann die Zitzenleiste mit Heftpflaster ab. Das schützt die empfindliche Haut beim Kampf um den besten Platz am Gesäuge.
- Beim Absetzen zählt die Sauenhalterin die Zitzen erneut. Bei weniger als 14 Zitzen endet die Zuchtkarriere. Bleiben Ferkel in der Entwicklung zurück, entfernt sie die grüne bzw. gelbe Ohrmarke und zieht stattdessen zwei rote ein.
- Die Zuchtläufer wechseln als Gruppe ins Flatdeck. Ein Teil des Bodens ist mit Betonspalten ausgelegt. Das sorgt für genügend Klauenabrieb. Mit 28 kg folgt die dritte Selektionsstufe. „Das ist die letzte Möglichkeit, untaugliche Zuchtläufer an den Mäster loszuwerden“, schärft die Betriebsleiterin ihren Blick. Sauen, die hier „durchschlüpfen“, müssten später einzeln als Schlachtschwein verkauft werden – ein Verlustgeschäft.
Jedes Ferkel im Blick
Katrin Bergmann kontrolliert jedes einzelne Ferkel genauestens. Sie fahndet nach Nabelbrüchen, beurteilt akribisch die Zitzen. Bei schlechter Gesamtentwicklung senkt sie den Daumen, auch wenn der Rest passt. Die Fundamente lassen sich in dieser Altersstufe nicht eindeutig beurteilen.
Danach kommen die „Prinzessinnen“ in einen separaten Aufzuchtstall. Hier werden sie entwurmt und geimpft. Ein gerstenbetontes, rohfaserreiches Futter drosselt die Zunahmen auf rund 700 g.
Nächste Stufe ist der Quarantänestall, in den je zwei Jungsauengruppen mit 120 bzw. 150 Lebenstagen wechseln. Selektiert wird nur noch im Ausnahmefall. Während des siebenwöchigen Aufenthalts werden die Impfungen abgeschlossen. Um die Tiere mit dem Keimspektrum der Sauenherde vertraut zu machen, quartiert Katrin Bergmann ein bis zwei Schlachtsauen im Quarantänestall ein. Zudem verbringen die Jungsauen einen Tag im Wartestall, der zusätzlich mit Kot aus dem Abferkelstall präpariert wird.
Mit dieser Methode läuft es schon seit längerer Zeit ruhig im Deckzentrum, nachdem früher öfter Jungsauen erkrankten und die übrigen Sauen ansteckten. Rauschende Jungsauen werden farbig markiert. Ziel sind zwei Rauschen. Danach werden die Tiere mit Regumate in den Belegungsrhythmus der Herde eingetaktet.
Tiergesundheit top
„Betriebe mit zugekauften Jungsauen erzielen im Schnitt des Arbeitskreises rund 0,8 Ferkel mehr pro Wurf als Eigenremontierer“, hat Beraterin Achten ausgewertet. „Da haben die Unternehmen züchterisch die Nase vorn.“
Auch Katrin Bergmann ist mit der Leistung von 17,2 lebend geborenen Ferkeln pro Wurf nicht ganz zufrieden. In der Hoffnung auf einen Leistungsschub startete sie vor drei Jahren einen Testlauf mit einer Zukaufgruppe von 100 Jungsauen. Doch lagen auch diese bei den lebend geborenen Ferkel an der „unteren Kante“, sodass sie bei der Eigenremontierung blieb.
Die Tiergesundheit des Bestands hat sich nach Einschätzung der Betriebsleiterin verbessert. Doch schlägt sich das nicht in geringeren Tiergesundheitskosten nieder. „Diese resultieren hauptsächlich aus Impfungen“, erklärt Katrin Bergmann. „Antibiotika verwenden wir kaum.“ Für sie ein wichtiger Grund, trotz des erheblichen Aufwands bei der Eigenremontierung zu bleiben.
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