Pressespiegel: Argumentiert und diskutiert

Windkraft voller Widersprüche

Sollen Windräder in 1000 m Mindestabstand zu Wohnsiedlungen errichtet werden? Dieser Plan des Wirtschaftsministers Peter Altmaier sorgt für Debatten.

Viele Beobachter erwarten das Aus der Windkraft, wenn Windkraftanlagen nur noch mindestens 1000 m von Wohnsiedlungen entfernt errichtet werden dürfen. Die „Sächsische Zeitung“ aus Dresden meint zu dem Plan des Wirtschaftsministers: „Diese Idee klingt gut, wird sich aber nicht umsetzen lassen. Ein Kilometer – das ist eine schöne runde Zahl, aber kein physikalisch begründbares Maß für Zufriedenheit und Ablehnung. Wer östlich einer Windkraftanlage wohnt, wünscht sich bei Westwind vermutlich mehr Abstand von der Anlage als ein Nachbar im Westen, der weniger Geräusch abbekommt. Ist er finanziell an der Windmühle beteiligt, klingt das Geräusch gleich besser.“

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hingegen stellt nüchtern fest: „Die 1000 m scheinen willkürlich gewählt. Ein Braunkohlekraftwerk darf bis auf 700 m an eine Siedlung heranrücken. Eine Mülldeponie muss sogar nur 500 m Abstand halten. Sicher, man kann einem Windrad vieles vorwerfen: Ästhetiker fürchten eine Verschandelung der Landschaft, Leichtschläfer das Brummen der Rotoren und wieder andere den Schattenwurf. Doch im Vergleich mit Mülldeponie und Kohlekraftwerk hat das Windrad entscheidende Vorteile: Es verschmutzt die Luft nicht und kann vollständig zurückgebaut werden.“

Wer redet von den Jobs?

Die „Mainzer Allgemeine Zeitung“ weist darauf hin, dass in der Windindustrie mehr zukunftsträchtige Jobs auf dem Spiel stehen, als bei der Braunkohle überhaupt noch vorhanden sind. Und weiter:„Ein bisschen Energiewende geht nicht. Entweder Ökostrom ohne Wenn und Aber, oder man muss es machen wie Frankreich, wenn die elektrische Zukunft technisch darstellbar und gleichzeitig bezahlbar sein soll: Man muss neue Atommeiler bauen. Bei uns wäre es acht Jahre nach Fukushima der teuerste und ökologisch irrsinnigste Treppenwitz aller Zeiten. Zukunft geht anders.“

Kein Windrad anstelle AKW

Auf einen besonderen Widerspruch weist die „Augsburger Allgemeine“ hin: 2021 wird das bayerische Atomkraftwerk Gundremmingen an der Donau stillgelegt. An seinem Standort dürfte nach Altmaiers Abstandsregel kein Windrad gebaut werden – „der Abstand zu den nächsten Wohnhäusern wäre zu klein“, wie das Blatt ausgerechnet hat. In seinem Kommentar heißt es: „Windräder haben ein Akzeptanzproblem.

Das Tragische ist, dass es Konzerne und Regierung versäumt haben, Licht ins Dunkel zu bringen. Das Wissen um die Risiken ist gering. Sind Menschen in Windkraft-Gemeinden zum Beispiel kränker als an anderen Stellen? Die Datenlage erscheint dünn, Studien widersprechen sich. Dabei zeigen Gemeinden wie die Energiewende gelingen kann. Die Akzeptanz steigt, wo Bürger Miteigentümer eines Windrades werden. Es reicht nicht, sich ambitionierte Klimaziele zu geben. Deutschland muss sich stärker mit ihrer Umsetzung befassen. Das ist der härtere, aber wichtigere Weg.“

Wind ist gratis, Strom teuer

Der Norddeutsche Rundfunk fragt: „Warum ist der Strom in Deutschland so teuer wie nirgendwo in Europa, obwohl er doch mit kostenlosem Wind gemacht wird? Und wieso wurde wieder eine ganze Industrie mit Subventionen hochgerüstet, ohne Konzept für die Zeit danach? Es sind diese Fragen, die das Vertrauen in die Windenergie erschütterten. Fragen, die ­eine zu kurz gedachte und hand­werklich schlechte Energiepolitik aufgeworfen haben. Wenn Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) nun versucht, möglichen Bürgerprotest gegen die Windkraft mit willkürlichen Abstandsregeln abzuwürgen, schafft er nur neue Probleme.“

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