Wochenblatt: Hitze und Trockenheit hinterlassen in diesem Jahr nicht nur in der Landwirtschaft ihre Spuren, auch in den Gewässern ist der ökologische Schaden groß. Bekanntestes Beispiel ist der Aasee in Münster, der vor wenigen Tagen „umkippte“. Daraufhin wurden rund 20 t Fischkadaver geborgen. Was waren die Hauptursachen für das Debakel?
Seume: Der Auslöser für das Massensterben der Fische war der Sauerstoffmangel im Wasser, der durch eine Algenblüte sowie absterbende Algen hervorgerufen wurde. Bedingt durch die geringe Wassertiefe erlangte der Aasee zudem eine sehr hohe Wassertemperatur. Die Fische konnten sich nicht in tiefere, kühlere Bereich des Wasserkörpers zurückziehen. Heimische Fischarten sind durchaus in der Lage, einige Zeit bei Wassertemperaturen von 25 °C zu überdauern, aber nicht über mehrere Wochen oder gar Monate.
Begünstigt wurde das hohe Vorkommen an Algen im See durch Nährstoffeinträge aus der Aa, durch Schlammablagerungen am Seegrund sowie durch einen geringen Wasseraustausch. Mittels Photosynthese produzieren Algen tagsüber große Mengen an Sauerstoff, nachts wird dieser allerdings wieder verbraucht. Hinzu kommt, dass der organische Abbau abgestorbener Algen ebenfalls Sauerstoff zehrt. Im Fall des Aasees hat sich dieses Gleichgewicht zwischen Sauerstoffproduktion und -verbrauch dann nicht mehr gehalten und ist in der Nacht zum 9. August „gekippt“.
Wochenblatt: Gibt es andere, ähnlich betroffene Gewässer in NRW?
Seume: Landesweit sind viele Gewässer von ähnlichen Problemen betroffen, insbesondere kleine Teiche, Tümpel und Auengewässer. Hinzu kommen streckenweise gänzlich trockengefallene Bäche und kleine Flüsse, zum Beispiel die Quabbe in Lippborg im Kreis Soest oder der Goorbach bei Gronau im Kreis Borken.
Wochenblatt: Welche Fischarten haben in der Hitzeperiode besonders gelitten?
Seume: In den Fließgewässern haben besonders kälteliebende Fischarten wie die Bachforelle, die Mühlkoppe und die in ihrem Bestand bedrohte Äsche gelitten. In den Stillgewässern sind Hechte, Flussbarsche und Zander die Fischarten, die am empfindlichsten auf überdurchschnittlich hohe Wassertemperaturen und geringe Sauerstoffkonzentrationen reagieren.
Wochenblatt: Die Trockenperiode hält vielerorts an. Was können Teichwirte bzw. Angler tun, um den Fischen in den Gewässern zu helfen?
Seume: In den Fischzuchtbetrieben von NRW wird das Wasser derzeit mithilfe von Wasserbelüftern und Sauerstoffeintragungsgeräten mit Sauerstoff angereichert. In vielen Betrieben muss aufgrund der Wasserknappheit sogar Ablaufwasser der Teiche wiederverwendet, also zurück in die oberen Teiche gepumpt werden, um eine ausreichende Wasserzirkulation in den Teichen aufrechtzuerhalten.
Teichbesitzer können ähnlich reagieren. Mithilfe von Pumpen und Springbrunnen können sie das Teichwasser verregnen lassen, um es so mit atmosphärischem Sauerstoff anzureichern. Die Angler unserer Mitgliedsvereine können sich bei uns einen eigens für Notfälle ausgestatteten Anhänger kostenfrei ausleihen. Dieser ist mit Wasserbelüftern und Notstromaggregaten ausgerüstet. Ein Belüfter kann ca. 3 m3 Wasser/Minute umwälzen. Allerdings ist der Anhänger seit vier Wochen bereits im Dauereinsatz.
Wochenblatt: Eine natürliche Wiederbesiedlung der Gewässer ist oft nur eingeschränkt möglich. Was ist bei dem Neubesatz zu beachten?
Seume: Da viele Gewässer durch Stauwehre, Wasserkraftanlagen und weitere Wanderhindernisse für Fische undurchgängig sind, ist eine natürliche Zuwanderung der Fische oftmals nicht möglich.
Fischbesatz sollte in der Regel erst zum Herbst bei deutlich kühleren Wassertemperaturen durchgeführt werden. Zu beachten ist auch, dass jeder Besatzfisch – unabhängig von seiner Art und Besatzgröße – passende Nahrung findet. In der Praxis bedeutet das, dass zunächst ein Friedfischbestand aufgebaut werden muss, bevor mit einem Raubfischbestand fortgefahren wird. Weiterhin passen sich junge Besatzfische besser an ihren neuen Lebensraum an als ältere Tiere.
Um sicherzugehen, dass sich eine Fischart etabliert, sollte der Besatz immer über einen Zeitraum von drei Jahren in Folge durchgeführt werden. Die Gefahr, dass negative Umwelteinflüsse oder eine schlechte Qualität der Besatzfische den Aufbau eines Bestands gefährden, lässt sich so minimieren.
Wochenblatt: In der Landwirtschaft werden Strategien diskutiert, um zukünftig für solche Hitzeperioden besser gewappnet zu sein. Wie könnten bei den Gewässern mögliche Strategien aussehen?
Seume: Im Falle des Aasees wäre eine Dauer-Messeinrichtung sicherlich denkbar. Kritische Sauerstoffwerte ließen sich dadurch früh erkennen, sodass eine Wasserbelüftung rechtzeitig starten könnte.
Allgemein, über alle Gewässer betrachtet, wäre eine Ursachenbekämpfung jedoch der bessere Ansatz. Um das Wasser nicht mit Nährstoffen zu überfrachten, muss ein Eintrag organischer Stoffe, beispielsweise die von Düngemitteln landwirtschaftlicher Flächen, dringend vermieden werden.
Hilfreich ist oftmals auch die Reduzierung der Schlammschichten in den Gewässern. Diese sammeln sich im Laufe der Jahre an und verbrauchen bei natürlichen Zersetzungsprozessen große Mengen an Sauerstoff. Leider sieht es in der Praxis oft so aus, dass das „Entlanden“ von Gewässern nur unter strengen behördlichen Auflagen möglich ist. Hier gilt es umzudenken.
Wochenblatt: Wie die Tageszeitung „Westfälische Nachrichten“ meldete, sind auch rund 60 Wasservögel am Aasee verendet. Was kann hierfür der Grund gewesen sein?
Seume: Möglicher Grund könnte eine Vergiftung der Wasservögel gewesen sein. Denn derzeit schwimmen einige Blaualgen auf dem See. Blaualgen sind Cyanobakterien, die bei der Aufnahme im Körper toxisch wirken können. Die Stadt Münster hat aus diesem Grund bereits davor gewarnt, im Aasee schwimmen zu gehen oder dort Hunde baden zu lassen.
Ein weiterer Grund für den Tod der Vögel kann die Aufnahme von hochgiftigen Botulismus-Bakterien sein. Diese bilden sich unter Luftabschluss im Schlamm und werden beim Gründeln der Enten am Seegrund aufgenommen.
Wochenblatt: Weniger Fische bedeuten auch weniger Nahrung für Fisch fressende Vögel. Wie schätzen Sie diesbezüglich die Situation ein?
Sicherlich werden in diesem Sommer vom Fischsterben betroffene Gewässer nicht so häufig von Kormoranen frequentiert wie sonst. Es wird also eine Verlagerung der Vögel zu intakten Fischbeständen geben. Dort können die Fisch fressenden Vögel dann mit weniger Energieaufwand leichter Beute machen. An alle Jäger hier noch mal der Hinweis, dass es in NRW wieder eine Kormoranverordnung gibt, die die Bejagung dieser Vogelart regelt.