Die heimischen Landwirte suchen händeringend nach Lösungsansätzen, die Wertschätzung für ihre Arbeit und die Wertschöpfung für ihre Produkte zu verbessern. Leicht wird das jedoch nicht. Das wurde bei der Fachtagung des Bundesverbandes Rind und Schwein (BRS) am Montag dieser Woche deutlich. Rund 250 Tierhalter und Fachleute aus Zucht, Beratung und Vermarktung waren in Neumünster zusammengekommen, um mit dem BRS-Vorsitzenden Georg Geuecke und Moderator Sönke Hauschild vom Bauernverband Schleswig-Holstein über Wege aus dem aktuellen Dilemma zu diskutieren.
Borchert-Plan als Lösung?
Viele Bauernfamilien fragen sich nämlich, wie es mit ihren Betrieben weiter gehen soll, wenn die Anforderungen an die Tierhaltung immer größer werden und diese die Kosten in die Höhe treiben, während die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher nicht mitwächst. Diese Diskrepanz war einer der Gründe zur Einrichtung der sogenannten Borchert-Kommission, die im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine Nutztierstrategie mit Zukunftsperspektiven für die heimischen Betriebe entwickeln sollte. Im Kern geht es um einen tierwohlorientierten Um- oder Neubau der Ställe in den nächsten 20 Jahren, bei welchem die Landwirte durch öffentliche Fördergelder maßgeblich unterstützt werden, um die fehlende Zahlungsbereitschaft der Verbraucher auszugleichen. Letztlich brauche die Branche Rahmenbedingungen, die eine Weiterentwicklung auf wirtschaftlich sicheren Beinen ermögliche, so Jochen Borchert.
Für diesen Ansatz gab es in den vergangenen Monaten großen politischen Zuspruch. Die konkrete Umsetzung lässt aber mit Blick auf die Bundestagswahl im September auf sich warten. Auch ist weiterhin unklar, auf welche Weise die Umbaupläne finanziert werden sollen.
Darüber hinaus gibt es ungelöste Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Umweltschutz. Diese sorgen beispielsweise dafür, dass bauwillige Landwirte, die ihren Schweinen Außenklima oder Auslauf anbieten wollen, regelmäßig vor hohen Genehmigungshürden stehen.
Außerdem habe das Konzept einige entscheidende Schwachpunkte erklärte der Gießener Agrarökonom Prof. Dr. Dr. Michael Schmitz: Neben der Finanzierung seien auch die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen auf WTO-, EU- und nationaler Ebene bislang nicht geklärt. Außerdem bezweifelt der Wissenschaftler, dass Tierschutz-, Umwelt- und Klimaaktivisten die Anstrengungen der Landwirte anerkennen und danach „Ruhe geben“.
Den Zeitgeist hinterfragen
Er plädierte deshalb dafür, nicht weiter unkritisch dem Zeitgeist nachzulaufen. Ein deutscher Alleingang beim Umbau der Nutztierhaltung gefährde die Wettbewerbsfähigkeit. Vielmehr sollten die Landwirte die Vorteile der aktuellen, effizienten Tierhaltung nach vorn stellen und diese aktiv kommunizieren.
Apropos kommunizieren: Ein Grundproblem der heimischen Landwirte ist es nach Ansicht von Unternehmensberater Dr. Michael Lendle, dass sie ihre berechtigten Anliegen zu selten laut und gemeinsam an den entscheidenden Stellen vortragen. Er wünscht sich hier mehr Professionalität und (finanzielle) Schlagkraft. Die Landwirte müssten raus aus der Opferrolle. Die allermeisten von ihnen lieferten hervorragende Arbeit ab, auch wenn das in der Öffentlichkeit anders dargestellt werde.
Was muss jetzt passieren, um den Landwirten wieder eine Zukunftsperspektive zu verschaffen? Das hat der Tagungsmoderator Sönke Hauschild vom Bauernverband Schleswig-Holstein die Referenten der BRS-Tagung gefragt.
Tierwohl-Umbau bietet Chancen
Dass sich die Landwirte dem Wandel keineswegs verschließen, zeigte die beiden Referate aus der Praxis: Jörg Struve und Michael Petersen haben in ihren Betrieben in den vergangenen Jahren jeweils große Schritte im Sinne des Tierwohls unternommen: Struve hat kürzlich einen seiner Schweinemastställe als Großgruppen-System mit Sortierschleuse gestaltet. Das ermöglicht eine vielseitige Buchtenstruktur mit Auslaufmöglichkeit, automatischem Häckselstrohabwurf in den Liegekesseln, Schweineduschen, Tränkewannen und Beschäftigungsraufutter auf dem Boden.
Der Mehraufwand ist nicht zu verachten. Er wird aber von der Edeka per Vermarktungsvertrag mit einem Preisaufschlag von 40 € je Schwein vergütet (inklusive Zuschlag für GVO-freie Fütterung sowie Mindest- und Höchstpreisklausel). Der Schweinehalter sieht den Umbau zu Tierwohlställen deshalb als Chance zur Betriebsentwicklung, auch wenn er einräumt, dass sich nicht alle seiner Ställe dafür eignen.
Milchviehhalter Petersen hat einen neuen Wohlfühlstall für seine 150 einfarbig roten Anglerkühe gebaut. Dabei hat er vom Agrarinvestitionsförderungsprogramm für besonders tiergerechte Ställe profitiert. Im Gegenzug waren zahlreiche Bedingungen zu erfüllen – beispielsweise die Einrichtung besonders breiter Laufgänge, ein Tier-Liegeboxenverhältnis von 1 : 1,1 sowie mindestens sechs Stunden Weidegang an 120 Tagen im Jahr. Die Kühe fühlen sich sichtlich wohl im Neubau mit zwei Melkrobotern (AMS) und Familie Petersen möchte diesen ebenfalls nicht mehr missen.
Vom Markt honoriert wird das Tierwohlengagement indessen bislang nicht. Der Milchpreis ist nicht höher. „Da müssen wir Landwirte den Verbrauchern noch viel besser erklären, was wir leisten“, so Petersen. Auch deshalb führt er regelmäßig Schulklassen oder Erwachsenengruppen durch seinen Betrieb: Wenn die Verbraucher die heimische Landwirtschaft wieder mehr unterstützen sollen, müssen sie erst einmal wieder einen engeren Bezug dazu bekommen.