Eine konsequente Milchkuhhaltung unter Tierwohlbedingungen verursacht je nach Erzeugungsregion in Deutschland Mehrkosten zwischen 10 und 16 Cent/kg Milch. Das erklärte Dr. Karin Jürgens anlässlich der Milchtagung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Katholischen Landvolkshochschule Hardehausen bei Warburg.
Sie hat die Zahlen im Auftrag des MEG Milch Boards errechnet, um die Gespräche zwischen Landwirten, Molkereien und Handel auf eine belastbare Datenbasis zu stellen. Außerdem sollen die Berechnungen Verbrauchern und Politik verdeutlichen, wie viel Zeit und Geld die Landwirte ins Tierwohl investieren.
Platz, Komfort und Weide
Mehr Tierwohl bedeutete in der Kalkulation unter anderem 4,5 bis 4,9 m2 Lauffläche je Kuh, eingestreute Tiefboxen sowie ein Tier-Liegeplatz- und Fressplatz-Verhältnis von jeweils höchstens 1 : 1,1. Hinzu kommen ein ganzjährig zugänglicher Laufhof sowie Weidegang mit mindestens 1000 m2/Kuh.
Wird das alles umgesetzt, verteuert sich die Produktion in einem Standardbetrieb in Norddeutschland (112 Kühe) um 12 Cent/kg Milch und in Süddeutschland (42 Kühe) um 16 Cent/kg. Im 320-Kuh-Betrieb in Ostdeutschland wird die Milch um gut 10 Cent/kg teurer, wobei jeweils 10 % weniger Milch durch Weidegang einkalkuliert sind.
Artikel 148 als Druckmittel
Die spannende Frage bei der von Biobauer Josef Jacobi moderierten Tagung lautete nun, wie sich die höheren Kosten der Tierwohl-Milch ausgleichen lassen. Denn die Landwirte können die gesellschaftlichen Wünsche nach mehr Tierwohl nur erfüllen, wenn der zusätzliche Aufwand fair bezahlt wird.
Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, setzt in diesem Zusammenhang auf den kürzlich veröffentlichten 4-Punkte-Plan ihres Hauses. Unter anderem der Artikel 148 soll die Position der deutschen Landwirte am Milchmarkt stärken. Das sieht auch Milchbauer und European-Milk-Board-Vorstandsmitglied Elmar Hannen so. Es werde dringend Zeit, dass Molkerei und Landwirt sich vor der Lieferung auf Mengen und Preise einigten. Diese Verträge sollen mehr Verbindlichkeit in die Lieferbeziehung bringen.
Aus Sicht von Antonius Tillmann wird die Anwendung des Artikels 148 hingegen nicht viel bringen. Vielmehr brauche es eine „Allianz vom Produzenten bis zum Konsumenten“, erklärte der Biomilcherzeuger und WLV-Bezirksverbandsvorsitzende von Ostwestfalen-Lippe. Molkereien und Lebensmittelhandel (LEH) müssten in der Allianz ebenfalls Verantwortung übernehmen und könnten ähnlich eingebunden werden wie Schlachtereien und LEH bei der Initiative Tierwohl (ITW). Ohne Absicherung könnten die Milchviehbetriebe jedenfalls nicht in mehr Tierwohl investieren, so Tillmann.
Fehlende Grünlandförderung
Hinzu kommt noch, dass Grünlandbetriebe mit Milchkühen bei der 2023er-Umstellung des Agrarprämiensystems stark benachteiligt wurden. Wie AbL-Agrarpolitikreferent Phillip Brändle erklärte, haben diese Betriebe im Mittel 30 % an Prämien verloren. Die Lücke könnte durch eine gezielte Grünland- bzw. Weidemilchförderung geschlossen werden.
Eine solche Prämie scheitert aber bislang an diversen politischen Machtspielchen und kann wegen der langen Vorlaufzeiten im Verfahren auch frühestens 2026 realisiert werden, so Brändle.
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