Getreide und Gras werden seit Jahrtausenden mit der Sichel, dem Messer oder der Sense geschnitten. Diese Arbeit strengt an und raubt viel Zeit.
Die Sicheln und Sensen wurden zwar in vielfacher Hinsicht perfektioniert. Doch erst im 19. Jahrhundert gelang es, den komplexen Vorgang des Mähens zu mechanisieren.
Wunsch und Wunderwerk
In der heute so simpel erscheinenden Mähmaschine steckt eine erstaunliche Leistung an Erfindungsgeist, technischem Know-how und Kreativität. Schließlich sollte die Maschine mehrere Dinge gleichzeitig erledigen:
„Man verlangt von ihr guten und scharfen Schnitt, welchem weder ein Halm noch der etwaige Unterwuchs entgehen darf. Sie soll keine Körner ausschlagen und möglichst auch die ausfallenden auffangen, so dass sie nicht verloren gehen.“
Diese Sätze schrieb vor gut 170 Jahren der Landtechnikexperte und Agrarjournalist Wilhelm Hamm. Die allseits erwünschte Mähmaschine, so Hamm weiter, dürfe im laufenden Betrieb nicht verstopfen, sie müsse Bodenunebenheiten ausgleichen und leichtgängig sein, um die Pferde nicht zu ermüden. Sie solle verlässlich sein und solide konstruiert, dürfe aber nur wenig kosten. Vor allem aber: „Sie muss vom Platz weg gleich schneiden, so dass es nicht nötig ist, den Schneideapparat erst eine Zeitlang in Gang zu bringen, ehe er tätig wird.“
Wenn überhaupt, dann schienen seinerzeit nur britische Ingenieure und Schmiede in der Lage zu sein, diese Wunsch- und Wundermaschine zu konstruieren. Denn Großbritannien war damals das Pionierland der Landtechnik schlechthin. Was sich dort tat, hat Wilhelm Hamm in seinem Buch beschrieben, das den Titel trägt: „Die landwirthschaftlichen Geräthe und Maschinen Englands“.
Mähen mit einer Scheibe?
Darin stellt er einen heute längst vergessenen Pionier des mechanischen Mähens vor: James Smith aus Perthshire in Schottland. Bereits um 1800 hatte Smith ein Gerät mit rotierender Metallscheibe konstruiert. Er hatte sie vor ein Fahrgestell montiert, das von Pferden durchs Feld geschoben werden sollte. Die Fahrbewegung der Räder sollte über ein Getriebe die Scheibe in schnelle Drehung versetzen.
Beim Ablegen des Erntegutes gab es aber häufig Probleme. Außerdem drehte sich die Messerscheibe nicht schnell genug. So geriet die „Smith’sche Mähmaschine“ ins Abseits. Wilhelm Hamm urteilte weitblickend: „Eine Nachahmung der Sense mittels rotierender horizontaler Klingen wird so lange keine befriedigende Resultate für eine Mähmaschine liefern, als es nicht zugleich gelingt, ihrer Rotation den Schwung zu verleihen, welchen der Arm des Menschen der Sense gibt.“
Der zweite Versuch
Ebenfalls aus Schottland stammte der zweite Versuch: Ein Pfarrer namens Patrick Bell entwickelte um 1820 die Idee des Mähbalkens, auf dem sich Klingen schnell hin- und herbewegen. Auch Bells Fahrgestell wurde von Pferden geschoben. Ein Exzenterantrieb wandelte die Fahrbewegung in das horizontale Hin und Her des Mähbalkens. Eine weitere Idee des Pfarrers war die Haspel über dem Messerbalken, die das Getreide niederdrückte und für einen guten Schnitt sorgte.
Als Nachteil erwies sich vor allem die Anspannung der Zugtiere hinter der Maschine. Ihre Bewegung erhalte dadurch „etwas überaus Schwerfälliges“ und werde „unsicher und schwankend“, urteilte Hamm. Kleinste Bodenhindernisse könnten nur mit Mühe überwunden werden. Auch der Ablegeapparat sei mangelhaft, und: „Über den Schneideapparat sind die Ansichten noch geteilt.“
1851 fand in London die Weltausstellung statt. Es war vor allem eine Bühne britischer Landtechnik. Doch beim Mähen schnitt keine Erfindung aus Großbritannien, sondern aus Virginia in den USA am besten ab. Konstrukteur war ein Farmer namens Cyrus Hall McCormick, ein Nachfahre schottisch-irischer Einwanderer. Schon sein Vater Robert McCormick hatte auf seiner Farm in Virginia an der Idee einer pferdegezogenen Mähmaschine gewerkelt. Der Sohn hatte das Gerät in den 1830er-Jahren weiterentwickelt. Seine mechanische Lösung des Schnittvorgangs erwies sich als bahnbrechend neu. Der Landtechnikexperte Wilhelm Hamm hat sie so beschrieben:
„Der Schneideapparat bestand in einer hin- und herlaufenden geraden Säge, deren feine Zähne jedoch gegenständig waren, das heißt: abteilungsweise gegenüberstanden. Das Getreide ward durch eine Flügelwelle dagegen gedrängt und fiel abgeschnitten auf eine gerade Plattform, von welcher ein Arbeiter es abzuraffen hatte.“
Cyrus McCormicks Erfolg ohne Beispiel
Auf der Weltausstellung wurde der „Virginia Reaper“, die Mähmaschine McCormicks, mit dem Großen Goldenen Preis ausgezeichnet. Es war der Startschuss für einen beispiellosen Erfolg. Bis 1884 hatte McCormick 500 000 Exemplare des „Virginia Reaper“ gefertigt und ausgeliefert. Solche exorbitanten Produktionszahlen für ein einzelnes Landtechnikunternehmen hatte es vorher noch nicht gegeben.
Radikal neu waren auch die Absatzwege. Denn zum ersten Mal wurde eine Landtechnikmaschine nicht nur regional oder auf nationaler Ebene verkauft, sondern global – vor allem in Nord- und Südamerika und Europa. Mit dem Verkaufserfolg expandierte das Landtechnikunternehmen McCormick, das später Teil des Konzerns „International Harvester Company“ (IHC) wurde.
„Keiner fand sie praktisch“
In Westfalen setzte sich die pferdegezogene Mähmaschine erst mit einer Verzögerung um 1880/1900 durch. Eine Ursache scheint darin zu liegen, dass die hiesigen Landwirte mit dem „Virginia Reaper“ zumindest anfangs keine guten Erfahrungen gesammelt hatten. 1865 hatte der Landwirtschaftliche Verein des Kreises Hamm die erste McCormick-Mähmaschine, von vier Pferden gezogen, für 800 Taler probeweise angeschafft.
In einer Beschreibung heißt es: „Die Mähmaschine zirkulierte unter den größeren Landwirten des Kreises Hamm, die darüber berichten sollten. Keiner fand sie praktisch, und der Verein war in großer Verlegenheit, was damit anfangen. Es wurde vorgeschlagen, sie in die Verlosung zu geben. Schließlich wurde sie in einer Scheune deponiert, wo ein Brand sie nebst der Scheune zerstörte. Der Vorstand fühlte sich erleichtert.“
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