Weg vom Vollspaltenboden, hin zu festen Flächen im Stall. Mit dieser einfachen Formel möchten Teile von Politik und Gesellschaft den Tier- und Umweltschutz in der Schweinehaltung gleichzeitig verbessern.
Also wurden nicht nur das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und der Entwurf des Bundesprogramms zum Umbau der Tierhaltung, sondern auch die TA Luft mit Haltungsvorgaben in dieser Richtung gestaltet. Problematisch daran ist nur, dass eine intensive Schweinehaltung in der bislang praktizierten Größenordnung vom heutigen Stand der Technik aus gesehen ohne eben diese Spaltenböden nicht durchgängig funktioniert.
Nicht ohne Grund wurden in den 1990er-Jahren die damals noch häufig anzutreffenden Teilspaltenställe umgebaut: Zu oft gehörte das Abkratzen der Festflächen zum Arbeitsalltag ihrer Besitzer. Das ist weder im Sinne des Tier-, noch des Umweltschutzes, auch wenn eine Strukturierung der Bucht in Funktionsbereiche (Liegen, Fressen, Bewegung, Koten) und eine Verkleinerung der emittierenden Oberflächen theoretisch beide Aspekte fördert.
Damit die bekannten Probleme von gestern nicht auch die von morgen werden, muss bei der Ausgestaltung der künftigen Schweineställe viel genauer auf das Tierverhalten geachtet werden – und das nicht aus einem ideologischen Blickwinkel heraus. Es gilt alle Faktoren, die das hochvariable Tierverhalten beeinflussen, viel stärker zu berücksichtigen als früher.
Worauf es hierbei ankommt, zeigt eine Auswertung umfangreicher (Versuchs-)Daten aus dem Lehr- und Versuchsgut Köllitsch und Praxisbetrieben in Sachsen. Dabei wurden mehr als 2700 Buchtenbonituren aus drei Generationen von Stallanlagen unter Berücksichtigung aller verfügbarer Haltungsdaten verrechnet (umgebaute DDR-Altanlagen, neu gebaute Ställe mit sogenannten Komfortliegeflächen und neue Tierwohlställe). In der kombinierten Auswertung liefern die Beobachtungen wichtige Ansatzpunkte, damit die Liegeflächen nicht zu Schmutzecken werden.
Herausforderung Tierverhalten
Auch wenn das hochvariable Tierverhalten die Herausarbeitung von belastbaren Erkenntnissen mühsam macht, ergibt sich doch ein roter Faden: Alle im Folgenden genannten Faktoren sind aufgrund des umfangreichen Datenmaterials hochsignifikant, auch wenn die Bedeutung des Einzelfaktors zum Beispiel gemessen an den errechneten Korrelationen (r2) eher gering ist. Das beweist zunächst nur, wie variabel Tierverhalten ist. Es ist eben weit weniger als 100 % reproduzierbar.
Außerdem berücksichtigen Schweine bei der Auswahl ihrer Liege- und Kotbereiche offenbar nicht nur einen, sondern mehrere Umweltfaktoren. Diese wirken teilweise zusammen, sind den Tieren aber unterschiedlich wichtig. Man muss viel mehr von einer „Reaktionskaskade“ ausgehen. Diese ist in Übersicht 1 abgebildet und folgendermaßen zu lesen: Erst wenn der Faktor der unteren Stufe erfüllt ist, kommt der nächste überhaupt zum Tragen. Zunächst muss also beispielsweise eine Komforttemperatur auf der Fläche herrschen, bevor sich die Tiere am Temperaturgefälle orientieren. Ist beides erfüllt, entscheiden die Schweine nach Buchtenstruktur usw.
Temperaturkomfort und -gefälle haben erste Priorität
Die wichtigste Erkenntnis ist: Schweinen ist der (Fußboden-)Temperaturkomfort viel wichtiger als der Liegekomfort. Deshalb können Liegeflächen noch so attraktiv gestaltet werden. Ohne die passenden Fußbodentemperaturen ist das den Tieren gleichgültig.
Das bedeutet für junge Schweine eher warme Fußböden und für die großen Tiere eher kühle. Als optimale Bodentemperatur wurden in den untersuchten Ställen 18,8 °C gefunden. Ab 23 °C wechseln die Tiere obligatorisch zwischen Liege- und Kotfläche und schaffen sich damit den Temperaturkomfort, den sie suchen.
Das kann je nach Baukörper und Genetik in der absoluten Höhe etwas anders sein. Entscheidend ist aber, dass 5 °C Temperaturdifferenz erforderlich sind, damit Liege- und Kotbereich dauerhaft als solche genutzt werden. Weil dieses Temperaturgefälle in konventionellen Warmställen in der Regel nicht gegeben ist, hat die Haltung der Schweine auf Teilspalten nie wirklich funktioniert.
In Außenklimaställen gelingt es dagegen leichter, das Temperaturgefälle einzustellen. In gut eingerichteten Kaltställen wird der Kot in etwa 75 % der Jahresstunden am kältesten Punkt, also im Auslauf oder an der Grenze nach draußen abgesetzt. Die Liegekisten oder -betten werden erst dann verkotet, wenn sie im Sommer zu warm werden. Insofern bleibt das Außenklima auch im Kaltstall eine Herausforderung.
Nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel Platz
Die für Schweine erforderliche Liegefläche wird in den gesetzlichen Vorgaben durchweg nach den Formeln für das Liegen in Seitenlage abgeleitet. Diese Formeln sind wissenschaftlich anerkannt, kommen nach unseren Erkenntnissen aber vor allem bei Jungtieren an Grenzen: Die Tiere liegen im Schnitt dichter beieinander als die Formel das vorsieht und der Platzanspruch wird auf die Größe der Schweine am Ende der jeweiligen Haltungsperiode bezogen. Im Ergebnis werden die Festflächen im Mittel deutlich zu groß.
Damit Liegebereiche gerade in „umhausten“ Kojen oder Kisten nicht zu Toiletten umgewandelt werden, müssen diese eher knapp sein. Von daher sind die vom Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in Stufe 4 vorgesehenen planbefestigen Flächen von über 50 % in der Bucht ein Problem. Nach unseren Erfahrungen sind unter Warmstallbedingungen etwa 35 % „echte Festflächen“ bezogen auf die Nettobuchtenfläche beherrschbar.
Was darüber hinaus geht, wird auch bei gleichzeitigem Außenklimareiz schnell zur Belastung. Nicht von ungefähr arbeiten selbst alternative Stallsysteme zum Teil mit verstellbaren Rückwänden in Liegekisten, um den verfügbaren Raum begrenzen zu können.
Struktur hilft erst dann, wenn der Temperaturkomfort stimmt
Damit die Funktionsbereiche in der Bucht wie gewünscht angelegt werden und aufrechterhalten bleiben, braucht es dazwischen Verkehrswege. Diese sollten mindestens 5 m lang sein. Dieser Platz fehlt in den Kleingruppen (<12 Tiere). Deshalb gelingt die Strukturierung dort nicht.
Es gibt aber auch Grenzen, was Laufwege und Gruppengröße angeht. Bei mehr als 15 m Buchtentiefe werden die Wege den Tieren zu lang und gleichzeitig die absolute Breite der Bucht zu groß, sodass sie dazu neigen, sich auf der kurzen Seite der Bucht einzurichten. Eine optimale Geometrie der Bucht ist eine weitere wichtige Voraussetzung. Funktionierende Buchten sind mindestens doppelt, besser drei- oder viermal so lang wie sie breit sind.
Dadurch werden die Schweine gezwungen, sich bei der Anlage von Kot- und Liegefläche jeweils für eine (kurze) Seite der Bucht zu entscheiden. Wenn die Kotfläche der kälteste und zugigste Punkt ist, befindet sich die Liegefläche am weitesten davon entfernt. Die Regel gilt aber nur in den genannten Obergrenzen.
Die Liegefläche selbst wird besser angenommen, wenn sie den jüngeren Schweinen Schutz und Rückzugsmöglichkeit bietet. Abdeckungen sind hier hilfreich. Die älteren Tiere suchen eher einen guten Blick in die Bucht und akzeptieren deshalb auch hochgelegte Liegebereiche.
Struktur bedeutet für die Tiere tatsächlich eine Aufwertung der Haltungsumwelt, deshalb werden in den Auswertungen der Buchten mit Liegekojen mehr aktive Schweine beobachtet. Aktivität kann für potenzielle Opfertiere im Hinblick auf die Haltung unkupierter Schweine für die Zukunft Vorteile haben. Hyperaktivität ist allerdings negativ.
Ein höherer Anteil aktiver Schweine tritt außerdem mehr Kot durch die Spalten. Das führte in den Untersuchungen zu saubereren Buchten, während die Buchten bei einem größeren Platzangebot (1,25 statt 0,86 m² je Tier) schneller verdreckten.
Luft und Licht rangieren weiter hinten
Wie Übersicht 1 zeigt, rangieren die beiden Faktoren Licht und Luft relativ weit hinten. Die Korrelationen zum Liegeverhalten sind nicht besonders groß, aber hochsignifikant. Schweine halten im Hinblick auf das Stallklima viel aus, reagieren aber empfindlich auf Zugluft.
Auch der Blick in ganz normale Mastabteile zeigt, dass die Tiere eher in den schlecht belüfteten „Miefecken“ ruhen. Dagegen ist etwas Luftbewegung für die gerichtete oder gewünschte Anlage von Kotstellen absolut positiv zu sehen. Von ihren wilden Vorfahren haben moderne Hausschweine offensichtlich ein Bedürfnis nach Schutz und Deckung übrig behalten. Das hat im Einzelfall sogar die oben gemachten Aussagen zur Temperatur relativiert.
Zum Liegen ziehen sich die Tiere eher in die dunkleren Buchtenbereiche zurück. Schweine haben einen ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus. Mit Dauerlicht kann man diesen so durcheinanderbringen, dass sogar Verhaltensstörungen ausgelöst werden. Dunkelstallhaltung ist berechtigterweise verboten. Überbelichtete Ställe sind aber genauso tierschutzrelevant wie zu dunkle. Das hat der Gesetzgeber auch in der zuletzt geänderten Tierschutznutztier-Haltungsverordnung berücksichtigt.
Wie wichtig ist der Liegekomfort?
Wie die Kaskade zeigt, rangiert der vom Gesetzgeber hoch bewertete Liegekomfort relativ weit hinten und setzt Temperaturkomfort voraus. Allgemein werden Weichheit und Verformbarkeit der Oberfläche als das Kriterium für den Liegekomfort gesehen.
Das ist der eigentliche Grund, warum Stroh vor allem von Verbrauchern so hoch bewertet wird. Die Schweine lieben das Stroh zur Beschäftigung, aber sie brauchen es nicht unbedingt zum Liegen, weil Weichheit und Verformbarkeit für sie nicht so wichtig sind und häufig genug mit den viel höher bewertem Temperaturkomfort konkurrieren (Übersicht 2).
Aufgeheizte Mistmatratzen sind für Schweine im Sommer eher die Hölle und extrem belastend. Deshalb weichen die Schweine dann auf die Spaltenböden aus, weil dort die Luft aus tiefen Güllekellern kühlt. So wird der Spaltenboden der Festfläche vorgezogen.
Dagegen wählten die Schweine in einem stark klimatisierten Abteil mit konstant 18 bis 19 °C Fußbodentemperatur zum Liegen die Fußbodenelemente vor allem nach dem Anteil und der Verteilung der Schlitze aus.
Haben die Schweine die Wahl zwischen einer harten Festfläche ganz ohne Schlitze und einer weicheren geschlitzten Kunststofffläche, dann liegen sie häufiger auf dem Betonboden. Haben sie die Wahl zwischen zwei Elementen mit der aus Schweinesicht gleichen „Schlitzqualität“, wählen sie den Boden mit der weicheren Oberfläche.
Deshalb werden Betonelemente mit wenigen, längeren Schlitzen und relativ viel „Festfläche“ dazwischen besser akzeptiert, als Elemente mit vielen kurzen, auf die Fläche verteilten Schlitzen. Das nachträgliche Verschließen einzelner Schlitze führte zu einer etwas besseren Akzeptanz, reduzierte aber auch gleichzeitig den Kot-/Urinabfluss. Überhaupt haben alle Betonspaltenböden für eine optimale Drainierfähigkeit eher zu wenig Schlitze.
Gruppenhierarchie und Gesundheit
Als letzte Kaskadenstufe im Liegeverhalten spielen die Rangordnungsverhältnisse eine Rolle – zumindest in Tiergruppen mit bis zu etwa 20 Schweinen. Dieser Effekt ist aber vergleichsweise schwer zu beeinflussen.
Trennen die dominanten Tiere zwischen Kot- und Liegebereich, dann ahmen die anderen Schweine das Verhalten nach. Die Buchten sind sauber. Tun sie es nicht, gibt es erhebliche Probleme mit der Sauberkeit. Deshalb ist es gerade direkt nach dem Einstallen so wichtig aufzupassen, an welchen Stellen Kotecken entstehen.
Je länger sie angelegt sind, desto schwerer ist es, sie wieder aufzulösen. Letztendlich bedingen sich Gesundheit und Sauberkeit auch gegenseitig, denn der Spaltenboden trennt die Schweine von ihren extrem verkeimten Exkrementen (109 bis 1012 Gesamtkeime/g Kot). Insbesondere auf Festflächen müssen Schweine gesund sein. So machen beispielsweise durchfallkranke Tiere keine Wege und koten da, wo sie gerade stehen.
Und auch mit zunehmender Leistung und altersabhängig sehr hohem Futterdurchsatz scheint zumindest bei einzelnen Herkünften die Fähigkeit verloren zu gehen, zwischen Kot- und Liegebereich zu trennen. Aufgrund der bei der Verdauung anfallenden Wärme ist den Tieren meistens zu warm und/oder der Druck zum Abkoten entsteht schon beim Fressen.
Vollgemistete Festflächen haben mit Tierschutz wenig zu tun, werden die Schweine dadurch zur Emissionsoberfläche, entsteht nicht mehr, sondern viel weniger Umweltschutz.
Das Problem der festen Flächen
Wer von Zukunftsställen spricht, meint damit in der Regel Haltungsverfahren ohne Vollspaltenböden. Um Tier- und Umweltschutz zu vereinen, sollen großzügige statische Liegebereiche mit gering oder gar nicht perforiertem Fußboden eingerichtet werden. Das funktioniert aber nicht per Gesetz oder Verordnung. Die Schweine müssen schon „mitspielen“.
Dafür müssen die das Tierverhalten beeinflussenden Faktoren viel stärker und ideologiefrei berücksichtigt werden. Köllitscher Auswertungen zeigen, dass es über- und untergeordnete Faktoren gibt, die sich gegenseitig beeinflussen. Untergeordnete Faktoren kommen nur zum Tragen, wenn die übergeordneten erfüllt sind.
Das Fundament für jedes funktionierende Konzept stellt hierbei der Temperaturkomfort dar. Er wird von den Tieren viel höher bewertet als der Liegekomfort. Eine optimale Fußbodentemperatur für Mastschweine liegt je nach Raumtemperatur etwas unter 19 °C. Ab 23 °C erfolgt ein obligatorischer Wechsel zwischen Festflächen (Liegebereich) und Spaltenboden (Kotbereich). Damit die Liege- und Kotbereiche dauerhaft getrennt bleiben, ist zudem ein Temperaturgefälle von mindestens 5 °C erforderlich.
Größe und Geometrie der Bucht unterstützen oder ermöglichen überhaupt erst die Anlage von Verkehrswegen zwischen den Funktionsbereichen. Einen darauf aufbauenden Faktor stellt die Buchtenstruktur dar. Struktur bedeutet Abschirmung, zusätzliche Randbereiche (Liegebänder, Liegekojen in optimaler Größe) oder auch höher und tiefer gelegte Bereiche in der Bucht. Erst relativ weit zum Schluss kommen Ansprüche an den Liegekomfort (wenige oder optimal verteilte Schlitze, dann erst die – von Laien so hoch gehandelte – Weichheit der Oberfläche).
Noch nachrangiger aber auch signifikant in ihrem Einfluss sind Licht (möglichst dunkel) und Luft (keine Zugluft) sowie die Dominanzverhältnisse in der Gruppe. Das alles in ein funktionierendes Stallkonzept umzusetzen, gelingt im Neubau leichter als im Altbau ohne Außenklimareiz. Ohne Not sollten aber nicht mehr Festflächen eingebaut werden als unbedingt notwendig, denn sie bringen in der Summe mehr Nachteile als Vorteile. Dabei muss deutlich gesagt werden, dass mit wenigen Ausnahmen (unter anderem Haltungsstufe 4 Tierhaltungskennzeichnungsgesetz) nicht die Gesetze, sondern erst die Ausführungsbestimmungen (beispielsweise zur TA Luft) die gering perforierten Liegeflächen festschreiben. Das ist besonders fatal, weil diese theoretisch von den Formeln für das Liegen in Halbseitenlage zum Ende der jeweiligen Haltungsperiode abgeleitet und damit durchschnittlich zu groß sind.
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