Hohe Leistungen und viel Tierwohl sind kein Widerspruch, sondern eine logische Ergänzung. Das zeigt Familie Bürger-Grebe aus Korbach-Helmscheid im Waldecker Bergland tagtäglich mit ihrer Arbeit. Der erweiterte Familienbetrieb (insgesamt gut 6 AK) wurde jetzt mit dem „Kallspreis 2022“ der Landesvereinigung für Milch und Milcherzeugnisse Hessen (LV Milch) ausgezeichnet.
Und als hätte es noch eines Nachweises für den Zusammenhang von Tierwohl, Tierbetreuung, Management und Leistung bedurft, konnte an diesem Tag auch noch eine Kuh des passionierten Zuchtbetriebes für mehr als 100.000 kg Lebensleistung geehrt werden. „Sissi“ reiht sich mit durchschnittlich fast 14.000 kg Jahresmenge erfolgreich in die lange Reihe von mittlerweile 21 Kühen aus dem Stall Bürger-Grebe ein, die diese Marke in den vergangenen Jahren überschritten haben.
Weil sich die „Kaiserin“ auch nach der achten Kalbung bei der Ehrung sehr frisch präsentierte, hofft Reinhard Bürger-Grebe mit Ehefrau Christine sowie Tochter Christina bei guter Gesundheit auf eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte und einige weitere Kälber der fleißigen Milchkuh.
Viel Luft, Platz und Komfort
Sissis Fitness kommt indessen nicht von ungefähr. Wie Familie Bürger-Grebe anlässlich der Preisverleihung und Hofbesichtigung verdeutlichte, profitieren Mensch und Tier von der vorbildlichen Haltungsumwelt und dem durchdachten Herdenmanagement.
Der Betrieb hält rund 400 Milchkühe und 380 Jungtiere. Die laktierenden Tiere befinden sich in einem sechsreihigen Boxenlaufstall mit eingestreuten Tiefboxen und Schieberentmistung sowie zwei Strohbereichen für die Tiere kurz vor und nach dem Kalben.
Gebaut wurde der Stall 2006 zunächst für 190 Kühe. 2017 wurde das Gebäude dann auf etwa die doppelte Größe verlängert. Um den Tierkomfort in den Liegeboxen zu erhöhen, haben Bürger-Grebes einen Teil der ursprünglichen starren Boxenbügel mittlerweile gegen flexible Abtrennungen ersetzt. „Eine gute Maßnahme“, erklärt der Betriebsleiter: „Denn die Liegezeiten in diesen Boxen sind eindeutig länger.“
Außerdem wurden an der Decke des Außenklimastalles nachträglich mehrere Großraumventilatoren installiert, die bei Temperaturen oberhalb von etwa 15 ° C einsetzen und im Sommer für sanft kühlende Luftbewegung sorgen. Gut angenommen werden zudem die elektrischen Scheuerbürsten zur Fellpflege.
Stress vermeiden
Das gentechnikfreie Futter aus eigenem Anbau (110 ha Grünland und 150 ha Acker) wird an zwei außenliegenden Futtertischen einmal am Tag als Voll-TMR vorgelegt und regelmäßig von einem „Futterbutler“ angeschoben.
Ziel sind hohe Leistungen in einer möglichst stressarmen Umgebung. Die frischmelkende Kühe beispielsweise werden in der Regel bis zum 110. Laktationstag dreimal täglich gemolken. Erst danach wird auf zweimaliges Melken umgestellt. Das sorgt für kurze Abstände zwischen den Melkungen und beugt etwaigem Milchdruck im Euter vor. „Die Tiere haben daher keinen Zeitstress, auch wenn sie erst am Ende der Gruppe das Melkkarussell betreten“, erklärte der Landwirt.
In diesem Stallbereich hat außerdem jede Kuh einen Fressplatz (im Rest des Stalles gibt es ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1,2 : 1). Auch das bedeutet Komfort und wenig Stress am Futtertisch. Die Ergebnisse können sich auf jeden Fall sehen lassen: Im vergangenen Jahr betrug die durchschnittliche Milchleistung 11.250 kg je Kuh. Die Zwischenkalbezeit beträgt 387 Tage und das Erstkalbealter 25 Monate. Die Zellzahlen liegen langjährig zwischen 150.000 und 215.000/ml Milch. Ein Beleg für die erfolgreiche Zucht auf Langlebigkeit und Tiergesundheit ist zudem die Lebenstagsleistung von aktuell 18,5 kg Milch je Kuh und Lebenstag.
Preise müssen passen
Gute Leistungen im Stall reichen allein jedoch nicht aus, um die Betriebe erfolgreich in die Zukunft zu führen. Die heimischen Milcherzeuger benötigen auch wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch passende Rahmenbedingungen, gab Bürger-Grebe zu bedenken. Die Milchbauern bräuchten deshalb dringend eine längere Phase mit stabilen Preisen auf kostendeckendem Niveau. Nur wenn auf den Höfen nachhaltig Geld verdient werde, könnten die Betriebe bestehen und über weitere Verbesserungen bei Tierwohl und Haltungskomfort nachdenken. Das ist wichtig, damit es auch künftig Tieren, Landwirten und Verbrauchern gut geht.
Drei ausgezeichnete Betriebe
Alle zwei Jahre zeichnet das Innovationsteam der Landesvereinigung Milch (LV Milch) drei hessische Betriebe aus, die in den Bereichen Tierwohl, Ökonomie, Ökologie und Soziales eine besondere Vorreiterfunktion übernehmen. Der Kallspreis würdigt das herausragende Engagement der modernen Milchviehhalter.
- In diesem Jahr geht der erste Preis wie oben beschrieben an Familie Bürger-Grebe aus Korbach-Helmscheid.
- Den zweiten Platz erreicht Familie Althoff aus Fritzlar-Züschen im Schwalm-Eder-Kreis. Hier kümmern sich Thorsten und Silke Althoff samt Altenteilern und den beiden Söhnen erfolgreich um 140 Kühe plus Nachzucht. Besonderer Wert wird auf die saubere Futtergewinnung und -lagerung sowie die ausgewogene Rationsgestaltung und die Haltung aller Tiere im Betrieb gelegt. Der moderne Kuhstall mit automatischem Melksystem und die durchdachte Gebäudeanordnung schaffen die Grundlage für eine hohe Arbeitseffizienz.
- Der dritte Platz wurde an Familie Möcklinghoff aus Hofgeismar im Landkreis Kassel verliehen. Die 130 Kühe von Elmar und Verena Möcklinghoff werden automatisch gemolken und gefüttert. Der Betrieb mit mehreren Standbeinen (unter anderem Energieerzeugung mit Wärmekonzept) vermarktet pasteurisierte Milch über Milchautomaten und bietet bereits seit langen Jahren „Ferien auf dem Bauernhof“ an.
Alle Siegerbetriebe sind Partner der Hessischen Milch- und Käsestraße, denn sie wollen den Verbrauchern die moderne Milcherzeugung näher bringen, bei der das Wohl der Tiere an erster Stelle steht. „Heute kommt es darauf an, die gelebte Nachhaltigkeit in den Betrieben an die Öffentlichkeit zu bringen und zu erläutern, dass Tierwohl selbstverständlich ist, aber die großen Anstrengungen der Landwirte auch angemessen entlohnt werden müssen. Wir brauchen eine wirtschaftliche Produktion, von der die Familien leben können“, erklärte der hessische Bauernpräsident und LV-Milch-Vorsitzende, Karsten Schmal bei der Prämierung der drei ausgezeichneten Betriebe.
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