In der EU-Öko-Verordnung wurde erstmals die Aufzucht von Junghennen geregelt. Verpflichtend ist jetzt ein Grünauslauf von 1 m2/Tier – im Sommer wie im Winter und vom frühestmöglichen Alter an. Die für Bestandsbetriebe eingeräumte Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2028 gilt zudem nur, wenn bereits jetzt die notwendige Fläche um die Ställe herum vorhanden ist.
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1m2 Grünauslauf für jede Junghenne
„Das ist fast unmöglich“, skizzierte Babette Sauerland, die in der Betriebsleitung auf dem Hof Südbrock tätig ist und dort die Demeter-Geflügeltagung ausrichtete. Schon jetzt haben die Junghennen auf dem Hof Zugang zu einem Auslauf. „Dieser ist hygienisch einwandfrei auf Betonboden eingerichtet und kann gereinigt und desinfiziert werden“, erläuterte Sauerland. Auf dem Hof Südbrock sind 40 000 ufzuchtplätze vorhanden. Der Betrieb ist nach Bioland- und Demeter-Richtlinien zertifiziert. Von Verbandsseite sei eine Überdachung der Ausläufe verlangt worden, diese Investition habe Südbrock eine halbe Million Euro gekostet. „Jetzt wird aber Grün und freier Himmel gefordert“, empörte sich Sauerland über die Kehrtwende. Aufgrund der engen baulichen Anordnung auf dem Hof – viele Gebäude sind Altgebäude – könne aktuell nicht einmal für 10 % der Tiere ein Grünauslauf ermöglicht werden. Die einzige Möglichkeit für Südbrock ist ein Neubau mit erneuten Kosten in Millionenhöhe. Dies gelte jedoch nicht für diesen Betrieb alleine: „Kaum ein Aufzuchtbetrieb hat ausreichend Grün an den Stallungen oder die Gelegenheit, dort Land zuzupachten“, machte Sauerland deutlich.
Neben dem finanziellen Schaden für den Betrieb sieht Sauerland aber vor allem die Gesundheit der Tiere in Gefahr. Zum einen rechnet sie mit einer zunehmenden Zahl toter Tiere durch Beutegreifer und auch durch Fluchttod. „Sobald nur eine Taube über dem Auslauf fliegt, drücken sich die Tiere fluchtartig in eine Ecke zusammen“, erläuterte Sauerland.
Gesundheit der Tiere leidet
Weiterhin geht sie davon aus, dass künftig keine uniformen Herden mehr ausgeliefert werden können. Zwangsläufig komme es bei den Junghennen zu einer Verwurmung, wenn sie Zugang zu einem Grünauslauf hätten. Bislang würden auf dem Hof Südbrock lediglich in Ausnahmefällen Medikamente verabreicht. Eine Verwurmung müsse aber behandelt werden, so Sauerland.
Zudem drohen weitere gesundheitliche Probleme, worüber Jutta van der Linde von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen aufklärte. Junghennen werden in der Aufzucht mehrfach gegen Salmonellen geimpft. Bislang bescheinigt der Aufzüchter dem Ablegebetrieb eine Salmonellen-freie Junghennenherde bei der Ablieferung. Im Auslauf komme das Junggeflügel aber mit Krankheitserregern in Kontakt. Weil es selbst geimpft ist, müsse es gar nicht erkranken, jedoch könne es die Salmonellen, die beispielsweise durch Wildvogelkot in den Auslauf gelangen, an den Füßen in die Stallungen eintragen. Dies ist insofern ein Problem, weil für jeden Tierhalter mit mehr als 350 Legehennenplätzen die Geflügel-Salmonellen-Verordnung gilt. Dies bedeutet, dass entweder ein spezifisches Hygienekonzept durchgeführt werden muss oder regelmäßige Proben. Ab 1000 Tieren sind Proben verpflichtend.
Beginnend mit der 24. bis 26. Lebenswoche wird mit der sogenannten Sockenprobe die Lebensumwelt der Tiere auf Salmonellen beprobt. Werden Salmonellen der Art enteritidis oder typhimurium nachgewiesen, erfolgt die Sperre der Eiervermarktung. „Wer trägt den Schaden?“, fragt sich van der Linde.
Ein weiteres Problem kann die Schwarzkopferkrankung werden. Der Erreger der Krankheit hält sich über den Zwischenwirt Regenwurm über sieben bis acht Jahre in der Auslauffläche. Eine augenscheinlich gesunde Junghennenherde könne den Erreger in verschiedene Betriebe eintragen, wo er sich dann über Jahre manifestiert. Auch hier stelle sich die Frage, wer für den Schaden aufkommt.
Engpass bei Junghennen droht
Die Pflicht zum Grünauslauf führe zu mehr Medikamenteneinsatz, warnte Sauerland. Weitere Folgen seien höhere Kosten und eine schlechtere Uniformität. Eine Langzeitstudie aus Mecklenburg-Vorpommern habe zudem eine geringere Legeleistung nachgewiesen, wenn die Tiere bereits als Junghennen ins Grüne dürfen. Einige Betriebe hätten angesichts dieser Herausforderungen bereits angekündigt, die Bio-Aufzucht einzustellen, berichtete Sauerland. Bio-Junghennen seien aber schon jetzt knapp. Sauerlands Fazit: „Diese Verordnung ist existenzgefährdend und hat mit dem Bio-Gedanken nichts mehr zu tun.“