Herbizid oder Hacke? Ökolandbau oder konventionelle Landwirtschaft? Für Timo Küntzle führt Schwarz-Weiß-Denken nicht weiter, wenn es um die Ernährungssicherung geht. Der Diplom-Agraringenieur und Journalist war kürzlich nach Baunatal gekommen, um mit hessischen Landjugendlichen bei der Landwirtschaftlichen Woche über das Für und Wider von Pflanzenschutzmitteln, Gentechnik und Kunstdünger zu diskutieren.
Weltbevölkerung wächst
Ein zentraler Punkt in den Überlegungen zur Ausrichtung der Landwirtschaft ist für Küntzle die wachsende Weltbevölkerung. Diese hat sich in den vergangenen 100 Jahren von knapp zwei auf aktuell rund 8 Mrd. Menschen vervierfacht. Bis 2050 prognostizieren die Vereinten Nationen (UN) einen Anstieg auf etwa 9,7 Mrd. Erdenbewohner.All diese Menschen benötigen gesunde Lebensmittel, die sie sich auch leisten können, umriss der Agraringenieur das globale Ziel.
Bei der Erzeugung der Nahrungsmittel dürfe dennoch die Umwelt nicht über Gebühr belastet werden und es gelte, die Artenvielfalt und das Wohl der (Nutz-)Tiere im Blick zu behalten. Als zusätzliche Herausforderung komme noch der Klimawandel „on top“: Das macht die Aufgabe nicht leichter und erfordert eine durchdachte Nutzung der vorhandenen Ressourcen, so Küntzle.
Schließlich gibt es weltweit gesehen weder Wasser, noch fruchtbaren Boden im Überfluss. Nach Meinung des Bauernsohnes aus Baden-Württemberg muss die vorhandene Ackerfläche deshalb künftig vor allem der Erzeugung von essbaren Früchten wie Getreide, Kartoffeln oder Hülsenfrüchten vorbehalten bleiben. Gleichzeitig sollte der für den Menschen nicht verdauliche Grünlandaufwuchs über die Tierhaltung zu wertvollen Eiweißstoffen veredelt werden. Die Tiere sind zudem als Verwerter der nicht essbaren Biomasse wie Kleie, Treber oder Trester unverzichtbar.
Mit Blick auf die Schlagworte Glyphosat, Gentechnik und Kunstdünger forderte Küntzle mehr Augenmaß und Pragmatismus. Die Frage nach Gift oder Medizin werde über die Dosis entschieden: In Maßen und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse eingesetzt, überwiegen in der Regel die Vorteile, findet er: Man sollte nicht vorschnell den Ast absägen, auf dem man sitzt.
Entwickeln, nicht abwürgen
Ein ideologisch motivierter Verzicht auf Kunst- bzw. Mineraldünger, Pflanzenschutzmittel, Gentechnik oder moderne Tierhaltungsverfahren kann jedenfalls nicht die Lösung sein, erklärte der Autor des Buches „Landverstand“. Die Menschheit brauche eine effiziente, aber stets verantwortungsvolle Landbewirtschaftung mit innovativen Elementen der konventionellen und biologischen Wirtschaftsweise – gewissermaßen das Beste aus beiden Welten. Hier könnten beide Richtungen noch voneinander lernen.
Auf jeden Fall bringe es wenig, wenn am mitteleuropäischen Gunststandort flächendeckend extensiviert wird und stattdessen anderswo auf der Welt wertvolle Regenwälder gerodet werden, um mehr Lebensmittel zu erzeugen, plädierte der Agrarjournalist für eine Stärkung der Inlandserzeugung. Die heimische Landwirtschaft sollte nach wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickelt und verbessert werden, aber nicht abgewürgt. Damit sei niemandem geholfen, schon gar nicht der Umwelt und dem Weltklima.
Lesen Sie mehr: