Exakt 207 Betriebe mit 20.886 Kühen haben im Landkreis Waldeck-Frankenberg im vergangenen Jahr an der Milchleistungsprüfung (MLP) teilgenommen. Im Nachbarkreis Kassel waren es 49 Betriebe mit 4180 Tieren. Mit durchschnittlich 9168 kg Milch je Kuh in Kassel und 10.080 kg in Waldeck-Frankenberg haben die nordhessischen Milcherzeuger erneut sehr gute Leistungen vorzuweisen. In Waldeck-Frankenberg wurde sogar erstmals die Schallmauer von 10.000 kg Milch pro MLP-Kuh durchbrochen.
So richtig freuen konnten sich die Landwirte darüber jedoch nicht, als sie kürzlich in Edertal zur jährlichen Winterversammlung des Hessischen Verbandes für Leistungsprüfung in der Tierzucht (HVL) und der Qnetics GmbH zusammenkamen: Zum einen haben in den vergangenen Jahren immer mehr Berufskollegen die Milcherzeugung aufgegeben (–39 % seit 2013 in Waldeck-Frankenberg und –41 % in Kassel). Und zum anderen sind die Bauern wütend und besorgt über die Rotstiftpläne der Bundesregierung bei Agrardiesel und Kfz-Steuer.
Vermarktung und Besamung
Immer weniger Milchviehbetriebe bedeuten indessen eine Herausforderung für die Zucht- und Besamungsorganisationen. Vor diesem Hintergrund war Qnetics-Geschäftsführer Jens Kirch durchaus etwas stolz auf die Entwicklung der Vermarktungszahlen beim Zuchtvieh. Durch die Umstellung auf eine sogenannte lose Auktion konnten die Auftriebszahlen in Alsfeld in den ersten elf Monaten des Jahres 2023 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt werden (von 813 auf 1474 Tiere).
„Das hat unseren Versteigerungen eindeutig neuen Schwung gegeben“, freute sich auch der Waldecker Qnetics-Bezirksgruppenvorsitzende Bernd Meier. Zusammen mit der Ab-Hof-Vermarktung kommt die Organisation im Jahresverlauf bislang auf 3178 verkaufte Zuchtrinder. Das waren trotz der gegenüber 2022 deutlich schlechteren Milchpreise nur acht Tiere weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum.
Schwierig gestaltet sich der Export von Zuchtvieh. Zwar ist der internationale Bedarf weiter groß, so Kirch. Vor allem bei der Vermittlung deutscher Rindergenetik in Drittländer würden die Zuchtverbände jedoch vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) regelrecht behindert.
So hat das Ministerium die für den Export in viele Käuferländer notwendigen Veterinärbescheinigungen offenbar ohne Absprache mit den Kunden einseitig zurückgezogen. „Die Verstimmung unserer Geschäftspartner können Sie sich vorstellen“, beschrieb der Qnetics-Geschäftsführer die Schwierigkeiten. Jetzt versuche man, die Zuchttiere mit sogenannten Wirtschaftszertifikaten zu exportieren. Das sei rechtlich möglich, aber in der Praxis schwieriger umzusetzen.
Hornloszucht kommt voran
Voran gekommen sind die Rinderzüchter beim Thema Hornlosigkeit. Dieses hat durch die gesetzlich vorgeschriebene längere Verweildauer der Bullenkälber auf den Betrieben noch einmal an Bedeutung gewonnen. Viele Praktiker möchten auf das ungeliebte Enthornen der Kälber verzichten und setzen vermehrt hornlose Vererber ein.
In der Konsequenz finden sich im aktuellen Besamungsbullenkatalog der Qnetics im Schwarzbunt-Bereich mittlerweile 38 % Hornlosbullen („P“ oder „PP“). Bei den rotbunten Holsteinbullen sind es sogar 56 % und beim Fleckvieh 50 %.
Melkroboter im Altgebäude mit Laufhof
Einblicke in die Praxis lieferte der traditionelle Betriebsbesuch am Nachmittag der Winterversammlung. Diesmal ging es nach Edertal-Giflitz auf den Betrieb von Thorsten Hahn. Der Landwirt kümmert sich dort gemeinsam mit seinem Vater Karl-Heinz und Mitarbeiter Matthias Schlächter um 130 ha Acker und Grünland sowie rund 125 Milchkühe mit derzeit 10.150 kg Herdendurchschnitt.
Diese werden seit Ende 2020 automatisch an zwei Robotern gemolken, die der Landwirt platzsparend im Altgebäude unterbracht hat.Von dort aus können die Kühe in einen Laufhof wechseln. Außerdem gibt es rund 15 überdachte Außenklimaboxen im Bereich des ehemaligen Melkstandes und einen Strohstall für Trockensteher und Frischlaktierende. Im Sommer genießen die Kühe zudem Weidegang.
Thorsten Hahn selbst beschreibt seinen Hof als „Milchproduktionsbetrieb“. Die Zucht sei nicht sein Steckenpferd, gibt er zu, eine effiziente Arbeitsorganisation aber schon. So wurde der Betrieb über die Jahre Stück für Stück baulich erweitert und modernisiert. Die jüngste Investition ist ein gebrauchter Selbstfahrmischwagen, mit dem der Landwirt aktuell eine Total-Mischration (TMR) für 30 kg Milch pro Kuh und Tag vorlegt. Darüber hinaus gibt es im Melkroboter Kraftfutter nach individuellem Leistungsstand.
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