Die Bundesregierung möchte den Ausbau der Windenergie in den nächsten Jahren massiv beschleunigen. Die jährlich neu installierte Leistung soll jedes Jahr steigen – von 1,9 GW im Jahr 2021 auf mindestens 10 GW ab 2027. Schon bald könnte das zu einem neuen Run auf potenzielle Standorte führen. Denn mit Windenergie lässt sich Geld verdienen.
Höhe der Pachtzahlungen variiert
„Bei Eigenbetrieb sollte die Verzinsung schon im oberen einstelligen Bereich liegen“, sagte ein Experte im Zuge der Recherche. Und schon ein einziger Anlagenstandort kann den Grundstückseigentümern eine hohe Pacht bescheren. Was hier tatsächlich gezahlt wird, ist öffentlich nicht bekannt. Im Raum stehen bisher pro Standort und Jahr Summen im mittleren bis oberen fünf-, manchmal auch im sechsstelligen Bereich. Aktuell haben sich die Bedingungen für die neue Projekte unter anderem durch steigende Anlagenkosten und Zinsen jedoch stark verändert. Welche Pachtzahlungen zukünftig möglich sind bzw. gezahlt werden, ist deshalb offen.
Ein Gewinner, viele Verlierer
Voraussetzung für hohe Pachtsummen ist nicht nur, dass es sich um einen hervorragenden, gut ausbaubaren Windstandort handelt. Hohe Pachten werden oft von Projektierern gezahlt, die mit dem Bau der Anlagen möglichst schnell viel Profit machen möchten, die Anlage vielleicht bauen, um sie dann für den Betrieb an ortsfremde Firmen oder Investmentfonds weiterzuverkaufen. Der Haken dabei: Wer Glück hat, dass sein Grundstück ausgewählt wurde, verdient. Alle anderen aber, wie Grundstücksnachbarn, die nun keine Anlage mehr bauen können, weil die Anlagen zu dicht aneinanderstehen würden, gehen leer aus. Ein perfekter Boden für Neid, Streitigkeiten und mangelnde Akzeptanz.
Doch es geht auch anders. Es gibt zahlreiche Windparks, bei denen alle Flächeneigentümer und zusätzlich auch noch Anwohner, die Standortgemeinde sowie die örtliche Wirtschaft finanziell von den Windenergieanlagen profitieren können.
Nicht verpachten, selbst bauen
Ein Beispiel für einen örtlichen Bürgerwindpark findet sich in Gescher, Kreis Borken: Zwischen 2019 und 2021 haben hier 40 Grundstückseigentümer sowie direkte Anwohner gemeinsam zehn Windenergieanlagen (WEA) gebaut. Acht davon betreiben sie im Rahmen der Gescher Bürgerwind GmbH & Co. KG selbst. Zwei Anlagen haben sie an die Glockenstadt Energiegenossenschaft verkauft. So konnten sich rund 270 Bürger aus ganz Gescher an den Anlagen beteiligen. Rund 100 Mio. kWh Strom erzeugen alle Anlagen zusammen pro Jahr – genug für Strom für 25 000 Vier-Personen-Haushalte.
„Da wir die Anlagen selbst betreiben, bleibt das Geld in der Region. Die beteiligten Landwirte freuen sich über ein neues Standbein. Und weil sich Grundstückseigentümer und Anwohner beteiligen konnten, haben wir eine hohe Akzeptanz erreicht und hatten gleichzeitig die Möglichkeit, die besten Standorte auszusuchen“, sagt Franz van Üüm. Zusammen mit Matthias Ening ist er einer der beiden Geschäftsführer der Gescher Bürgerwind.
Unterstützung von außen
Doch der Bau von Windenergieanlagen ist nicht einfach. Ganz allein, meint van Üüm, wären Anwohner und Grundstückseigentümer mit Bau und Betrieb der Anlagen vermutlich überfordert gewesen. Das liegt nicht nur am hohen Zeitaufwand für Planung , Genehmigung und Einbeziehen der Bevölkerung (von der ersten Idee bis zur Inbetriebnahme der ersten Anlage sind immerhin acht Jahre vergangen), sondern auch am erforderlichen Fachwissen und den nötigen Kontakten zu Gutachtern, Planungsbehörden und Anlagenherstellern. „Komplett an einen Projektierer wollten wir unsere Standorte aber nicht abgeben“, ergänzt Ening.
Rat und Unterstützung haben sie deshalb bei der BBWind Projektberatungsgesellschaft mbH aus Münster gesucht. Nachdem die Idee zum Bau von WEA im Jahr 2011 im landwirtschaftlichen Ortsverband Gescher geboren war, half diese nicht nur, die Grundstückeigentümer zusammenzubringen und Nachbarn anzusprechen, sondern unterstützte den gesamten Planungs- und Bauprozess bis hin zur Inbetriebnahme. Heute hat die Bürgerwindgesellschaft die technische Betriebsführung an die BBWind vergeben. Die kaufmännische Betriebsführung liegt mit Unterstützung eines Steuerberaters in den Händen der beiden Geschäftsführer Ening und van Üüm. Dabei kommt beiden ihr Fachwissen zugute: Ening ist Betriebswirt, van Üüm arbeitete bevor er in Rente ging als Bankkaufmann.
Hohes Interesse an Beteiligungen
Das Interesse vor Ort, sich an einer Anlage beteiligen zu können, ist in der Regel sehr hoch. „Als wir die beiden Anlagen an die Glockenstadt Energiegenossenschaft weitergeben wollten, hatten wir die Befürchtung, das nötige Geld nicht zusammenzubekommen“, sagt Ening. Doch die Sorge war unbegründet. So waren zum Beispiel die in der ersten Beteiligungsrunde ausgeschriebenen 545 000 € bereits in der ersten Dreiviertelstunde vergeben.
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