Es ist 7 Uhr, noch fast dunkel. Wie jeden Morgen stiefelt Landwirt Jochen Meiercord (Name frei erfunden) quer über den Hof zum Schweinestall. Als er den Schlüssel ins Schloss schiebt und die Klinke hinunterdrücken will, merkt er: Die Tür ist aufgebrochen!
Sofort schießen ihm 1000 Gedanken durch den Kopf: „Wer war das? Ist der Eindringling noch da? Geht es den Tieren gut? Fehlt etwas? Hoffentlich wurden keine Keime eingeschleppt. Was wollte die Person? Warum bei mir? Habe ich mir etwas zuschulden kommen lassen? Mir graut davor, es gleich meiner Frau zu erzählen. Sie wird sich Sorgen machen.“
Starkes Schutzbedürfnis
Angesichts der aktuellen Fälle von Stalleinbrüchen wächst bei vielen Tierhaltern das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz. Dabei geht es einerseits darum, ungebetene Gäste daran zu hindern, in den Stall einzudringen und illegal Fotos und Videos aufzunehmen. Schließlich werden die Bilder in aller Regel in den Medien zu Skandalen verarbeitet – auch dann, wenn die Landwirte nichts zu verbergen
haben und das Veterinäramt einwandfreie Haltungsbedingungen bescheinigt.
Andererseits, und das ist ebenso wichtig, geht es darum, die Sicherheit und Gesundheit der Tiere zu schützen. Die Ferkel, Sauen und Mastschweine werden nicht nur in ihrer Ruhe gestört, sondern es besteht auch die Gefahr, dass durch die unbefugten Besucher Krankheitserreger in den Bestand eingetragen werden. Das gilt vor allem dann, wenn die Aktivisten zuvor in drei anderen Ställen waren.
Gerade in Zeiten der Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest ist hier besondere Vorsicht geboten. Schließlich könnte ein Ausbruch für die gesamte Branche einen Millionenschaden nach sich ziehen. Und meist ist es mit einem „nächtlichen Besuch“ nicht getan: Oft kommen die Leute sechs bis achtmal wieder, so die Erfahrung der ISN – Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands.
Wie lässt sich der Stall nun also schützen? Die erste Stufe ist sicherlich eine gesonderte Einzäunung des Stallgebäudes. Je mehr Hindernisse ein Einbrecher überwinden muss, desto eher wird er von seinem Vorhaben wieder absehen
Besucher im Rampenlicht
Auch ein bellender Hofhund sowie Hofstrahler mit Bewegungsmeldern haben eine abschreckende Wirkung. Denn steht der Eindringling plötzlich im hellen Licht, muss er fürchten, schneller und leichter entdeckt zu werden.
Einige landwirtschaftliche Verbände raten dazu, den Stall möglichst abzuschließen – es sei denn, die Baugenehmigung sieht das nicht vor. Zum Verriegeln der Türen und Fenster gibt es auf der einen Seite mechanische Lösungen. Auf der anderen Seite können auch alternative Schließsysteme sinnvoll sein. Hierzu zählen Lösungen, die nur mittels RFID-Karte, Fingerabdruck, Zahlencode oder Handy Zugang zum Stall gewähren. Dabei ist im Vorfeld zu klären, wie praktikabel das jeweilige Verfahren für den eigenen Betrieb ist. In jedem Fall ist wichtig, dass alle Mitarbeiter und Familienmitglieder, die den Stall verlassen, ihn auch tatsächlich hinter sich abschließen.
Kamera überwacht den Hof
Allerdings können nicht immer alle Gebäude verschlossen werden. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Hof mit Kameras auszustatten. Werden diese sichtbar angebracht, hat auch dies schon einen gewissen Abschreckungseffekt. Zudem bekommt der Landwirt mit, wenn sich fremde Personen auf seinem Hof zu schaffen machen.
Bei vielen Systemen lässt sich ein „Bewegungsalarm“ einrichten. Dann kommt beim Auslösen dieses Alarms sofort eine Nachricht bzw. ein Bild auf das Empfangsgerät (Handy, Tablet, PC).
Moderne Überwachungssysteme ermöglichen es dem Nutzer, jederzeit von unterwegs mit dem Smartphone auf die Kameras zuzugreifen. Einige Systeme zeigen nicht nur das aktuell aufgezeichnete Bild an, sondern können auch die Blickrichtung der Kamera steuern und einen Bildausschnitt nah heranzoomen.
Kamera an? Datenschutz beachten!
Wer zum Schutz vor Einbrechern am oder im Stall Videokameras installieren will, darf das nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen tun. Denn der landwirtschaftliche Betrieb gehört – genauso wie die Wohnung – zum Privatumfeld. Einige Punkte sind dabei jedoch zu beachten:
• Nicht zulässig ist eine Videoüberwachung, wenn sie fremdes Privatumfeld (Nachbarschaft) oder öffentliches Umfeld (Straßen, Plätze, Bürgersteig) mit erfasst.
• Videoaufnahmen im Stall dürfen in der Regel nicht heimlich gemacht werden – auch wenn sie zur Kontrolle der Tiere dienen oder um Produktionsweisen transparent zu machen. Wer Mitarbeiter hat, die bei ihren Arbeiten in den Aufnahmebereich der Kamera eintreten können, muss sie datenschutzkonform darüber aufklären und ihre schriftliche Einwilligung einholen. Eine langfristige und durchgehend videogestützte Beobachtung von Mitarbeitern ist grundsätzlich unzulässig.
• Ton darf überhaupt nicht aufgezeichnet werden. Der Schutz des gesprochenen Wortes ist in § 201 Strafgesetzbuch verankert. Ein Verstoß kann mit einer Freiheits- oder Geldstrafe bestraft werden.
• Empfehlenswert sind intelligente Kamerasysteme, die eine Aufzeichnung oder Übertragung erst dann auslösen, wenn programmierte „verdächtige“ Verhaltensweisen entdeckt werden. Zum Beispiel, sobald ein Sensor zwischen 22 und 6 Uhr im Bereich der Stalltür auf Höhe der Klinke eine Bewegung registriert. Luise Richard
Spezialfirma hilft installieren
Für ungeübte Nutzer ist die Funktionsfülle eine Herausforderung. Eine Spezialfirma hilft, das passende Überwachungssystem für den eigenen Betrieb zu finden. Dazu gehört, die Frage zu klären, ob die Daten per Funk oder über Telefon- oder Netzwerkkabel übertragen werden sollen. Letzteres soll weniger störanfällig sein.
Außerdem weiß der Profi am besten, wo beim Einsatz mehrerer Kameras jede einzelne optimal zu platzieren ist. Mit der Einstellung der Geräte geht es weiter. Um bei einem „Sicherheitsnetzwerk“ mit Sensoren etwa an Türen und Fenstern eine Bewegungserkennung einzurichten, sind Detailkenntnisse erforderlich, um Fehlalarme zu vermeiden. Auch den Schwellenwert für das Mikrofon an der Kamera einzustellen, ist nicht ohne. Schließlich soll nicht jedes Miau einen Alarm auslösen.
Wichtig ist, dass die Kameras für den Außeneinsatz geeignet sind. Das heißt, sie sollten niedrige Temperaturen, Wind und Niederschläge überstehen. Die Schutzklasse sollte IP65 oder IP66 (hält Starkregen aus) sein. Ratsam ist auch, bei Bedarf Scheinwerfer zu installieren, damit die Bilder gut ausgeleuchtet sind.
Die Kosten für ein Überwachungssystem hängen hauptsächlich von der Anzahl der Kameras, der gewünschten Bildqualität und dem Speichermedium bzw. -ort ab. Der Vorteil eines Cloudspeichers: Aufzeichnungen sind auch verfügbar, wenn Einbrecher die Kamera mitnehmen. Für ein modernes, hochwertiges und vom Profi eingerichtetes System sind Kosten zwischen 2000 und 5000 € zu kalkulieren.
Sieben Kameras im Test
Die Stiftung Warentest hat im laufenden Jahr sieben Überwachungskameras für den Außenbereich unter die Lupe genommen:
- Nest Cam Outdoor (ca. 169 €)
- Netatmo Presence (ca. 280 €)
- Netgear Arlo Pro (ca. 315 €)
- D-Link DCS-2330L (ca. 154 €)
- Abus TVII41560 (ca. 141 €)
- Instar IN-5905 HD (ca. 186 €)
- Technaxx TX-67 (ca. 165 €)
Alle sind IP-Kameras, das heißt, sie brauchen eine Internetverbindung. Im Test schnitt am besten die Nest Cam Outdoor ab. Sie ist laut Qualitätsurteil am einfachsten zu handhaben. Die Netatmo Presence liefert noch bessere Bilder und hat einen integrierten LED-Scheinwerfer. Auch die Netgear-Kamera erzielte ein gutes Testergebnis.
Die anderen vier Anbieter schnitten in puncto Datensicherheit schlecht ab. Als sehr kritisch bewertete die Stiftung Warentest zum Beispiel zugehörige Apps, die Zugangsdaten unverschlüsselt übertrugen. Das führte zur Abwertung beim Testergebnis.
Auf Haus Düsse wird seit wenigen Monaten die IP-Kameratechnik „FarmCam“ des schwedischen Herstellers Luda-Farm getestet (wir berichteten in Folge 31/2017). Die Bilder aus dem Stall gehen kabellos an das Smartphone, Tablet oder einen Computer. Der Datenversand erfolgt über einen handelsüblichen WLAN-Router. Mit den Ergebnissen sind die Düsser Mitarbeiter bisher gut zufrieden
Wer die Geschehnisse auf seinem Betriebsgelände filmt, hat zudem einen Zusatznutzen. Der Landwirt kann zum Beispiel nachvollziehen, wie lange Handwerker im Betrieb beschäftigt waren oder wie viele Schlachtschweine tatsächlich über die Verladerampe gelaufen sind.
Größeres Sicherheitsgefühl
Auch Jochen Meiercord und seine Frau haben sich für ein Überwachungssystem mit Kameras entschieden. Die Investition hat sie zwar insgesamt rund 2000 € gekostet. Und sie wissen, dass eine Kamera einen Einbruch nicht verhindern kann. Trotzdem fühlen sie sich heute – drei Monate später – ein Stück sicherer. Bisher sind die Stalleindringlinge nicht zurückgekehrt. Der Mäster und seine Frau können jetzt wieder besser schlafen. Das ist ihnen die Investition allemal wert.
Eindringen in Stall ist kein Einbruch
Zunächst einmal ist wichtig zu wissen: Wenn ein Fremder in einen Stall eindringt, handelt es sich nicht um Einbruch! Denn das deutsche Strafrecht kennt den Tatbestand nur in der Form des Wohnungseinbruchdiebstahls. Das heißt: Nur wenn eine unbefugte Person (zum Zwecke des Diebstahls) in eine Wohnung eindringt, handelt es sich um Einbruch bzw. genauer um Einbruchdiebstahl. Im Zusammenhang mit dem Eindringen in einen Stall gibt es diesen Tatbestand nicht. In der Regel handelt es sich „nur“ um einen Hausfriedensbruch. Der Landwirt kann dann bei der Polizei einen Strafantrag gegen den Täter stellen.
Sollten durch das Eindringen in einen Stall materielle Schäden entstanden sein (z. B. Türschloss, Zaun kaputt), liegt eine strafbare Sachbeschädigung vor. Dieser Tatbestand kann auch erfüllt sein, wenn der Täter nachweislich und vorsätzlich Krankheitserreger in den Bestand eingetragen oder sein Eindringen zum stressbedingten Tod eines Tieres geführt hat. Dann besteht nach dem Zivilrecht ein Schadenersatzanspruch. Damit die Klage jedoch nicht ins Leere läuft, muss die Identität der unbefugten Person bekannt sein.Wenn der Landwirt davon erfährt, dass Aufnahmen aus seinem Stall ohne Genehmigung veröffentlicht werden sollen, kann er Klage mit dem Antrag auf Untersagung der Veröffentlichung einlegen. Mareike Schulte