Einen doppelten Spagat mussten die Landwirte meistern: Traditionell startete in Baunatal die Landwirtschaftliche Woche mit vielen spannenden Vorträgen und Diskussionen über Agrarpolitik, Märkte aber auch Ethik und Eigenverantwortung. Zeitgleich waren die Betriebsleiter und Nachwuchslandwirte aber am Montag auch bei der Großdemo in Berlin gefragt, um ihren Anliegen gegenüber der Bundesregierung Nachdruck zu verleihen.
So war es nicht verwunderlich, dass die Besucherreihen nicht ganz so dicht gefüllt waren wie sonst. „Beides geht halt nicht“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliche Woche und Präsident des Regionalbauernverbandes Kurhessen Norbert Klapp – zumal ja auf den Höfen zumindest die Routinearbeiten weiterlaufen müssen.
Ständige Bevormundung
Der zweite Spagat betrifft das Auseinanderdriften von Leistung und Anerkennung bzw. Wertschätzung. Die Landwirte hätten es satt, dass „grüne Stadtmenschen ohne Nähe zur Natur ihnen seit Jahren ständig vorschreiben, wie sie zu wirtschaften haben“, zitierte Klapp den deutschen Zeitungsverleger Dirk Ippen.
Gleichzeitig sollen die Bauern aber Ackerflächen für Photovoltaikanlagen und Windräder sowie Stromleitungen zur Verfügung stellen und ihre Weidetiere klaglos vom Wolf fressen sowie ihre Felder vom Biber vernässen lassen. „Da stimmt doch die Perspektive nicht mehr“, betonte der Landwirt aus dem Schwalm-Eder-Kreis:
Die Kürzungen beim Agrardiesel hätten das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Die Ursachen für die aktuellen Proteste lägen viel tiefer. Aber das wollten Teile der Politik offenbar nicht verstehen.
An der Seite der Bauern
Im Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium scheint man hingegen verstanden zu haben. Jedenfalls konnte Staatssekretär Dr. Martin Berges Wut und Sorgen der Landwirte gut nachvollziehen. Das abrupte Beenden von Kfz-Steuerbefreiung und Agrardiesel-Rückvergütung, ohne dass die Betriebe das irgendwie ausgleichen können, sei der falsche Weg und ein Ausdruck von Politik an den Betroffenen vorbei.
Die Bundesregierung schaffe es nicht, die Realität auf den Höfen und die gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft zusammenzubringen.
Auch deshalb wolle die NRW-Landesregierung zusammen mit anderen Bundesländern ihre Spielräume in der Agrarpolitik zugunsten der Landwirte nutzen, damit auch morgen noch möglichst viele Lebensmittel aus Deutschland kommen.
Mehr Ehrlichkeit
Zum weiteren Programm der Eröffnung zählte ein Vortrag von Bruder Paulus Terwitte aus dem Münchener Kapuzinerkloster St. Anton. Er ging der Frage nach, was Werte zählen, die nicht zählen und mahnte mehr Ehrlichkeit im wirtschaftlichen Leben an. Die persönliche Entscheidung, seinem guten Gewissen zu folgen, sei eine der wertvollsten Freiheiten des Menschen.
Übrigens: Die Landwirtschaftliche Woche Nordhessen läuft noch bis Donnerstag, 18. Januar. Und die Redebeiträge der Auftaktveranstaltung können auf dem Youtube-Kanal des Landesbetriebes Landwirtschafts Hessen (www.llh.hessen.de) in voller Länge angesehen werden.
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