Wochenblatt: Worum geht es bei der neuen Gewässerschutzkooperation im Mühlenkreis? Wer ist beteiligt?
Daniel Rolfsmeyer: Es gibt in Niedersachsen einen wertvollen Erfahrungsschatz. Dort wird die Gewässerschutzkooperation Dümmer/Obere Hunte/Marler Graben wissenschaftlich durch die zuständigen Landesbehörden begleitet. Geschäftsführend ist die Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, Bezirksstelle Osnabrück, gemeinsam mit dem Gewässerunterhaltungsverband Obere Hunte. In die Kooperation bringen sich neben Vertretern des Kreislandvolkverbandes Altkreis Wittlage zehn Landwirte aktiv ein, um ihre Berufskollegen aus dem Einzugsgebiet zu vertreten. Wir als LWK NRW sind als Gast dabei. Weitere Institutionen wie die jeweiligen Gemeinden und der Landkreis Osnabrück sind ebenfalls eingebunden. Unser Wasser fließt genauso in den Dümmer wie das niedersächsischen Ursprungs. Somit ist es eine gemeinsame Aufgabe, länderübergreifend an hohen Phosphatfrachten der Gewässer zu arbeiten.
Wie stellen Sie fest, wie groß die Probleme mit Phosphat auf westfälischer Seite sind?
Rolfsmeyer: Für die Oberflächengewässer in unserem Einzugsgebiet gibt es nur sehr wenige Messdaten. Diese sind obendrein untereinander schlecht vergleichbar, da nicht in engmaschigen, definierten Zeitabständen – oder wenigstens immer in vergleichbaren Jahreszeiten – gemessen wurde. Damit war klar, dass weitere Messwerte nötig sind. Seit Herbst 2022 beprobt die LWK NRW an 15 Messstellen im vierwöchigen Rhythmus Wasser. Die Proben werden auf Phosphor und Stickstoffgehalte untersucht. Das Aufspüren der Pfade, über die das Phosphat in die Gewässer gelangt, ist schwierig. Aus Untersuchungen weiß man, dass Phosphat über Erosion, Abschwemmung – in Moorgebieten auch aus Drainagen – eingetragen wird. Dabei spielt die Erosion mit Abstand die wichtigste Rolle. Es gibt auch nicht landwirtschaftliche Einträge wie etwa Kleinkläranlagen. Rund 1050 Einwohner im Gebiet leiten über Kleinkläranlagen ein.
Wie können sich Landwirte am Projekt beteiligen?
Rolfsmeyer: Um möglichst viele Interessen zu berücksichtigen, soll eine Kooperation mit ähnlicher Zusammensetzung, wie in Niedersachsen seit Jahren bewährt, aufgebaut werden. Für Landwirte soll es die Möglichkeit geben, an verschiedenen Maßnahmen teilzunehmen, die helfen sollen, die Gewässerqualität zu steigern. Für diese Maßnahmen erhalten die Landwirte eine Förderung, um ihre Kosten für die Naturschutzleistung auszugleichen. Außerdem steht den Landwirten eine kostenfreie Beratung zu relevanten Gewässerschutzthemen zur Verfügung.
Welche Maßnahmen sind das?
Rolfsmeyer: Landwirte können sich dafür entscheiden, an dem Ziel mitzuwirken. Es geht hier um freiwillige, zusätzliche Maßnahmen. Langfristig erfolgreiche Kooperationen kann es nur geben, wenn alle Seiten gut damit leben können. Wenn die Landesregierung NRW zukünftig dem Vorbild Niedersachsens folgen würde, könnte es Förderungen in den Bereichen von Düngungsreduzierung oder zeitliche Verschiebung, Unterfuß-/Injektionsausbringung von Gülle/Gärresten über bestimmte Zwischenfrüchte/Untersaaten, Fahrgassenbegrünung, Gewässerschutzstreifen, reduzierte Bodenbearbeitung bis hin zu Umwandlung von Acker in extensives Grünland/Feldgras geben.
Welche Ziele in Bezug auf Zeit und Wasserqualität haben Sie?
Rolfsmeyer: Bezüglich der Zeit gilt grundsätzlich: Je schneller, desto besser. Das NLWKN als zuständiges Landesamt in Niedersachsen hat das Ziel „maximal 3,8 t P je Jahr am Zulauf des Dümmers“ genannt. Seit 2009 liegt der P-Eintrag im Mittel bei 14 t P je Jahr. Somit müssen Maßnahmen ergriffen werden, die 10 t weniger P in den See tragen.
Geplant ist auch ein Schilfpolder in zwei Ausbaustufen (120 ha/200 ha), um über Sedimentation Phosphat aus dem Wasser zu entnehmen. Wo ist das Problem?
Rolfsmeyer: Dies würde einen Flächenverlust von 200 ha zur Folge haben. Da diese Flächen fast vollständig landwirtschaftlich genutzt werden, droht hier ein unumkehrbarer Wegfall von Produktionsflächen für die Landwirtschaft in der Region. Allein die Planungskosten beliefen sich Ende 2019 auf knapp 1,2 Mio. €. Laut NLWKN ist die Errichtung dieses Schilfpolders zum Erreichen des gesetzten Zieles alternativlos. Je mehr P-Reduzierung durch produktionsintegrierte Maßnahmen erreicht wird, desto kleiner könnte ein Schilfpolder gegebenenfalls gebaut werden. Dies würde sowohl die Aufwendungen aus Steuergeldern als auch den unwiederbringlichen Flächenverlust auf ein notwendiges Maß verringern.
Wie steht es um die Kosten und die Finanzierung des Projektes?
Joachim Schmedt: Derzeit fördert das Land die Personalkosten für die Beratungskräfte. Eine wirkungsvolle, aktive Kooperationsarbeit kann erst beginnen, wenn es einen Maßnahmenkatalog und eine mehrjährige Finanzierungszusage für freiwillige Vereinbarungen analog zu den Verhältnissen in Niedersachsen gibt. In Niedersachsen sind im Jahr 2023 von 140 Betrieben freiwillige Maßnahmen auf einer Fläche von knapp 2500 ha durchgeführt worden. Hierfür wurden knapp 350.000 € ausgezahlt. Da die betroffene Region in NRW kleiner ist, würden die dafür notwendigen Mittel deutlich geringer ausfallen.
Wenn das Umweltministerium in Düsseldorf jetzt nicht mitzieht, droht dem Projekt Ende 2024 das Aus. Was muss jetzt geschehen?
Schmedt: Niedersachsen macht es vor. Die dort angebotenen freiwilligen Maßnahmen werden von den Landwirten großflächig erfolgreich umgesetzt. Zur Sicherung der Gewässergüte in den Zuläufen zum Dümmer müssen diese Maßnahmen auch in NRW umgesetzt werden. Zuständig dafür ist das Umweltministerium NRW. Wir haben schon vor geraumer Zeit eine Abstimmung der Bundesländer Niedersachsen und NRW angeregt, die wir für unabdingbar halten. Bislang ist dies aber nach unserer Kenntnis noch nicht geschehen. Und die Zeit drängt.