Auch wenn die Afrikanische Schweinepest (ASP) derzeit nicht täglich in den Schlagzeilen ist, bleibt die Tierseuche eine große Bedrohung für die heimische Landwirtschaft. Sorgen bereitet den Wissenschaftlern unter anderem die aktuell starke Verbreitung der ASP in einigen Balkanstaaten. Wie Prof. Dr. Carola Sauter-Louis vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in der vergangenen Woche bei einer Fachtagung des Verbundes Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) in Melle erklärte, greift die Seuche momentan vor allem in Kroatien und Bosnien-Herzegowina um sich. Nach den ersten ASP-Fällen Ende Juni wurden in den beiden Ländern bis Ende August fast 1200 Ausbrüche registriert – und das fast ausschließlich bei Hausschweinen!
Biosicherheit ernst nehmen
Die Seuche scheint sich dabei auch deshalb so rasch auszubreiten, weil es um die Biosicherheit und das Gefahrenbewusstsein in der Region nicht gut bestellt ist: Prof. Sauter-Louis berichtete von nur zögerlich gemeldeten Verdachtsfällen, vergrabenen Schweinen und Hausschlachtungen infizierter Tiere. Es gäbe viele direkte und indirekte Kontakte zwischen den Betrieben und kaum wirksame Schutzmaßnahmen in den zahlreichen Hinterhofhaltungen.
Besonders alarmierend ist es dann, wenn bei Kontrollen auf der Autobahn Fleisch und Rohwurst zweifelhafter Herkunft gefunden werden, wie zuletzt bei einem rumänischen Kleintransporter in Sachsen. Schließlich könnte das Virus auf diesem Weg leicht in bislang noch nicht betroffene Gebiete fernab der Wildschwein-ASP-Zonen im Osten Deutschlands gelangen.
Die heimischen Schweinehalter sind also gut beraten, wachsam zu bleiben und ihre Betriebe möglichst gut gegen das Virus abzuschotten. Dass es hier noch Steigerungspotenzial gibt, zeigt eine Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. In dieser hat Leonie Klein die Biosicherheit auf 81 niedersächsischen Schweinebeständen durchleuchtet. Dabei fand sie heraus, dass die meisten Betriebe die Vorbeuge vor einer ASP-Infektion sehr ernst nehmen. Vor allem die Ferkelerzeuger legen viel Wert auf eine sichere Abschirmung ihrer Bestände nach außen.
Schwachpunkte erkennen
Die Untersuchung legt jedoch auch Defizite offen – vor allem was die Einzäunung und die Trennung von sauberen und schmutzigen Bereichen auf dem Betriebsgelände und in der Umkleide angeht. Hier hatte Leonie Klein einige Tipps parat.
So lässt sich die Grenze zwischen Schwarz- und Weißbereich in der Hygieneschleuse ganz einfach durch ein auf dem Fußboden befestigtes Kantholz definieren. Dieses schränkt die Bewegungsfreiheit kaum ein. Sein Anblick erinnert den Landwirt aber jedesmal daran, hier Schutzkleidung anzulegen bzw. die Schuhe zu wechseln. Apropos Schuhe: Wenn es auf dem Betrieb unterschiedlich gefärbtes Schuhwerk für Stall und Außenbereich gibt, fällt ein Fehlverhalten sofort auf. Es ist ja offensichtlich, wer dort gerade mit den „falschen Stiefeln“ unterwegs ist.
ASP-Risikoampel 2.0
Mit Signalfarben arbeitet auch die 2019 erstmals veröffentlichte ASP-Risikoampel. Mit dem von Forschern der Universität Vechta und des FLI entwickelten Online-Instrument können Schweinehalter kostenfrei und anonym überprüfen, wie gut ihr Betrieb gegen die Seuche geschützt ist. Das dient der Eigenkontrolle und zeigt anhand von Ampelfarben, wo eventuell Nachholbedarf besteht. Wie Dr. Maria Gellermann und Dr. Barbara Grabkowsky von der Universität Vechta erläuterten, wurde nun eine überarbeitete Version der Ampel freigeschaltet, die unter „www.risikoampel.uni-vechta.de“ zu erreichen ist.
Die Ampel kann von den Praktikern genutzt werden, um die nach EU-Recht geforderten Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren für den eigenen Betrieb zu überprüfen und zu dokumentieren (betriebsindividueller Biosicherheitsplan nach EU-Verordnung 2016/429).
Wie die Geschäftsführerin der Niedersächsischen Tierseuchenkasse, Dr. Ursula Gerdes, erklärte, verhindert die Anwendung womöglich sogar schmerzhafte finanzielle Einbußen. Dann nämlich, wenn die Betriebe durch die Ampel Fehler in der betrieblichen Seuchenvorbeuge erkennen und abstellen, die in einem Schadensfall empfindliche Leistungsabzüge bedeuten. So kürzt die Tierseuchenkasse beispielsweise 50 % der Entschädigung, wenn Futter und Einstreu nicht vor Wildschweinen sicher sind. Bei nicht ordnungsgemäßer Kadaverlagerung wird die TSK-Entschädigung sogar um 60 % gekürzt. Es lohnt sich also, beim Thema Biosicherheit gewissenhaft zu arbeiten.
Wann kommt der Impfstoff?
Im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP) hoffen viele Betroffene auf einen wirksamen Impfstoff. Bis dieser entwickelt und in Europa zugelassen ist, dürften aber noch einige Jahre vergehen, erklärte Dr. Sandra Blome. Wie die Leiterin des deutschen ASP-Referenzlabors auf der Insel Riems berichtete, wird die Impfstoffentwicklung durch die Komplexität des Erregers erschwert. Bislang sind alle Versuche einen „nicht-lebenden“ oder auf Virus-Teilen beruhenden Impfstoff herzustellen, fehlgeschlagen. Erfolge wurden ausschließlich mit einigen Lebendvakzinen erzielt. Diese hatten aber zumeist zu starke Nebenwirkungen.
Inzwischen gibt es jedoch mehrere vielversprechende Versuche mit Lebendimpfstoffkandidaten. In Vietnam sind solche Impfstoffe sogar für die kontrollierte Nutzung im Feld zugelassen. Auch dort scheint es jedoch Probleme im praktischen Einsatz zu geben. Dr. Blome mahnte daher zu Geduld, und warnte vor übereilten Lösungen. Dennoch bestehe Hoffnung, dass mittelfristig Lebendimpfstoffe in Form sogenannter Deletionsmutanten zur Verfügung stehen.
Die Anstrengungen der Wissenschaftler konzentrieren sich dabei vorrangig auf einen oralen ASP-Impfstoff für Wildschweine. Bei Hausschweinen dürfte die Impfung wegen der weitreichenden Handelsbeschränkungen kein Mittel der Wahl sein.
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