Bis August 2022 war Dr. Antje Eder fast zehn Jahre zuständig für die Fachdidaktik Agrarwirtschaft an der Technischen Universität München.
Sie bereitete vor allem Lehrer für die Berufsschule vor. Jetzt steht sie selbst wieder in Regensburg als Lehrerin im Berufsfeld Agrarwirtschaft vor den Auszubildenden.
Was muss die Lehre zum Landwirt heute leisten?
Die Betriebsstruktur hat sich gewandelt. Wir entfernen uns immer mehr vom klassischen Familienbetrieb hin zum landwirtschaftlichen Unternehmen. Ein ausgebildeter Landwirt ist eine Fachkraft, die später Betriebsleiter werden kann oder ins Studium geht. Das funktioniert nur mit einer guten schulischen und einer guten praktischen Ausbildung.
Die Zeit ist vorbei, als mancher Ausbilder meinte, das lerne der Azubi schon in der Berufsschule. Oder dachte, die Berufsschule sei nicht wichtig. Ziel muss sein, dass zwischen Betrieb und Berufsschule ein Vertrauensverhältnis herrscht und die fachlichen Themen aufeinander abgestimmt werden.
Wie lässt sich das etablieren? Manchmal schimpfen die Ausbilder auf die Lehrer und umgekehrt.
An den Berufsschulen müssen die Mauern der Theorie eingerissen werden. Der Unterricht muss praxisorientiert sein. Dazu müssen die Lehrer zum Beispiel Praktiker in die Schule einladen und den direkten Kontakt zu den Ausbildern suchen.
Vielleicht lassen sich zum Beispiel die Inhalte gezielt auf die Produktionszyklen der Betriebe abstimmen. Nur so lässt sich anwendungsbezogen die Theorie erklären. Dabei ist eine bewusste Reduktion in den Fragestellungen wichtig. Was braucht der Landwirt wirklich? Auf was kann er verzichten?
Wie haben sich die Klassen in den vergangenen Jahren verändert?
Die Heterogenität der Klassen wird immer größer. Auf der einen Seite stehen Abiturienten, die wollen Zusatzmaterial im Unterricht und schielen schon in Richtung Studium. Auf der anderen Seite ist der Anteil derer mit Förderbedarf größer geworden. Die Betriebe finden oft keine leistungsstärkeren Azubis mehr. Die Aufgabe der Berufsschule lautet, die Schüler abzuholen, wenn Schwächen vorliegen.
Generell ist es für viele Schüler schwierig, sich auf den Punkt zu konzentrieren. Wir haben mittlerweile eine Social-Media-Pause eingeführt. Die Schüler konzentrieren sich 20 Minuten auf den Unterricht und dürfen dann drei Minuten die sozialen Medien checken. Verbieten wollen wir das Smartphone nicht. Sie sollen es auch zum Recherchieren nutzen.
In der Ausbildungsverordnung aus dem Jahr 1995 ist nur allgemein von Digitalisierung die Rede. Inwiefern sollten digitale Methoden in den Unterricht einfließen?
Es ist ein Muss. Dabei sollten digitale Angebote in einem wohl dosierten Maß einfließen. Die Schüler sollten alles auch noch analog beherrschen. Aber gerade in der Landwirtschaft gibt es viele digitale Tools, auf die Landwirte mittlerweile zugreifen. Herdenmanagement-Programme, Ackerschlagkarteien und die ganze Schleppertechnik sind Beispiele. Das muss die Lehrkraft in den Unterricht mit aufnehmen.
Die Ausbildungsverordnung für den Beruf Landwirt soll in den nächsten Jahren aktualisiert werden. Wenn Sie Wünsche frei hätten, wie würden die lauten?
Stärker in den Vordergrund gehört der Dialog zwischen Ökolandbau und konventioneller Landwirtschaft. Außerdem muss der Lehrplan so gestaltet sein, dass Spielraum auf regionaler Ebene bleibt und die einzelnen Schulen Freiraum haben für eigene Ideen. Zu starre Vorgaben führen dazu, dass die Ausbildungsverordnung sich in wenigen Jahren schon wieder ändern müsste.
Der Personalmangel ist im Lehrerzimmer angekommen. Ist ein angepasster Unterricht überhaupt noch zu stemmen?
Das grundständige Studium zum Lehramt führt am besten dazu, den unterschiedlichen Herausforderungen im Klassenzimmer gewachsen zu sein.
Doch die Zahl der Quereinsteiger, die über eine Sondermaßnahme zum Lehrer werden, nimmt zu. Auch in dieser Gruppe gibt es pädagogische Talente. Sie haben ein fachwissenschaftliches Studium absolviert und trotzdem die Antennen, um auf Schüler zuzugehen. Je mehr man sich mit dem Lehrerdasein identifiziert, desto bereiter ist man, sich für die Schüler zu engagieren.
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