Tierhaltung in der Krise: „Nicht kopflos aussteigen“

Viele Sauen- und Milchviehhalter sowie Bullenmäster denken momentan ­darüber nach, die Landwirtschaft aufzugeben. Doch welche Alternative haben die Landwirte? Und wie kann ein geordneter Ausstieg erfolgen?

Gerd Rupp und Wilko Lixfeld sind keine Hellseher. Die Wirtschaftsberater der Landwirtschaftskammer (LWK)NRW wissen nicht, wie viele Sauenhalter, Mäster, Milchbauern oder Bullenmäster in NRW bis 2025 aus der Produktion aussteigen. Doch sie sind täglich auf Höfen unterwegs und erleben es hautnah: Viele Familien sind deprimiert, einige fast schon verzweifelt. Das Wochenblatt hat mit beiden gesprochen.

Wochenblatt: Herr Rupp, Herr Lixfeld, Sie bekommen als Wirtschaftsberater derzeit die momentan schlechte Stimmung auf den Höfen voll mit.

Rupp: Es gibt viele Gründe, warum zahlreiche Familien derzeit überlegen, aus der Landwirtschaft auszusteigen. Da ist zunächst die nicht enden wollende Kritik an der Tierhaltung, die ständig steigenden Auflagen, die drei Trockenjahre mit der Futterknappheit sowie die Schwierigkeit der Politik, ein modernes Leitbild für die Landwirtschaft zu entwerfen. Wie ein Brandbeschleuniger wirkt jetzt das Chaos auf den Fleischmärkten, verursacht durch Corona und die Schweinepest (ASP).

In einer prekären Lage befinden sich gerade die Sauenhalter, sie können nicht einmal mehr ihre laufenden Kosten decken.

Rupp: In fast keinem anderen Wirtschaftsbereich erleben wir derar­tige Preissprünge. Der Absturz der Ferkelpreise von über 90 € im Frühjahr auf jetzt gerade mal 30 € ist beispiellos. Wir gehen davon aus, dass eine bedeutende Anzahl Sauenhalter in NRW bis 2025 aufgibt. Die Betriebe scheuen die hohen Umbaukosten in ihren Ställen. Das würde höhere Kosten verursachen. Gleichzeitig produzieren sie oft weniger Ferkel. Keiner weiß, ob der Markt die Investitionen am Ende honorieren wird. Ich befürchte, dass sich die Ferkelerzeugung mehr und mehr auf sehr große Betriebe konzentriert.

Wie sieht die Lage auf den Milchviehbetrieben etwa im Sauerland und der Eifel aus? Wie viele denken über den Ausstieg nach?

Lixfeld: Schwer zu sagen, das ist ein schleichender Prozess. Vielen Milchviehbetrieben im Sauerland, Siegerland und in der Eifel macht zu schaffen, dass sie das dritte Trockenjahr in Folge hinter sich haben. Die Kosten, etwa für Futterzukäufe und neue Siloanlagen, steigen permanent, doch der Milchpreis klebt je nach Molkerei wie Pattex bei 32 bis 34 Cent netto fest.

Ein Familienbetrieb sollte im Schnitt der Jahre mindestens 70.000 € Gewinn pro Jahr erzielen. Das schaffen die meisten nicht. Und jetzt fällt auch noch der Wald als finanzielle Reserve weg. Die ­Situation auf vielen Höfen ist – ­gelinde gesagt – dramatisch.

Die LWK...


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