Entwässern, entwässern, entwässern, damit die Bevölkerung zu essen hat. Das war bis ins 20. Jahrhundert die politische und gesellschaftliche Ansage zum Umgang mit Moorflächen. Doch seit dem Pariser Klimaschutzabkommen im Jahr 2015 ist eine neue, harte Währung im Spiel: CO2-Emissionen.
Moor muss nass fürs Klima
Um die Klimaüberhitzung bei 1,5°C zu stabilisieren, müssen die CO2-Emmissionen bis zum Jahr 2050 auf Null abgesenkt werden. Dazu müssen nach Meinung von Wissenschaftlern bundesweit jährlich 50 000 ha kultivierte, entwässerte Moore wieder vernässt werden. Auch NRW leistet seinen Beitrag. Derzeit erarbeitet das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ein Konzept zur Wiederherstellung von Mooren und Biotopen.
Das größte Moorgebiet in NRW ist das Große Torfmoor mit der Bastauniederung zwischen Wiehengebirge und dem Mittellandkanal im Kreis Minden-Lübbecke.
- Es geht um 2500 ha, die für das Erreichen der landesweiten Klimaschutzziele als CO2-Speicher im Fokus stehen.
- Es geht aber auch um Betriebe, deren Existenz durch eine Wiedervernässung auf der Kippe steht.
Für die Landwirte, die in der Baustauniederung wirtschaften, gibt es jedoch kein „weiter so“. Deutlich wurde das vorige Woche auf einer Veranstaltung des Kreises Minden-Lübbecke zur Zukunft des Landschaftsraums Großes Torfmoor und Bastauniederung in Espelkamp.
Moderationsprozess in Minden-Lübbecke:
Zielkonflikte beim Thema Moor und Klimaschutz sind vorprogrammiert. Um alle Belange offen zu legen, initiierte der Kreis Minden-Lübbecke im Juli 2021 einen Moderationsprozess. Vertreter aus Kreis, Landwirtschaft, Kommunen, Wasserwirtschaft, Natur- und Klimaschutz bilden einen Arbeitskreis. Seit Oktober 2022 gibt es ein gemeinsames Leitbild für die „Zukunft des Landschaftsraums Großes Torfmoor und Bastauniederung“. Als nächstes soll eine Einbindung der Modellregion in die NRW-Moorschutzstrategie erfolgen.
Heißt die Zukunft „Paludi und Wiedervernässung statt Milchvieh“? Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joosten von der Uni Greifswald, beantwortet diese Frage mit „ja“. „Die Landwirtschaft in Deutschland auf Moorflächen – das sind 6,7 % der Gesamtfläche - verursacht 40 % aller landwirtschaftlicher CO2-Emmissionen.“ Seine klare Botschaft lautete: „Moor muss nass!“
Allerdings räumte er ein: „Wir können nicht alle Moorflächen fluten und aus der Produktion nehmen.“ Sein Ansatz ist sogenannte Paludikulturen anzubauen. Das sind Dauerkulturen, die im Wasser stehen können, beispielsweise Seggen, Schilf, Rohrkolben.
Wie soll das Moor wiedervernässt werden?
Auch Wochenblatt-Redakteur Martin Borgmann erläuterte in seinem Vortrag, dass die Wiedervernässung fürs Klima außer Frage steht. Er betonte, dass die Landwirte die Klimarettung nicht allein stemmen können. Sie hätten einen berechtigten Anspruch auf Planungssicherheiten, adäquate Ersatzflächen und Entschädigungen: „Die Wertschöpfung auf der Fläche muss gegeben sein.“
Das ist der springende Punkt. Wie und ob Landwirte in Zukunft mit wiedervernässten Flächen Geld verdienen soll, ist fraglich. Als die Landwirte Dieter Helmke und Hans Lütjen Wellner vom Arbeitskreis Aufwuchsverwertung im Landvolk Verband Osterholz-Scharmbeck (Niedersachsen) von ihren Erfahrungen berichten, machten sie kein Heel daraus: „Die Verwertung und Vermarktung von Aufwüchsen auf wiedervernässten Flächen ist schwierig.“ Aber auch für sie kann es nicht so weitergehen wie bisher.
Um Antworten zu bekommen, wie Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen sind, gab der Arbeitskreis Aufwuchsverwertung eine Machbarkeitsstudie mit dem Moorzentrum Greifswald im Teufelsmoor in Auftrag.
Paludi dauert noch zehn Jahre
Im Moment verfolgen die Landwirte die Idee, die Aufwüchse in einer speziellen Biogasanlage zu fermentieren. Mit der Energie werden Gebäude versorgt. Die Reste der Fermentation könnten als Torfersatzstoffe vermarktet werden. Joosten schätzt, dass die meisten Paludi-Produkte noch zehn Jahre bis zur großflächige Umsetzung brauchen. Wo es bereits heute einen Markt gäbe, sei für Emission-Zertifikate. Beispielsweise finanziert die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein mit dem Verkauf von „Moorfutures“ Wiedervernässungsprojekte.
Am Ende sind viele Fragen offen. Nicht nur die Landwirte – auch Gewerbetreibende suchen Antworten. Auf Anfrage des Wochenblattes sagte Karl-Ernst Hunting, Geschäftsführer und Leiter, IHK-Zweigstelle Minden: „Wir prüfen die Folgen einer Wiedervernässung auf die Betriebe und die Infrastruktur.“ Jetzt ist der Kreis am Zug, Antworten zu liefern, Maßnahmen zu konkretisieren und Fördergelder einzuholen.
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