Chronik der Agrarproteste in Deutschland

Ist es die größte Bauerndemonstration?

Gab es schon einmal solche Bauerndemonstrationen in ähnlichem Ausmaß? Das fragen sich gerade viele Teilnehmer und Beobachter. Wir haben ein wenig in der Historie geblättert.

Traktoren, überall Traktoren: Sie bestimmen seit Tagen das Bild der Bauernproteste in Deutschland. Viele Beteiligte und viele Beobachter fragen sich, ob und wann es solche Bauerndemonstrationen in ähnlichem Ausmaß schon einmal gegeben hat. Wir haben ein wenig in der Historie geblättert.

28. Januar 1928
In 17 Städten in Schleswig-Holstein demonstrieren 140.000 Bauern gegen hohe Steuern und Zinsen und gegen die Konkurrenz von Agrarimporten. Die "Landvolk-Bewegung" wendet sich außerdem gegen den demokratischen Rechtsstaat und die parlamentarische Republik. Bauern und versprengte Berufsrevolutionäre von rechts verüben Sprengstoffanschläge auf Rathäuser, Finanz- und Landratsämter (ausführliche Hintergrundinformationen hier).
Die Agrarkrise sorgt damals in ganz Deutschland für Proteste. Am 10. Februar 1928 kommt es auch in Münster zu einer „Notkundgebung“ des Westfälischen Bauernvereins mit mehr als 15.000 Bauern.

7. März 1961
In Dortmund demonstrieren 40.000 Landwirte gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung Adenauer und gegen die von der EWG festgesetzte Senkung der Getreidepreise.

27. Februar 1971
Rund 60.000 Landwirte demonstrieren in Bonn gegen die Regierung Brandt/Scheel und die Agrarpolitik der EWG. Anlass sind die stark gesunkenen Erzeugerpreise bei Getreide und Fleisch bei gleichbleibenden bzw. gestiegenen Verbraucherpreisen. Bauernpräsident Heereman auf der Kundgebung: „Wir wollen keine Almosen, aber wir wollen ebenso wie alle anderen Berufstätigen in unserer Gesellschaft die Früchte unserer eigenen Anstrengung ernten, nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

Frühjahr 1981
Gegen die aus Sicht des Bauernverbandes zu niedrigen Agrarpreiserhöhungen seitens der Europäischen Gemeinschaft kommt es zu mehreren Großdemonstration. Am 14. Februar 1981 demonstrieren in 130 Städten Westdeutschlands insgesamt mehr als 200.000 Landwirte. Allein in Westfalen gehen rund 20.000 Landwirte in 19 Städten auf die Straße. Am 27. März 1981 demonstrieren noch einmal rund 30.000 Landwirte in Bonn.

23. März 1984
Gegen geplante Agrarreform-Beschlüsse der EG versammeln sich in Dortmund 20.000 Landwirte zu einer Kundgebung des Deutschen Bauernverbandes.

8. Dezember 1992
In Bonn demonstrieren 50.000 Landwirte gegen die Handelsvereinbarung zwischen Europäischer Kommission und den USA (GATT). DBV-Präsident Heereman wirft in seiner Rede Bundeskanzler Helmut Kohl und Agrarminister Ignaz Kiechle vor, „die deutsche Landwirtschaft maßlos im Stich gelassen“ zu haben.

26. November 2019
In Berlin demonstrieren rund 40.000 Landwirte mit mehr als 8000 Traktoren gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung Merkel/Scholz (große Koalition). Im Mittelpunkt steht die Forderung nach einer Stärkung der regionalen Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung. Vorausgegangen war eine Demonstration am 22. Oktober 2019 mit rund 5500 Teilnehmern und 2000 Traktoren in Bonn. Organisator war die aus einer Facebook-Gruppe hervorgegangene, deutschlandweite Bewegung von Landwirten "Land schafft Verbindung" (LsV), die sich später aufspaltete.

Mit Ausnahme der Proteste von 1928/29 in Schleswig-Holstein sind alle anderen Bauerndemonstrationen friedlich und ohne größere Zwischenfälle verlaufen.

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