Amazon-Logistikcenter in Horn-Bad Meinberg

Ärger um Ausgleichsflächen

Amazon baut im lippischen Belle. An der Vergabe von Ausgleichsflächen für den Artenschutz wächst die Kritik: Wieso platzte der erste Deal? Was passierte dann? War Vitamin B im Spiel oder viel Geld?

"Stoppt Amazon“ steht in großen schwarzen Buchstaben auf einem Plakat. Auf einem anderen sind nur einzelne Wörter zu lesen, weil Gestrüpp sie verdeckt. Hingegen klar erkennbar ist der Widerstand derer, die die Schilder an der B239 kurz hinter Belle am Industriepark Lippe bei Horn-Bad Meinberg im Kreis Lippe aufstellten: Ja, sie wehren sich nach wie vor gegen das Projekt des Onlineriesen.

Das sechste Logistcenter in NRW

Das durfte nicht passieren, und es ist passiert“, sagt Cord Heithecker, Landwirtschaftlicher Sachverständiger und Nebenerwerbslandwirt aus Horn-Bad Meinberg. Neben ihm stehen Josef Bussen, Biolandwirt aus Schieder, Wolfram Fiedler, Rentner, und Landwirt Dieter Meier, beide aus Belle. Sie blicken auf einen gigantischen Bau aus Mauern, Betonpfeilern und Stahlträgern. Das Unternehmen Bremer AG aus Paderborn zieht hier im Industriepark Lippe den weltweit größten Onlineversandhändler Amazon ein Logistikcenter hoch – das sechste in NRW.

Deutschlandweit sind es 20 große Logistikzentren, einige Sortierzentren und über 60 Auslieferzentren. In NRW betreibt Amazon schon große Logistikzentren in Dortmund, Mönchengladbach, Oelde, Rheinberg und Werne; dazu weitere kleinere Standorte. Das Logistikzentrum in Horn-Bad Meinberg wird dementsprechend das sechste große Logistikzentrum von Amazon in NRW.

23 ha werden versiegelt

Der US-Konzern baut nach eigenen Angaben, wo „Logistikzentren kundennah sind“. Das neue vierstöckige Gebäude auf der grünen Wiese in Belle nimmt bereits Gestalt an und viel Raum ein: 300 m lang, 186 m breit und 27 m hoch. Die Grundfläche umfasst laut Amazon-Sprecher Thorsten Schwindhammer mehr als 5 ha. Hinzu kommen Nebengebäude und Parkflächen. Insgesamt werden 23 ha Fläche mit 70/80 Bodenpunkten versiegelt. „Es ist unverantwortlich, in diesem Ausmaß wertvolles Ackerland für immer zu vernichten“, moniert Biolandwirt Bussen.

Neu ist die Geschichte nicht. „Monsterhalle auf 21 ha?“ lautete die Schlagzeile in Wochenblatt-Folge 7/2021 (18. Februar 2021) zu dem Projekt der Stadt Horn-Bad Meinberg. Aber sie ist für die Amazon-Gegner auch noch nicht zu Ende.

Aktionsgruppe seit 2020

Bussen, Heithecker, Fiedler und Meier sind Mitglieder der 18-köpfigen Aktionsgruppe „Beller Feld – kein Platz für Amazon“. Beller Feld nennen die Amazon-Gegner das Gewerbegebiet Industriepark Lippe. Die Gruppe gründete Fiedler im Juni 2020, als das Projekt Fahrt aufnahm. Ein halbes Jahr später fasste der Ausschuss für Stadtentwicklung der Stadt Horn-Bad Meinberg den Beschluss für die Industrieansiedlung. Bis Februar 2021 lagen der Entwurf des Bebauungsplanes und die Gutachten öffentlich aus, Mitte 2021 sollten die Bagger anrollen.

Keine Ausgleichsflächen?

Doch plötzlich war „Stopp“. Kurz gesagt: keine Ausgleichsflächen – kein Amazon: Die fünf Landwirte, die bereit waren, die Maßnahmen – wie sie bei Bauprojekten für den Artenschutz gesetzlich vorgeschrieben sind – auf ihren Flächen umzusetzen, waren abgesprungen.

Was die Maßnahmen angeht: Es standen verschiedene zur Auswahl im Programm; deren Monitoring obliegt der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Lippe (UNB). Beispielsweise konnten Landwirte Ackerbrache bzw. -randstreifen wählen. Dafür hätte die Stadt Horn-Bad Meinberg jeweils 1300 € je ha gezahlt. Für Lerchenfenster hätte es 20 € pro Fenster, für das Anlegen von Blühflächen 1350 € je ha, für die Maßnahme „Verzicht auf die Ernte“ hätte es 1900 € je ha gegeben und 1100 € pro ha für den doppelten Reihenabstand von 18 bis 20 cm.
Das Planungsbüro ­Höke aus Bielefeld, das aktuell mit der Stadt zusammenarbeitet, forderte im Maßnahmenkonzept Artenschutz zum ersten Satzungsbeschluss einen doppelten Reihenabstand von mindestens 18 bis 20 cm. Zum zweiten Satzungsbeschluss sind es nur noch mindestens 15 cm. Die Änderung erklärte das Planungsbüro bis Redaktionsschluss (19.09.2023) nicht.

Deal ist geplatzt

Zurück zum plötzlichen „Stopp“: 2021 hatte die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft, Münster, die zwischen Landwirten, Genehmigungsbehörden und Vorhabenträgern vermittelte, den Auftrag der Stadt Horn-Bad Meinberg, Landwirte zu finden, die Ausgleichsmaßnahmen auf ihren Flächen durchführen. Zumal das für den ersten Bauabschnitt gut mit der Zusammenarbeit geklappt hatte, berichtet Wolfgang Ganser, Landschaftsarchitekt bei der Stiftung. Aber diesmal platzte der Deal. „Weil die UNB des Kreises Lippe mitten im Planungsprozess drauf bestand, die Maßnahmen grundbuchlich zu sichern“, begründet Ganser den Bruch und...