Unsere Fragen beantwortet Dirk Schulte-Steinberg von der Landwirtschaftskammer NRW in Höxter.
- Herr Schulte-Steinberg, Sie betreuen das Projekt „Mobile SmartFarm OWL“. Was muss sich der nicht eingeweihte Leser darunter vorstellen?
Mit diesem Regionale-Projekt soll Ostwestfalen-Lippe (OWL) zu einem Vorreiter der digitalen Landwirtschaft werden. Dabei sammeln interessierte Praxisbetriebe mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer NRW und der Technischen Hochschule (TH) OWL um Gesamtprojektleiter Prof. Dr. Burkhard Wrenger Erfahrungen mit der digitalen Technik im Ackerbau. Von den Erkenntnissen der Pilotbetriebe kann dann später die Allgemeinheit profitieren. Letztendlich geht es darum, die Flächenbewirtschaftung mithilfe der digitalen Techniken effizienter zu machen und dabei gleichzeitig Ressourcen und Umwelt zu schonen. Und das mit technischen Lösungen, die auch in den hiesigen Betriebsstrukturen umsetzbar sind.
- Wie viele Betriebe sind bei Mobile SmartFarm OWL eingebunden?
Aktuell nehmen 60 Betriebe am Projekt teil. Auf deren Flächen führt die Hochschule eine Reihe von Messungen durch. Die Ergebnisse werden von der Landwirtschaftskammer ausgewertet und mit den Praktikern aufgearbeitet. Zudem gibt es Präsenztreffen und Online-Veranstaltungen, in denen sich die Beteiligten austauschen und ein Netzwerk für den gemeinsamen Weg in die Digitalisierung knüpfen können.
- Eine teilflächenspezifische Bewirtschaftung lebt von möglichst umfangreichen Informationen zum jeweiligen Standort. Woher kommen die Daten?
Die Daten kommen aus ganz unterschiedlichen Quellen: Zum einen sind das die Messungen der TH OWL beispielsweise aus Befliegung der Flächen mit der Drohne. Zum anderen sind das frei verfügbare Daten wie hochauflösende Satellitenbilder der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Grundsätzlich lassen sich die Informationen in „beschreibend“ und „erklärend“ unterteilen. In die erste Gruppe gehören zum Beispiel die Ertragskarten vom Mähdrescher, die erwähnten Satellitenbilder oder auch digitale Geländemodelle, aus denen sich dann durch Kombination flächenspezifische Biomassekarten ableiten lassen. Diese Karten liefern jedoch noch keine Erklärungen für die Ursachen der Unterschiede. Das gelingt erst durch die zweite Daten-Kategorie, welche auf Informationen aus Bodenschätzungen und -proben sowie Erfahrungen des Bewirtschafters basiert.
- Welche Aufgabe übernimmt hier das mobile Projekt-Labor zur Kartierung der Flächen?
Um von den Flächen der Pilotbetriebe eben diese erklärenden Daten zu erheben, sollen die Ackerschläge engmaschig beprobt werden. Die Kartierung übernimmt die Hochschule mit einem Fahrzeug, welches die Geräte zur Erfassung von Bodenbeschaffenheit, Nährstoffgehalten und anderen Parametern mitführt und im Idealfall auch gleich vor Ort Analysen vornehmen kann – einem mobilen Labor eben. Wegen Lieferengpässen in der Fahrzeugindustrie wird aber derzeit noch mit einer abgespeckten Variante im Leihfahrzeug gearbeitet.
- Alle reden von Ressourcenschonung, Wasser- und Energiesparen: Was kann das SmartFarming konkret leisten?
Das ist schwer in Zahlen zu fassen und auch sehr stark von der Heterogenität des Betriebes und der Schläge abhängig. Das größte und schnellste Einsparpotenzial bieten die Lenksysteme und die Einführung von Section-Control auf den Betrieben, also die automatische Steuerung der Teilbreiten beim Spritzen, Säen oder Düngen.Bei der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung geht es dagegen weniger um eine allgemeine Reduzierung der Betriebsmittel wie Saatgut oder Dünger. Vielmehr lassen sich die verfügbaren Mittel effizienter auf der Fläche verteilen. Bei der Aussaat wird beispielsweise auf den Tonkuppen eines Schlages mehr Saatgut ausgedrillt, um auf diesem schwierigen Teilstück einen besseren Feldaufgang zu realisieren. Bei der Düngung oder beim Wachstumsregler-Einsatz wird in den Niedrigertragszonen hingegen mit geringeren Aufwandmengen gearbeitet, während die „Schokoladen-Teilflächen“ besser versorgt werden. Im Schnitt der Jahre „danken“ diese Flächen nämlich den zusätzlichen Aufwand durch höhere Erträge. Und dieses Effizienzpotenzial ist umso größer, je genauer der Landwirt seine Flächen versorgen kann.
- Welche Voraussetzungen muss der Landwirt erfüllen, um einsteigen zu können?
Er muss auf jeden Fall eine gewisse Toleranz gegenüber Rückschlägen sowie Geduld mitbringen. Denn erfahrungsgemäß laufen nicht alle digitalen Techniken und Prozesse auf Anhieb in der Praxis rund. Die Einführung der neuen Technik braucht zudem gewisse Zeit. Es macht wenig Sinn, die digitalen Systeme in den ärgsten Arbeitsspitzen erstmals zu installieren. Das endet schnell in Stress und Ärger. Neben Geduld und Zeit zur Etablierung müssen interessierte Betriebe jedoch häufig auch beträchtliche Summen in die Modernisierung des Maschinenparks und die digitale Ergänzungstechnik investieren. Der Einstieg sollte also langfristig geplant werden.
- Ab welcher Größe lohnt sich das? Gibt es auch Lösungen für den überbetrieblichen Einsatz?
Da scheiden sich die Geister. Natürlich kann man die Investitionskosten eines automatischen Lenksystems oder anderer Precision-Farming-Werkzeuge auf die Betriebsfläche umlegen und über die Jahre abschreiben. Dann rechnet sich das für kleinere Betriebe langsamer und bei flächenstarken Betrieben schneller. Alternativ bieten sich überbetriebliche Einsätze durch Lohnunternehmer oder Maschinenringe an, um die Technik optimal auszulasten.Allerdings spielen neben der reinen Ökonomie auch andere Faktoren wie die Arbeitsbelastung bzw. Konzentrationsfähigkeit eine Rolle. Während bei konventioneller Landtechnik rund 60 % der Aufmerksamkeit für das Lenken beansprucht wird, kann sich der Fahrer mit Unterstützung eines Lenksystems viel besser auf das Anbaugerät konzentrieren. Damit lassen sich Schäden oder Fehlfunktionen früher erkennen und womöglich teure Reparaturen vermeiden.
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