Kommentar

Pflanzenschutz: Nun in die Offensive gehen?

Die EU will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln großflächig verbieten. Nach dem berechtigten Aufschrei könnte für Landwirte nun eine andere Verhandlungsstrategie klug sein: Ab in die Offensive!

Das Ausmaß wird erst jetzt klar: Auf 90 % der Landwirtschaftsfläche in NRW wären Pflanzenschutzmittel komplett verboten. Das befürchtet der WLV, wenn der Vorschlag der EU-Kommission zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln voll greifen würde. Während Umweltorganisationen applaudieren, sind viele Landwirte außer sich. Selbst Bauernverbandsfunktionäre attackieren die Brüsseler Beamten mit ungewohnt scharfen Worten. LsV NRW läutete mit der Demo in Bonn einen heißen Herbst ein. Die Pläne der EU-Kommission sind ein Vorschlag, über den sie nun mit Parlament sowie Rat verhandelt. Entschieden ist noch nichts, vermutlich kommt es am Ende auch anders. Aber wie?

Green Deal vs. Forderungen

Einige Landwirte fordern einen Stopp des Gesetzes. Ihr Argument: Der EU-Vorschlag sei eine Maximalforderung, die Antwort müsse die entgegengesetzte Maximalforderung sein. Doch dass die Kommission ihren Vorschlag tatsächlich zurückzieht, ist sehr unwahrscheinlich. Denn das Gesetz soll letztlich das umsetzen, was im Green Deal beschlossen ist – und da haben Rat und Parlament den Kommissionsplänen zugestimmt.

Verbot in Landschaftsschutzgebieten geht zu weit

Also könnte es auf einen Kompromiss hinauslaufen, was Beobachter auch erwarten. In Deutschland dreht sich die Diskussion aktuell vor allem um die Landschaftsschutzgebiete. Weil Berlin offenbar mehr Landschaftsschutzgebiete als sensible Gebiete nach Brüssel gemeldet hat als andere Mitgliedstaaten, wäre hier relativ viel Fläche vom Totalverbot betroffen. Selbst der Berliner Staatssekretärin Silvia Bender geht das Totalverbot in Landschaftsschutzgebieten zu weit.

Komplettverbot in der Hellwegbörde

Ein politischer Kompromiss könnte sein, dass in Deutschland die Landschaftsschutzgebiete nicht betroffen wären, sondern „nur“ FFH- und Vogelschutzgebiete. Die Politik würde sich dafür feiern lassen, der Landwirtschaft wäre aber nur bedingt geholfen. Denn: In der Kornkammer Westfalens, der Hellwegbörde, wären Pflanzenschutzmittel dann komplett verboten.

In die Offensive gehen

Deshalb könnte nach dem berichtigten Aufschrei nun eine andere Verhandlungsstrategie sinnvoll sein: Die Landwirtschaft könnte in die Offensive gehen und zeigen, dass sie mit kooperativen Ansätzen den Einsatz stetig gesenkt hat. Sie könnte aktiv einen Plan auf den Tisch legen, bis wann sie weitere Pflanzenschutzmittel sparen will. Viele Praktiker berichten, dass es Einsparpotenzial gebe – aber auch klare Grenzen. Wenn Verbände bzw. Organisationen das in eine ehrliche und praxistaugliche Strategie gießen, können sie der Politik ein Angebot machen. Zusammen mit den eingeleiteten politischen Maßnahmen wie dem Ausbau des Ökolandbaus oder der Öko-Regelung „Verzicht auf Pflanzenschutz“ würden sich ambitionierte Reduktionsziele ergeben. Zudem könnte die Landwirtschaft klar machen, dass mit innovativer Technik, optimierter Züchtung und verbesserten Mitteln weitere Einsparungen möglich sind – und Fördergelder fordern.

Chance der Offensive

Zwar würden Fundamentalkritiker nicht verstummen, aber in der Außenwahrnehmung wären Landwirte nicht die „Blockierer“, sondern die „Möglichmacher“. Im Idealfall erreichen sie praxistaugliche Regelungen. Klar ist aber, der Anstoß müsste von der Basis kommen, auch wenn das kontroverse Diskussionen auslöst. Doch das wäre es wert, oder?