Die Sorgen vieler Landwirte waren groß: braune Flächen, zunehmende Verunkrautung, auswachsendes Lagergetreide. In Extremfällen sind sogar die stehenden Halme ausgewachsen. Brotweizen zu erzeugen ist unter diesen Bedingungen fast ausgeschlossen, aber auch die Hoffnung, noch Futterqualität zu erreichen, schwindet. Selbst die Betreiber von Biogasanlagen haben angedeutet, dass sie reifes Korn und Stroh eigentlich nicht gebrauchen können. Zu gering ist der Gasertrag im Vergleich zu anderen Substraten. Zudem steht eine gute Maisernte vor der Tür. Dementsprechend niedrig sind die Preise. Etwas mehr als die Hälfte vom Weizenpreis könnte für Getreidekorn gezahlt werden und für reife Getreide-GPS liegen die Preise unterhalb der normalen GPS-Preise.
Extreme Streuung
Immerhin hat das Wetter in der vergangenen Woche etwas mitgespielt und auch diese Woche soll es überwiegend trocken bleiben. Viele Flächen sind überraschend gut befahrbar. Problematisch sind jedoch Böden mit hohem Grundwasserspiegel oder Verdichtungen. Niedriger Reifendruck oder ein Raupenfahrwerk helfen bei der Befahrbarkeit weiter.
- Die Rapsernte konnte flächendeckend am vergangenen Wochenende abgeschlossen werden. Der Raps war trocken und lieferte eine ordentliche Qualität. Schwierig war vor allem der tiefe Schnitt, der notwendig war, um den Raps aus dem Lager zu heben.
- Danach folgte der Weizen-, Roggen- und Triticaledrusch. Die besseren Parzellen wurden zuerst geerntet. Dabei musste häufig die Schnittlänge angepasst werden, um Lagergetreide aufzunehmen oder auch liegen zu lassen. Kleinere Lagerstellen konnten meist problemlos mitgedroschen werden. Stellen mit starkem Auswuchs werden liegen gelassen und entweder wie Ausfallgetreide bearbeitet oder separat geerntet, siliert und in Stall oder Biogasanlagen genutzt.
Futterqualität überwiegend erreicht
Die Erträge beim späteren Getreide sind häufig enttäuschend aufgrund der Trockenphase im Juni. Die Feuchtegehalte liegen zwischen 14 und 25 %. Somit können einige Partien direkt gelagert werden, andere können noch getrocknet werden und feuchtere Partien werden gemahlen und siliert. Leider sind die Fallzahlen nach dem Dauerregen im Keller und liegen zum Teil unter 150. Futterqualität wird auf dem Gros der Flächen aber noch erreicht.
Die vertragliche Absicherung der Betriebe spielt bei der Verwertung allerdings auch eine Rolle. Ohne Vorkontrakte muss eine Partie nicht notwendigerweise als Korn abgeliefert werden, sondern kann auch siliert und selbst genutzt oder an andere Tierhalter vermarktet werden. So lassen sich Trocknungskosten sparen. Bei Vorkontrakten müssen diese in der Regel mengenmäßig bedient werden. Bei der qualitativen Ablieferung hängt es häufig vom Abnehmer ab. Bei Genossenschaften und Landhandel gibt es bei Minderqualität meist lediglich Abzüge. Bei Vorkontrakten mit Getreidemühlen können unter Umständen auch Deckungskäufe nötig sein, um den Vertrag zu erfüllen. Unter Umständen könnte man dann auch versuchen, Partien mit Berufskollegen zu tauschen und finanziell auszugleichen. Zum Teil zeigen sich die Abnehmer aber auch kulant.
Drei Lerneffekte
Viele Betriebe dürften erleichtert sein, dass die Getreide- und Rapsernte 2023 endlich eingefahren ist und man sich auf eine gute Mais-, Kartoffel- und Rübenernte freuen kann. Nichtsdestotrotz muss man die Frage stellen, was wir aus solch einem Jahr lernen. Drei Aspekte lassen sich festhalten:
- In den vergangenen Jahren erlebten wir länger andauernde Wetterphasen. Mal ist es längere Zeit zu heiß, mal zu nass. In trockenen Jahren ist die Ernte kein Problem. Für die feuchten Jahre benötigen wir schlagkräftige Erntetechnik, die gleichzeitig bodenschonend arbeitet. Dabei ist nicht unbedingt der eigene Drescher die beste Wahl: Falls ein Maschinenring, Nachbarbetrieb oder Lohnunternehmer mehr Schlagkraft aufweist, könnte man sich darüber genauso gut absichern. Auch die Transportkette muss funktionieren, damit der Drescher bei Zeitdruck nicht steht. Das kann bei größeren Dreschern oder weiteren Transportstrecken zum Beispiel durch Überladewagen gewährleistet werden.
- Diversifizierung bei der Sortenwahl: In diesem Jahr war frühes Getreide deutlich besser als spätes Getreide – sofern die Ernte vor der langen Regenphase gelang. Frühe Weizensorten konnten punkten, aber auch Wintergerste lieferte gute Erträge. In anderen Jahren ist es umgekehrt. Hier ist eine betriebliche Diversifizierung nötig, entweder durch einen Getreidemix oder einen Sortenmix. Standfestigkeit und Fallzahl-Stabilität sollte bei der Sortenwahl eine Rolle spielen, um sich gegen Starkniederschläge abzusichern. Vor allem bei der Produktion von Brotgetreide und gleichzeitigem Abschluss von Vorkontrakten mit Mühlen ist dies unerlässlich, damit Verträge erfüllt werden können. Bei kleineren Betrieben bedeutet eine zusätzliche Getreideart natürlich deutliche Mehrarbeit. Hier sollte zumindest über die Sortenwahl innerhalb einer Art das Risiko gestreut werden.
- Die Ernte 2023 zeigt uns zudem, warum wir die Tierhaltung brauchen. Die Ernte kann noch als Viehfutter verwendet werden. Eine Verwertung in Biogasanlagen kann nur eine Notlösung sein und wäre aus Sicht der Ernährungssicherung schwierig. Gerade aufgrund der Veredlung vor Ort lässt sich auch für Futtergetreide noch ein relativ guter Erzeugerpreis erwirtschaften.