Landwirtschaft mit Zukunft

Ökopunkte für Bochum

Martin Kohlleppel betreibt mit seinen Eltern Landwirtschaft mitten im Ruhrgebiet. Sein Geld verdient er aber nicht nur mit Hähnchen, Raps und Getreide. Er gleicht hier auch Baumaßnahmen der Stadt aus.

Wir stehen auf einem Blühstreifen zwischen gelben Rapsfeldern und kniehohem, sattgrünem Weizen. Um uns herum sind nur Äcker, Wälder und Hecken zu sehen. Ein Paar mit Hund spaziert über einen schmalen Feldweg an uns vorbei. Auf Verkehr brauchen sie hier kaum zu achten – es gibt so gut wie keinen. Zu hören ist vor allem das Gezwitscher verschiedener Vögel – nur das Rauschen der Züge, Autos und Lkw hinter den Hecken erinnert daran, dass wir mitten im Ruhrgebiet sind.

Der Blühstreifen, in dem wir stehen, gehört Martin Kohlleppel. Der 33-jährige Landwirt bewirtschaftet 92 ha Ackerfläche in Bochum-Wattenscheid und ist damit einer von sechs Landwirten im Stadtbezirk. Zudem hält er 50  000 Masthähnchen – wenige Hundert Meter von der dichten Bebauung Bochums im Osten und Essens im Westen entfernt. Die stadtnahe Lage stellt ihn immer wieder vor Herausforderungen, bietet aber auch Chancen: Zum Beispiel kann die Fläche, auf der er Lebensmittel produziert, auch als Ausgleichsfläche dienen.

Blüten gegen Beton

Wie jeder Bauherr müssen auch Städte ihre Bauprojekte ausgleichen. In der Regel geschieht das auf landwirtschaftlichen Flächen, z. B. durch Aufforstungen oder ­Heckenpflanzungen. Landwirte verlieren so oft doppelt: Zum einen „fressen“ Straßen und Gebäude Fläche. Zum anderen nimmt der Ausgleich Ackerflächen aus der Produktion.

Das störte nicht nur Landwirte wie Kohlleppel, sondern auch die Stadt Bochum selbst. Da Bauprojekte für die Gemeinde aber nach wie vor unverzichtbar sind, entwickelte diese gemeinsam mit der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft das Projekt „PIK Bochum“ (siehe Kasten). Als Kohlleppel davon hörte, war er sofort interessiert: „Mit Blühstreifen sammle ich auf meinen Ackerflächen Ökopunkte, die die Stadt abrufen kann“, erzählt er.

PIK Bochum
Jeder Neubau von Gebäuden oder Straßen verschlingt ein Stück Landschaft. Diese Flächen boten Pflanzen und Tieren eine Heimat und wurden oft landwirtschaftlich genutzt. „Um den Verlust für die ­Natur auszugleichen, ist vorgeschrieben, dass an anderer Stelle Lebensräume ,naturschutzfachlich aufzuwerten‘ sind“, erklären Sophia Austrup und Tanja Brüggemann von der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft. Hierzu werden häufig auch landwirtschaftliche Flächen genutzt. Landwirte verlieren also doppelt.
Die Stiftung geht einen anderen Weg: Sogenannte „produktionsin­tegrierte Kompensationsmaßnahmen“ (PIK) sollen sicherstellen, dass eine ökologische Aufwertung erfolgt, gleichzeitig aber die Wirtschaftsgrundlage von Landwirten erhalten bleibt. Diese stellen ihre Flächen nämlich nur für einige Jahre zur Verfügung und können anschließend entscheiden, ob sie noch länger am Projekt teilnehmen.
Grundsätzlich kann jeder Landwirt mit Flächen in Bochum teilnehmen. Dabei besteht die Wahl zwischen neun Maßnahmen – von der Stoppelbrache bis zum extensiven...