Auf Partys gehen, Freunde treffen, Geburtstage feiern – das ist es, was viele Jugendliche sich wünschen. Stattdessen dominieren Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen ihren Alltag. Auch den sieben jungen Menschen, die wir getroffen haben, machen die Corona-Maßnahmen schwer zu schaffen. Sie gehören, gemeinsam mit einigen weiteren Landkindern zu einer zwölfköpfigen Clique aus dem Emsland.
Zu Beginn der Pandemie gingen sie auf dieselbe Schule. Das heißt konkret: Sie trafen sich im selben Online-Raum, jeder von Zuhause aus. „Wenn man dann auch am Wochenende so gar nichts machen kann, wird man verrückt“, erzählt Jakob*, der erst vor kurzem seinen 18. Geburtstag feierte – natürlich im kleinen Kreis.
Treffpunkt im Nirgendwo
Im Februar 2020, als Corona begann, waren die Jugendlichen, wie viele Teile der Gesellschaft, starkverunsichert. Daher schotteten sich sie sich ab. Einige Zeit lang war das zu ertragen, doch der Wunsch nach Geselligkeiten wuchs.
So kam es, dass die Freunde Geld für einen alten Postcontainer zusammenschmissen, der neuer Treffpunkt werden sollte. Zu Beginn der Herbstferien war der Container dann da: Sechs Wochen lang werkelten und bastelten die Jugendlichen an ihrem Projekt herum. Theo*, der normalerweise im Fußball- und Tennisverein ist, erzählt: „Das war endlich mal wieder eine richtig gute Ablenkung.“
Nicht jeden Tag waren alle Cliquenmitglieder dabei, sie arbeiteten in Kleingruppen. Als Inneneinrichtung dienten drei große Tische mitsamt langer Holzbänke. Um mal wieder „richtig feiern“ zu können, durfte ein kleiner Getränkeraum genauso wenig fehlen wie eine gute Musikanlage. Knapp 30 Menschen würden theoretisch in den Bauwagen passen.
Die Jugendlichen haben Glück, dass sie auf dem Land wohnen, erzählen sie: „Der Bauwagen steht quasi irgendwo im Nirgendwo, da stören wir eigentlich niemanden.“
Eintrittskarte – Schnelltest
Nachdem sie den Wagen fertig gestellt hatten, verbrachten die Jugendlichen so gut wie jedes Wochenende dort. Jedes Cliquen-Mitglied konnte vorbeikommen. Die einzige Voraussetzung: Ein negativer Schnelltest. Ein Fotobeweis im Gruppenchat diente als Eintrittskarte. Davon abgesehen setzten die Jugendlichen auf Eigenverantwortlichkeit und Vertrauen. Jakob ist sich sicher: „Jeder kann selbst abschätzen, wie viele andere Kontakten er oder sie hatten.“
Zu Lockdown-Zeiten wurde drauf geachtet, dass keine fremden Gesichter am Treffpunkt auftauchten. Trotzdem sprachen einige Eltern der Gruppe zeitweise „Bauwagen-Verbote“ aus. „Das war ein wirklich blödes Gefühl gar nichts mehr mitzubekommen“, erzählt Elena*, die einige Monate lang von den Treffen fern bleiben musste. „Ich habe mich deshalb auch manchmal mit meinen Eltern gestritten.“ Besonders schwierig war es für zwei der Jugendlichen, deren Eltern im Pflegebereich arbeiten. Sie mussten sich besonders einschränken und haben die Tage zum nächsten Treffen gezählt. Elena erinnert sich: „Wieder im Bauwagen zu sein, war dann einfach ein super Gefühl!“
Schützenfest á la Bauwagen
Events aus Fußball- und Tanzvereinen und vor allem aus Landjugend und Schützenverein fehlten der Clique trotz Bauwagen-Treffen. Im Winter 2021 beschlossen sie, ein eigenes Schützenfest zu veranstalten, falls das „richtige“ wieder ausfallen sollte. Das Resultat: An einem Samstagmorgen kurz vor den Sommerferien stieg das private Schützenfest, mitsamt kaltem Bier, und lauter Musik. Ehrengast der Veranstaltung war ein eigens gesägter Holzadler, der an einer Eisenstange vorm Bauwagen befestigt war. Vier Mitglieder der Gruppe verfügen über einen Jagdschein und besorgten ein Luftgewehr. „Wer König wurde, war uns eigentlich egal, wichtig war uns zusammen zu sein und zu grillen.“ erinnern sich Jakob schmunzelnd.
Unverständnis von außen
Trotz fester Regeln und dem abgelegenen Treffpunkt waren einige Außenstehende verärgert über den Bauwagen-Treff. Vor allem jene, die keinen direkten Bezug zu jungen Menschen in ihrem Alter hatten, zeigten Unverständnis. Dazu gehören auch Familienmitglieder wie Onkels und Tanten oder Großeltern, die keine Kinder im Jugendalter hatten, erzählt die Clique. „Teilweise habe ich gar nicht mehr darüber geredet, was ich mache“, sagt Johanna*, deren Onkel stets aufgebracht reagierte. „Ich hatte keine Lust mehr auf Diskussionen.“
Die Jugendlichen hatten oft das Gefühl, dass unwichtig war, welche Regeln und Maßnahmen sie sich selbst auferlegt hatten und auch, wie viel sie sich insgesamt einschränken mussten. Viele Menschen hätten nicht anerkannt, dass die junge Generation mit dem Verzicht auf Feiern und Co ein großes Opfer darbringe. „Es fühlte sich so an, als würden die Leute denken `Dann sind die Clubs eben zu - na und?´“, schildert Theo*, „Das ist doch irgendwie ignorant!“ Auch Johanna zeigt sich enttäuscht vom Umgang mit jungen Menschen: „Niemand hat uns Alternativen angeboten. Was sollten wir tun?“
Leben für den Sommer
Bislang ist keines der Bauwagen-Treffen zum „Corona-Spreader“ geworden, niemand wurde angesteckt. Für die zwölf hat sich ihr Bauwagen enorm ausgezahlt. Trotzdem fehlt ihnen die Freiheit der Massen, das Kennenlernen neuer Menschen, das Daten, Bier trinken und Essen gehen sehr.
In der Hoffnung auf Lockerungen plant die Clique nun einen Party-Urlaub am Strand. Außerdem fiebern sie schon Wiedereröffnungen der Bars und Clubs entgegen. Solange diese noch geschlossen sind, wird der Bauwagen weiter als Rückzugsort herhalten müssen. Die Freunde sind sich einig: „Wir haben das Beste aus allem gemacht!“
*Namen von der Redaktion geändert.
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