Manchmal nimmt das Leben unverhoffte Wendungen. Bei Stephanie und Steffen Schulte zu Holsten war das im Juni 2021 der Fall. „Mein Vater ist gestorben und eine Woche vorher hat er mir gesagt, dass ich den Hof übernehmen soll“, erzählt die heute 28-Jährige. Sie ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Erst als 16-Jährige hatte sie erfahren, wer ihr Vater war. Der Kontakt blieb lose. Eine Beziehung baute sich erst später auf. Und dann standen sie und Ehemann Steffen plötzlich vor der großen Frage: Welche Zukunft haben wir auf dem Erlenhof?
200 Jahre Geschichte
Der Hof ist ein Anwesen mit Geschichte. 1819 errichtet und in den 1950er-Jahren nach einem Großbrand wiederaufgebaut, ist er ein typisches Artländer Bauernhaus. Er steht in Renslage, einem Ortsteil von Menslage im Landkreis Osnabrück. Bis nach Quakenbrück sind es 14 km. Hinter dem repräsentativen Giebel über dem Eingang des Haupthauses verbergen sich 300 m2 Wohnfläche. Die alte Viehdiele ist ebenso groß. Bis zu 60 Kühe hielt Stephanies Vater Axel Wachhorst-Ellerkamp hier in Anbindung.
Steffen und Stephanie Schulte zu Holsten wussten schnell: Allein mit Landwirtschaft werden wir die Gebäude nicht erhalten können. Sie warfen ihre beruflichen Kompetenzen zusammen und entwickelten ein neues Konzept.
Agrarbetriebswirt und Fahrlehrer
Steffen ist staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt und hat unter anderem zwei Jahre in Kanada gearbeitet. Er hat aber noch einen zweiten Beruf. Als Fahrlehrer ist er gerade in die Fahrschule mit eingestiegen, die seine Eltern vor 30 Jahren in Ankum gegründet haben. Sein Steckenpferd sind Fortbildungen für Lkw-Fahrer und andere, die beruflich mit Staplern, Teleskopladern oder Baumaschinen zu tun haben. Stephanie ist gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin, hat in der Geschäftsführung eines Sanitätshauses gearbeitet und eine private Erste-Hilfe-Schule aufgebaut. „Das ergänzt sich gut“, findet sie. Schließlich brauchen alle Fahrschüler auch eine Erste-Hilfe-Ausbildung.
Die Diele bauen die Schulte zu Holstens deshalb zum Seminarraum um. Diesen wollen sie für Erste-Hilfe-Schulungen, Fortbildungen von Berufskraftfahrern und Baumaschinenführern nutzen, die regelmäßig Pflicht sind. Außerdem können Externe den Raum mieten. Das ist der Plan, den Stephanie und Steffen Schulte zu Holsten auch mit Architektin Heike Heilig aus Bersenbrück durchgespielt haben. Jetzt stecken sie mitten in der Umsetzung.
Nahwärme für die Nachbarn
Das Ackerland haben sie verpachtet, nur das Grünland und den zugehörigen Wald bewirtschaften sie selbst. Eine neue Hackschnitzelheizung mit 150 kW Leistung versorgt 13 Wohneinheiten in der nahen Siedlung mit Nahwärme.
Auch die ersten Umbauten sind abgeschlossen. In einen alten Kuhstall, der sich an das Haupthaus anschließt, haben die Schulte zu Holstens zwei jeweils 100 m2 große Wohnungen eingebaut. In eine sind sie selbst gezogen, die andere bewohnt Stephanies Tante. Jetzt steht die Sanierung und Umnutzung des großen Haupthauses an. Das alle schluckt jede Menge Geld und Zeit. „Das muss man jetzt mal zwei, drei Jahren durchziehen“, sagt Steffen.
Förder-Bausteine
Bei der Finanzierung profitieren sie von mehreren Bausteinen. Wohn- und Wirtschaftsgebäude stehen unter Denkmalschutz. Dadurch können sie die Sanierungsaufwendungen über zehn Jahre mit jährlich 9 % abschreiben. Daneben nutzen die Schulte zu Holstens KfW-Fördermittel für die energetische Sanierung.
Zu dem größten Förderposten lotste die Familie aber das Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems. Für die Umnutzung des Nebengebäudes und der Diele gibt es Mittel aus dem Programm Dorferneuerung. Bis zu 40 % der Gesamtkosten, maximal 150 000 €, lassen sich so refinanzieren. Nach der ersten Bewilligung hoffen die Schulte zu Holstens nun auf die nächste.
„Manchmal wünschen wir, unsere Tage hätten 48 Stunden“, lacht Stephanie. Aber auch mit 24-Stunden-Tagen sind sie zuversichtlich, dass sie Ende 2024 fertig werden und in das Haupthaus einziehen können.
Kulturschatz Artland
Das Artland liegt im nördlichen Osnabrücker Land rund um die alten Hansestädte Fürstenau und Quakenbrück. Die Böden sind fruchtbar und so entwickelte sich der Landstrich einst zur Kornkammer des Fürstbistums Osnabrück. Die Bauern zeigten ihren Wohlstand mit dem Bau prachtvoller Fachwerkhöfe. Mehrere Hundert sind erhalten.
Jedes Jahr am zweiten Wochenende im September, wenn auch der Tag des offenen Denkmals stattfindet, präsentiert sich der „Kulturschatz Artland live“. Viele Höfe öffnen. Die Familie Schulte zu Holsten ist in diesem Jahr Gastgeber für die zentrale Veranstaltung. Am 9. und 10. September gibt’s einen Bauernmarkt mit Produkten aus der Region. Außerdem sind Denkmalbehörden, Berater und Touristiker vor Ort. Die Veranstaltung findet am Samstag von 14 bis 18 Uhr und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr statt. Die Adresse: Renslager Straße 4, 49637 Menslage-Renslage.
www.erlebnisregion-artland.de
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