Wer auf dem Land lebt und noch keinen Autoführerschein hat, steht häufig vor dem Problem: „Wie komme ich von A nach B?“ Busse fahren selten und meist nicht zur gewünschten Zeit. Oft sind die Jugendlichen auf ein Eltern-Taxi angewiesen: Vater oder Mutter müssen sie zum Sport bringen, zu Freunden in den Nachbarort und wenn es ganz doof läuft, sogar zum Ausbildungsbetrieb.
Die Landesregierung NRW möchte den jungen Menschen und ihren Eltern entgegenkommen und bietet die Möglichkeit, den Führerschein AM, besser bekannt als der Moped- und Rollerführerschein, schon mit 15 Jahren in der Tasche zu haben. So wurde das Mindestalter am 31. Januar dieses Jahres von 16 auf 15 Jahre heruntergestuft.
Damit folgt NRW den ostdeutschen Bundesländern und ist das erste Bundesland im Westen, das der im vergangenen Jahr vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzesänderung nachkommt.
Der AM-Führerschein führt an den Verkehr ran
Michael Echelmeyer, Fahrlehrer aus Hörstel im Kreis Steinfurt und Leiter des Fahrlehrerverbandes für den Bezirk Münster, hält das für eine gute Idee. „So werden junge Menschen eher an den Straßenverkehr herangeführt“, sagt er. Bisher durften Jugendliche mit 15 Jahren nur eine sogenannte Prüfbescheinigung für das Mofa machen.
Mofas sollen es maximal aber nur auf 25 km/h bringen. Für Echelmeyer ist es daher ein Gewinn an Mobilität. Denn es sei ein Unterschied, ob man mit 25 km/h unterwegs sei oder mit bis zu 45 km/h, wie auf Roller oder Moped. Er sieht vor allem eine Nachfrage bei jungen Leuten auf dem Land – allein schon, weil der öffentliche Nahverkehr nicht so flächendeckend vorhanden sei und regelmäßig fahre wie in der Stadt.
Verkehrswacht warnt vor Risiken
Die Landesverkehrswacht Nordrhein-Westfalen warnt hingegen vor Sicherheitsrisiken bei einem Moped-Führerschein ab 15 Jahren. Ihr geschäftsführender Direktor Burkhard Nipper meint: „Jugendliche sind im Straßenverkehr durch fehlende Erfahrung und eine höhere Risikofreude besonders gefährdet.“
Hinzu komme, dass Mopeds und Roller als Zweiräder an sich ein höheres Gefahrenpotenzial bergen. Dass besonders in ländlichen Gebieten der Moped-Führerschein ab 15 Jahren die individuelle Mobilität von Jugendlichen ergänzen kann, stehe auf einem anderen Blatt. „Die kritische Frage ist, ob der Mehrwert an Mobilität in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken steht“, betont Burkhard Nipper.
Das schätzt Michael Echelmeyer anders ein. Im Vergleich zur Mofa-Prüfbescheinigung, die man schon nach wenigen Stunden Theorie und einer praktischen Prüfung zum Teil sogar auf dem Schulhof in der Tasche hat, müssen die Fahrschüler beim AM-Führerschein mindestens zehn Theoriestunden in der Fahrschule besuchen und bekommen eine fundierte Ausbildung in der Praxis sowie eine Fahrprüfung im Straßenverkehr. „Das ist eine gute Vorbereitung auf weitere Führerscheine wie für das Auto oder den Trecker“, meint er.
Mit 14 und einem halben Jahr können Jugendliche beginnen, den AM-Führerschein zu machen. Die theoretische Prüfung kann frühestens drei, die praktische einen Monat vor dem 15. Geburtstag abgelegt werden. Die Kosten liegen zwischen 500 und 800 €. Sie schwanken von Region zu Region und hängen davon ab, wie viele Fahrstunden der Schüler braucht. Nicht zu vergessen sind die Anschaffungskosten für das Zweirad sowie für Schutzkleidung und Helm.
Frisierte Mofas bergen eine größere Gefahr
Michael Echelmeyer erwähnt, dass die Mofas öfters „frisiert“ werden als die Mopeds. Sie fahren dann deutlich schneller als zulässig. Das stellt auch Frank Rentmeister von der Kreispolizeibehörde in Borken fest. Seine Kollegen hätten immer wieder 15-Jährige angehalten, deren Kleinkrafträder schneller als 25 km/h fuhren und die sich damit strafbar gemacht hätten.
Laut dem Pressesprecher der Polizei Borken liegen die Gründe im altersbedingten Mobilitätsdrang und -bedarf. „25 km/h reichen vielen offenbar nicht“, meint Frank Rentmeister. Er vermutet, dass durch die Gesetzesänderung der Anreiz zunimmt, einen Mopedführerschein zu machen.
Die Zeitspanne zwischen dem Erwerb dieser Fahrerlaubnis bis zum Erwerb des Autoführerscheins mit 17 Jahren betrage nun ein Jahr mehr. „Nach dem bisherigen Recht hat womöglich der ein oder andere darauf verzichtet, da man schon mit 17 den Pkw-Führerschein in der Tasche hat und in Begleitung Auto fahren kann“, schätzt Frank Rentmeister ein.
Er meint, dass die Eingewöhnung in das Verkehrsgeschehen als „ausgebildeter“ Kraftfahrzeugführer die Verkehrssicherheit steigern kann – auch mittelfristig, wenn der junge Mensch auf Motorrad oder Auto wechselt. „Es gibt den Jugendlichen ab 15 Jahren die Chance, ausgebildet, geprüft und damit sicher wie legal ein Kleinkraftrad bis 45 km/h zu führen“, so der Polizeihauptkommissar.
Fahrlehrer Michael Echelmeyer sieht aber ein anderes Problem: Solang NRW das einzige Bundesland in Westdeutschland ist, können 15-Jährige auf dem Roller nicht legal über die Grenze nach Niedersachsen fahren. Dort würden sie von der Polizei aus dem anderen Bundesland aus dem Verkehr gezogen und würden sich strafbar machen.
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