Die Kinder verlernen das Verlieren. Mit dieser These sorgte Anfang September Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund und Funktionär des Deutschen Fußballbundes, für Schlagzeilen. Der Sauerländer meinte damit die Reform im Kinderfußball. Sie wird in NRW seit dem vergangenen Jahr umgesetzt. Bundesweit gilt sie ab der Saison 2024/25. Doch was ändert sich? Und gibt es wirklich keine Verlierer mehr?
Funino als Konzept
Die Reform betrifft die ganz kleinen Kicker. Das sind die Vier- bis Achtjährigen, also G- und F-Jugend. Auch auf die E-Jugend, 9 bis 11 Jahre, soll das Konzept übertragbar sein. Zuvor kickten die Kinder in diesen Altersklassen meist mit sechs Feldspielern und einem Torwart gegeneinander.
Das soll sich nun ändern. Es spielen nun drei gegen drei oder vier gegen vier auf ein oder zwei kleine Tore pro Team. Einen festen Torwart, der den Ball mit der Hand berühren darf, gibt es zunächst nicht. Fällt ein Tor, wechseln beide Teams automatisch einen Spieler ein. Diese Spielform nennt sich Funino. Sie ermöglicht den Kindern deutlich mehr Ballkontakte. Alle sind direkt am Spielgeschehen beteiligt. „Nun schießen auch die Kinder Tore, die sonst keine machen würden“, beobachtet Sascha Klein vom TuS Altenberge. Seit vergangener Saison setzt der Verein das Konzept um. Auch die Eltern zögen laut Klein mit.
In der alten Spielweise zeigte sich meist ein anderes Bild: Laut einer Studie haben im Sieben gegen Sieben die zwei Besten eines Teams 80 % der Ballaktionen. „Der Rest pflückte Blümchen“, sagt Kindertrainer Sascha Klein. Zu früh wurde auch Wert auf Taktik gelegt. Die Kinder bekamen feste Positionen in Defensive und Offensive. Manche der Kleinen fanden auch keinen Platz im Siebener-Team und kehrten dem Fußball frühzeitig den Rücken. „Jetzt kommen auch die leistungsschwächeren Kinder auf vielmehr Spielzeit“, sagt Sascha Klein.
Je älter die Kinder werden, desto größer werden die Teams und Felder. Auch ein fester Torwart kann dann mitspielen. So fällt der Übergang in die D-Jugend, ab 11 Jahren, nicht so schwer. Dort gilt dann die klassische Spielweise.
Spieletreffs und Festivals
Die Ergebnisse der Spiele fließen nicht mehr in eine Tabelle ein. Gespielt werden Festivals oder Spieletreffs, bei denen sich drei oder mehrere Vereine treffen. Auf dem Platz gibt es dann mehrere kleine Spielfelder. „Das ist etwas mehr Aufwand für die Trainer als zuvor. Wenn man sich eine halbe Stunde vorher trifft, schaffen es die Betreuer aber, alle Felder aufzubauen“, sagt Sascha Klein. Schwierig für kleinere Vereine ist es aber, genug kleine Tore zu haben.
Nach jedem Durchgang von etwa fünf Minuten gehen die Gewinnerteams jeweils ein Spielfeld weiter, die Verliererteams um ein Feld zurück. Das Leistungsniveau passt sich an. Siegen und Verlieren gehören weiterhin zum Spiel. „Hier wird sogar mehr verloren als zuvor“, sagt Sascha Klein. Deutliche Ergebnisse, wie ein 10 zu 0, finden sich aber jetzt in keiner Tabelle mehr – etwas, das sonst die Kleinen demotiviert hat.
Knigge für Fußball-Eltern
Der Ton am Spielfeldrand ist manchmal rau. Abfällige Bemerkungen gegenüber anderen Eltern, Betreuern und Schiedsrichtern kommen öfter vor. Manchem Vater, mancher Mutter brennt der Ehrgeiz im Umgang mit ihrem Nachwuchs durch. Zurufe von außen wie „Stell dich nicht so an!“, „Du schläfst ja noch!“ demotivieren die Kleinen.
Aktionen wie die „Stille Seitenlinie“ verbannen Eltern hinter die Bande und sollen den Druck von den kleinen Spielern nehmen.
Der DFB appelliert an die Vorbildfunktion der Eltern und bringt den Knigge in einfache Regeln:
Danken statt zanken: Respekt gegenüber den Beteiligten.
Vergnügen statt rügen: Spaß gehört in den Vordergrund.
Loben statt toben: Ermutigen durch positive Rückmeldungen.
Erlebnis statt Ergebnis: Das Resultat steht nicht über allem.
Vorbild statt fuchsteufelswild: Sei dir als Elternteil deiner Vorbildrolle bewusst.
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