Im ehemaligen Kornhaus in Einbeck sind die Türen eines DeLorean DMC-12 weit aufgerissen. Er dient in dem Kultfilm „Zurück in die Zukunft“ als Zeitmaschine. Wer sich auf eine echte Zeitreise begeben möchte, steigt nebenan in den Fahrstuhl. Auf sechs Etagen und 5000 m² erfährt der Besucher, wie sich die Mobilität in Deutschland in den vergangenen 200 Jahren verändert hat.
Am Anfang war das Rad
Wo bis ins Jahr 2000 Getreide lagerte, bilden heute mehr als 400 Fahrzeuge den Kern des PS.Speichers – einem Motorrad- und Automobilmuseum. Es fußt auf der größten Oldtimer-Sammlung Europas, die dem Unternehmer Karl-Heinz Rehkopf gehört (siehe Kasten).
Am Beginn der Ausstellung erfahren Gäste, was eine Pferdestärke überhaupt ist und wie viele Männer es braucht, um die gleiche Leistung zu bringen.
Los geht’s aber nicht mit dem Auto, sondern dem Fahrrad. Seine Vorgänger wurden um 1820 entwickelt. Nach den napoleonischen Kriegen mangelte es an Pferden. Alternativen mussten her. Lauf- und Hochräder tauchten auf.
In der gleichen Etage steht ein Highlight der Schau: Die Benz Victoria von 1894, eins der ersten selbstfahrenden Fahrzeuge – von der Optik noch mehr Kutsche als Auto. Das Gefährt ist vom TÜV abgenommen und noch fahrtüchtig. „Aber nur tagsüber, weil sie keine Lampen, sondern Kerzenständer hat“, erzählt Stephan Richter vom Team des PS.Speichers. Der Besucher erfährt im Anschluss mehr über die ersten Motoren. Um 1900 war es noch nicht klar, ob sich der Verbrenner- , Elektro- oder Dampfmotor durchsetzen wird. Auch das erste Serien-Motorrad, konstruiert von Hildebrand und Wolfmüller, ist Teil der Ausstellung.
Parallel wird immer wieder die Entwicklung der Fahrzeuge in die damalige Zeit eingeordnet. Was kostete in den Jahren ein Brot? Was verdiente ein Facharbeiter? Es wird deutlich, dass das Automobil um die Jahrhundertwende nur etwas für ganz wenige war und ein Exot auf den deutschen Straßen.
Erinnerungen werden wach
Der Erste Weltkrieg war ein Katalysator für den Fahrzeugbau. „Vermutlich auch ein Grund, warum sich der Verbrenner durchsetzte. Das Tanken ging schneller“, vermutet Stephan Richter. Nach dem Krieg bogen ehemalige Rüstungsschmieden wie DKW, Victoria und BMW auf den zivilen Markt ab. Der Pressstahl- löste den Rohrrahmen ab. Das erleichterte die Massenfertigung. Es kam in den 1920er-Jahren zu einem Boom der Motorräder. Sie waren das erste Volksfahrzeug.
In den 1930er-Jahren sollte auch das Auto zum Volkswagen werden. Doch der KDF-Wagen, aus dem später der VW-Käfer hervorging, blieb ein Versprechen der Nazis. Modifiziert wurde er an den Fronten des Zweiten Weltkrieges missbraucht.
Für den Besuch
Öffnungszeiten: April bis Oktober: dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr; November bis März: dienstags bis freitags 11 bis 17 Uhr, samstags und sonntags 10 bis 18 Uhr
Eintritt: 18 €, ermäßigt 15 €, Familienticket 45 €
Adresse: Tiedexer Tor 3, 37574 Einbeck
Telefon: (0 55 61) 88 88
www.ps-speicher.de
Nach dem Krieg hieß es für die breite Masse wieder Zweirad. Motorrad, Mofa und Roller brachten die Deutschen zur Arbeit.
In den 1960er-Jahren stieg der Westen Deutschlands aufs Auto um. Motorräder waren nun verpönt. Die Jugend sah das anders. Das Moped kam auf den Markt und erfüllte vor allem bei jungen Menschen den Traum von Freiheit.
Anfang der 1980er-Jahre gaben viele Motorradmarken aus Deutschland wie Zündapp oder NSU auf. Nur BMW überlebte. Japanische Marken kamen auf den europäischen Markt. Das Motorrad ist heute hauptsächlich Hobby und ein Stück Lebensgefühl.
Auch das Auto entwickelte sich vom reinen Transportmittel zum Teil der Identität. Autowaschen am Samstag und liebevolle Pflege gehörten zum westdeutschen Alltag. „Von Etage zu Etage ändern sich die Emotionen: Zunächst staunt man, dass die Gefährte fahren konnten. Danach setzt die Erinnerung aus der eigenen Biografie ein“, fasst Stephan Richter die Zeitreise zusammen. Dabei hat der Besucher immer wieder die Möglichkeit, selbst Hand anzulegen. Es lassen sich Fotos auf historischen Fahrzeugen machen, eine Jukebox anschalten und Motoren starten.
Vier Depots und eine Schatzkammer
Zum PS.Speicher zählen noch vier Depots mit Oldtimern. Sie verteilen sich auf Einbeck. In ihnen stehen Autos, Kleinwagen, Motorräder und Lkws plus Busse aus verschiedenen Jahrzehnten. Dort lässt sich die „Lanz-Wirtschaft“, eine der größten privaten Sammlungen von Lanztraktoren finden. Der Eintritt für die Depots kostet jeweils 10 €, ermäßigt 8 €.
Hinter der Sammlung steht Karl-Heinz Rehkopf. Der Unternehmer, der vor allem mit Tedox, einem Discounter für Heimtextilien und Renovierungsbedarf, erfolgreich wurde, sammelte über Jahrzehnte Oldtimer. 2009 gründete er die Stiftung PS.Speicher. Diese restaurierte den ehemaligen Kornspeicher und baute ihn zum heutigen Fahrzeugmuseum um. 2014 öffnete die Ausstellung. Unlängst verschenkte Karl-Heinz Rehkopf seine Sammlung an den PS.Speicher und machte sie so der Öffentlichkeit in den Depots zugänglich. Das neuste Angebot ist die „Schatzkammer“. Dort präsentieren Sammler ihre Oldtimer-Schätze.
Übrigens kann man seinen Oldtimer dem PS.Speicher auch überlassen. Der Kontakt steht auf der gleichnamigen Homepage.
Frau ans Steuer
Dass Autos keine reine Männerdomäne waren und sind, beweist die Ausstellung. Man lernt Pionierinnen wie Sophia Opel kennen. Sie machte aus der Nähmaschinenfabrik ihres Mannes Adam ein Werk für Automobile. Bertha Benz unternahm vermutlich die erste Autofahrt in Deutschland.
Pro Etage gibt es auch einen kritischen Einwurf zur Mobilität. Es wird die Endlichkeit des Öls thematisiert sowie die Versiegelung der Natur. Am Ende der Schau steht nicht nur der DeLorean, sondern auch elektrisch betriebene Autos und Zweiräder. So wirft die Zeitreise ebenfalls einem Blick in das Jetzt und die Zukunft der Fortbewegung.
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