Die Stadt Rheine wollte 2023 eigentlich auf 1000 Jahre belegte Salzgeschichte zurückblicken. Doch der urkundliche Beweis aus dem 11. Jahrhundert stellte sich als mittelalterliche Fälschung heraus. Belegt hingegen ist, dass die Saline Gottesgabe seit 100 Jahren der Stadt gehört. Anlass genug für eine Sonderausstellung im Falkenhof, dem Stadtmuseum von Rheine.
Gesichter zum Salz
Mit der Schau „Salz. Geschichten vom weißen Gold aus Rheine“ möchten die Macher der Salzgewinnung ein Gesicht geben. Wer der Figur des historischen Salzträgers folgt, erfährt mehr über die Ursprünge im Mittelalter, die Modernisierung der Saline Gottesgabe im 18. Jahrhundert und wie der Kurbetrieb die Salzgewinnung ablöste.
„Auch wenn der urkundliche Beweis fehlt, ist es wahrscheinlich, dass in der Nähe von Rheine schon seit etwa 1000 Jahren Salz gewonnen wurde“, sagt Oliver Raß, der die Ausstellung miterstellt hat.
Belegen lässt sich das erstmals mit einer Urkunde der Kreuzherren des nahen Klosters Bentlage aus dem 15. Jahrhundert. In ihr wird ein Salzhaus erwähnt.
Salz diente bis in die Moderne nicht nur zum Würzen, sondern vor allem zum Konservieren. Es machte Fisch und Fleisch haltbar. Entsprechend begehrt war das weiße Gold. Die Sole – das salzhaltige Wasser – stammte aus der Tiefe. „Um an die Sole zu kommen, betrieb man hier Bergbau. Das ist eher selten. Es gab Schächte in bis zu 60 m Tiefe“, sagt Oliver Raß.
Um 1600 sicherte sich die Familie von Velen das Recht der Soleförderung und Salzgewinnung vom Landesherren, dem Münsteraner Fürstbischof. Auch der Name Gottesgabe – eine Metapher für das wertvolle Salz – tauchte erstmals auf. „Die von Velens ließen sich dieses Recht sogar vom damaligen Kaiser Rudolf II. bestätigen“, erzählt der Museumsmitarbeiter. In einer Vitrine findet sich diese Urkunde samt großem roten Siegel.
Ausbau der Saline
Im Dachgeschoss wird anhand von 22 Personen und Gruppen die wechselvolle Geschichte des Salzes vor den Toren der Stadt Rheine erzählt. Passende Dokumente flankieren jedes Porträt. Der Besucher entdeckt Karten, technische Skizzen und Lohnbücher und erfährt mehr über Salinisten – frühneuzeitliche Experten der Salzgewinnung. 1735 übernahm der Münsteraner Fürstbischof Clemens August die Saline und versorgte mit ihr das Münsterland. Er beauftragte den europaweit anerkannten Fachmann Joachim Friedrich Freiherr von Beust mit der Modernisierung der Saline. Gradierwerk und Salzsiedehaus – beides heute noch erhalten – ließ er bauen. Dabei hatte auch sein großer Baumeister Johann Conrad Schlaun die Finger mit im Spiel.
Ebenfalls in den 1740er-Jahren ließ der Fürstbischof einen Kanal für die Saline anlegen. „Der speiste sich aus der Ems und sorgte an der Saline mit Wasserkraft für Energie“, so Oliver Raß. Bis zu 30 Personen arbeiteten und lebten auf der Saline. Fachkräfte wie Gradierer oder Sieder kam aus anderen Ecken des Reiches nach Rheine. Für sie gab es eine extra Hilfskasse, die sogenannte Büxengeldkasse – eine frühe Form der Sozialversicherung.
Kur als zweites Standbein
Finanziert und betrieben wurde die Saline über eine Art Aktiengesellschaft, die Münstersche Salinen-Sozietät. Ein Höhepunkt erreichte sie zur Zeit der Kontinentalsperre durch Napoleon um 1800. Die Sperre riegelte das Festland von Überseeimporten ab. „Mehr als 1000 Käufer aus der nahen und fernen Umgebung kamen täglich zur Saline“, sagt Oliver Raß. Auch damals machte man sich schon Gedanken zur Energieeffizienz beim Sieden.
Nach dem Ende des preußischen Salzmonopols 1867 beschleunigte sich der Niedergang. Salz aus Übersee war günstiger. Um 1888 begannen die Betreiber mit dem Gradierwerk Kurgäste zu locken. Die salzhaltige Luft versprach Linderung bei Lungenleiden. Vor 100 Jahren ging die Saline in den Besitz der Stadt Rheine über. Bis in die 1950er-Jahre produzierte sie aber weiter Salz. Parallel setzten sich die Stadt und die Bürgerschaft dafür ein, dieses technische Denkmal zu erhalten. „Ein Salzsiedehaus mit Siedepfannen und Salzlager ist selbst in Lüneburg nicht mehr erhalten“, vergleicht Oliver Raß. Seit 1984 steht die Saline unter Denkmalschutz.pat
Bis Anfang März 2024 ist die Ausstellung im Falkenhof-Museum zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Adresse:Tiefe Straße 22, 48431 Rheine.
Öffnungszeiten: dienstags bis samstags 14 bis 18 Uhr; sonntags 10 bis 18 Uhr,
Tel. (0 59 71) 93 97 11.
Dem weißen Gold auf der Spur
Die Sole kommt in eine kleine Pfanne. Die trübe Flüssigkeit hat einen Salzgehalt von mehr als 20 %. Auf einem kleinen Induktionsherd beginnt sie bei 108 °C zu sieden. Dabei etwas rühren und schaben und schon hat man sein eigenes Salz gewonnen. Das lernen Kinder in der Salzwerkstatt im Salzsiedehaus der Saline Gottesgabe. „Das ist praktische Chemie“, sagt Museumspädagogin Alexandra Dolezych. Spielerisch lernen die Schüler die Bedeutung des Salzes.
Nebenan können sie die noch erhaltenen Siedepfannen entdecken. „Hier wurde schon früh nicht nur mit Holz, sondern auch mit Steinkohle aus Ibbenbüren gesiedet“, erzählt die Museumspädagogin. Besucher erkennen die Feuerzüge, durch die der Dampf unter den Eisenpfannen zirkulierte, das Wasser sieden ließ und so das Salz schließlich auskristallisierte.
Nebenan im Salzlager wurde das Salz gehortet. Mit Spitzkörben trugen die Arbeiter es dort hin. Aus diesen Spitzkörben tropfte noch verbliebene Sole, die wieder extra aufgefangen wurde. „Die Sole war so wertvoll, dass man sie nicht verschwenden konnte“, sagt Alexandra Dolezych.
Doch woher stammte die Sole mit dem hohen Salzgehalt? Die Antwort steht draußen: Dort befinden sich noch Abschnitte des Gradierwerkes – ein riesiges Holzgestell mit einem Schwarzdorngeflecht im Inneren. In Gänze war es mal 300 m lang. Im Mittelalter nahm man noch Stroh dazu, doch das faulte. Schwarzdorn hingegen ist ideal zum Gradieren. Die etwa 6 % Sole aus dem Untergrund rieselt durch das Flechtwerk. Der Salzgehalt steigt durch die ständige Verdunstung. Das machte das Sieden profitabel. Weniger Brennstoff wurde benötigt.
Neben dem Gradierwerk steht eine große Schaupfanne. Hier zeigt der Förderverein der Saline, wie man Sole siedet. Verkauft werden noch heute Säckchen mit Bentlager Salz.
Das Salzsiedehaus ist nach Anmeldung oder an Aktionstagen im Rahmen einer Führung begehbar. Das Gradierwerk ist jederzeit zugänglich. Salinenstraße 105, 48432 Rheine, Tel. (0 59 71) 93 97 11.
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