Der Nachbar war es: Gemeinsam mit dem Bischof von Paderborn zerstörten die Höxteraner im Jahr 1265 die Stadt Corvey. Und zwar so nachhaltig, dass die gleichnamige Reichsabtei es nicht wieder wagte, sie aufzubauen. Passend zur Landesgartenschau in Höxter erwacht die einst etwa 55 ha große Siedlung im Weserbogen wieder zum Leben.
Virtuelle Zeitreise
Ralf Mahytka, Stadtarchäologe von Höxter, vermutet, dass bis zu 400 Häuser innerhalb der Mauern standen und etwa 2500 Menschen dort lebten. Für das Hochmittelalter eine durchaus große Siedlung. „Die Wüstung einer ganzen Stadt ist selten“, betont der Wissenschaftler. Vermutlich existierte die Civitas Corvey aber nur 100 Jahre.
Auf den ersten Blick sieht der Gast heute nur begehbare Quader aus Holz und einen Pfad aus Planken. Per kostenfreier App verwandelt sich der ehemalige Acker in eine mittelalterliche Stadt. Eine grimmig schauende Wache empfängt den Besucher auf der Stadtmauer, in der Marktkirche erklingen Choräle und besonders spannend wird es im Haus des Chirurgen. Für damalige Verhältnisse war er weit gereist. Sein ausgegrabenes Besteck deutet darauf hin, dass er schon den Grauen Star operieren konnte. Seine Geschichte und noch weitere Episoden aus der Vergangenheit erfährt der Gast als Hörspiel in den Holzkuben.
Auch eine Weserbrücke wird sichtbar. Sie war vermutlich das Verhängnis der Stadt. Einst führte der Hellweg – eine der wichtigsten Handelswege des Mittelalters – hier entlang. Genau wie im benachbarten Höxter kassierten die Corveyer Brückenzoll. Höxter empfand das als Konkurrenz und verbündete sich mit Simon I. zur Lippe, Bischof von Paderborn. Er war der Gegenspieler des Corveyer Abtes. „Es halfen vermutlich auch Dienstmannen des Klosters bei der Verwüstung“, so der Archäologe, der gerade in einem ehemaligen Keller steht.
Hier gräbt er täglich live. Der Rest der Stadt bleibt aber im Boden. „Das erhält sie am besten“, sagt er. Die virtuelle Realität lässt sie wiederauferstehen. Die Technik stammt von einer regionalen Firma, die sonst virtuelle Simulationen für den Rückbau kerntechnischer Anlagen erstellt.
Stadt schlummert im Boden
Zurück zum Ende der Stadt: Die überlebenden Bürger verließen die Wüstung. Die Häuser verfielen.
Bis ins 16. Jahrhundert diente die Marktkirche noch als Gotteshaus. Danach setzte das Vergessen ein. Die Stadt Corvey ruhte in der Erde, bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein Hafen an der Weser ausgebaggert wurde. Scherben kamen ans Tageslicht.
Doch vor allem der Archäologie-Professor Hans-Georg Stephan spürte die Stadt in den 1970er-Jahren wieder auf. Schon als Schüler am Gymnasium in Höxter machte er erste Entdeckungen. Später legten dann Luftbilder und Bodenradar deutlich offen, dass unter dem Acker des Herzoges von Ratibor eine mittelalterliche Stadt schlummert.
Der Archäologiepark bleibt nach dem letzten Gast der Gartenschau erhalten. Gemeinsam mit dem Westwerk Corveys, das seit 2014 UNESCO-Weltkulturerbe ist, soll der Park Besuchern eine Reise ins Mittelalter ermöglichen und Geschichte mit allen Sinnen erlebbar machen.
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