Am Anfang war die Dampfmaschine – damit beginnt die Tour von Bernd Hecker im Traktorenmuseum in Paderborn. „Die Erfindung von James Watt revolutionierte nicht nur den Verkehr auf den Flüssen und auf dem Land, sondern mit etwas Verzögerung auch die Landwirtschaft“, erklärt der Landmaschinentechniker im Ruhestand. Der langjährige Beschäftigte im Landmaschinenhandel nimmt den Besucher mit auf einen Streifzug von den ersten Lokomobilen bis zu den Traktoren der 1970er-Jahre.
Mehr als 100 Schlepper, vor allem aus der Zwischenkriegs- und der Nachkriegszeit, warten auf die Museumsgäste. Die Traktoren stammen aus der Sammlung der Spediteursfamilie Oskar Vogel.
Mit Dampf kommt Kraft
Parallel zum Siegeszug der Dampfschifffahrt und der Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts begannen auch große Güter in der Landwirtschaft auf die Dampfkraft zu setzen. Die als Lokomobilen bekannten Dampfmaschinen trieben Dreschkästen, Mühlen und Sägen an. „Nur selbst fahren konnten sie nicht. Pferdegespanne mussten sie versetzen“, sagt Hecker und zeigt das älteste Stück der Ausstellung, eine Lokomobile der Marke Lanz aus dem Jahr 1889.
Ein kleines Modell führt vor Augen, wie ein großer Pflug zwischen zwei Lokomobilen pendelte. So machte man unter anderem Land urbar.
„Es gab um 1900 schon Dampfmaschinen mit 1000 PS. Schon früh wurde daher im Kaiserreich eine Art TÜV gegründet“, sagt Hecker, der selbst von einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt.
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Bulldog schreibt Geschichte
Nach dem Ersten Weltkrieg setzt langsam die Mechanisierung der Landwirtschaft ein. Während oft noch Pferd und Rind das wichtigste Zug- und Ackertier waren, tauchte 1921 ein Stahlross auf: der Lanz-Bulldog. Hinter diesem ersten Rohölschlepper der Welt stand der Tüftler Fritz Huber der Firma Heinrich Lanz aus Mannheim. „1956 übernahm John Deere das Unternehmen und hat in Mannheim heute die größte Traktoren-Produktion in Europa“, erläutert Hecker.
Der Bulldog von Lanz war klein, kompakt und robust. Der Zylinderkopf mit Schutzkappe und Entlüftungsschlitzen hat eine unverwechselbare Form. „Das erinnerte vom Aussehen an die Hunderasse“, sagt Hecker. Der Bulldog mit seinem Vielstoffmotor „soff“ alles, sogar Tran und pflanzliche Fette.
Das Modell HR 2 wurde als erster Schlepper Deutschlands am Fließband gefertigt und kostete etwa 4000 Reichsmark.
Ein anderes Bild in den USA: Dort entwickelte die Firma McCormick einen Benzinschlepper für die Farmer. Während in Europa Benzin sehr teuer war, galt es in den USA als Abfallstoff der Ölgewinnung. Der Mogul 16 von McCormick findet sich in der Ausstellung. „Aus dieser Marke entwickelte sich die International Harvester Company, besser bekannt als IHC“, so Hecker.
Doch zurück zum Bulldog: Die Bauern mussten seinen Motor vorglühen lassen. „Vorm Losfahren konnte man noch mal zum Frühstück gehen“, sagt Hecker. So sprang der Schlepper aber auch bei klirrender Kälte an. Der Lanz-Bulldog hat einen unverwechselbaren Sound: Das bullernde Donnern des Motors war einmalig. Jeder Schlag des wuchtigen Kolbens dröhnte wie ein Hammerschlag.
Der Zweitakter tuckerte nicht nur über den Acker, sondern auch als Zugmaschine über die Straßen der 1920er-Jahre. Vor allem bei Regen verwandelten sich diese in Schlammpisten. „Daher hatten viele Traktoren eine Seilwinde, damit sie sich aus dem Matsch wieder selbst befreien konnten“, zeigt Hecker an einem Ausstellungsstück. Auf dessen Dach thront auch ein gelbes Schild. „Wenn das nach oben geklappt war, bedeutete das: Die Zugmaschine ist beladen und hat Vorfahrt.“
Vorfahrt hatte auch eine Karawane aus zahlreichen Bulldogs mit der die Firma Lanz 1925 von Mannheim nach Berlin aufbrach, um die Zuverlässigkeit des Bulldogs unter Beweis zu stellen. „Viele Bauern staunten am Wegesrand. Es war die erste Roadshow“, erzählt Hecker. Nach 17 Tagen erreichten sie das Brandenburger Tor.
Neben den zahlreichen Lanz-Oldtimern entdeckt der Gast auch andere Marken wie zum Beispiel einen Fordson. Hinter diesen Traktoren stehen der amerikanische „Autobaron“ Henry Ford und dessen Sohn. Zwischen den Kriegen haben sie diese Fabrikate vor allem nach England geliefert, um die Landwirtschaft zu motorisieren. Auch in Deutschland fand das günstige Modell Absatz.
Mehr als 50 Hersteller
Ein anderer Autokonstrukteur, Ferdinand Porsche, bekam vermutlich von Hitler den Auftrag, neben dem Kraftwagen auch einen Volkstraktor zu entwickeln. Bis 1963 produzierte der spätere Sportwagenhersteller Traktoren mit der markanten roten Farbe.
Bis zum Zweiten Weltkrieg fertige die Warendorfer Familie Hagedorn Kleinschlepper. Vor allem der Motormäher „Westfalia“ stieß bei damaligen Experten auf Applaus.
In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gab es allein in Westdeutschland über 50 Traktorenhersteller. Eine der bekanntesten war die Hannoversche Maschinenbau AG, besser bekannt als Hanomag.
„Die hatten sich zunächst auf Lokomotiven spezialisiert“, erzählt Hecker. Sie setzten dann aber auf den Viertaktmotor in Blockbauweise mit Einspritzer und Anlasser. „Vor allem der R28B 1951 entwickelt sich zum Standardmodell für 10 bis 15 ha Betriebe“, erzählt Hecker. Den Strukturwandel der Landwirtschaft ging Hanomag mit und baute auch Modelle für größere Betriebe.
Doch dann machte die Firma einen kapitalen Fehler: Nachdem Thyssen eingestiegen war, baute man anstatt Viertaktmotoren wieder Zweitaktmotoren. „Angeblich aus Kostengründen“, so Hecker. Das machte die Schlepper anfälliger und führte zu einem Imageverlust bei den Landwirten. Heute ist Hanomag Geschichte.
Alle Güter fahren Schlüter
Im Museum findet sich eine original eingerichtete Schmiede aus der Nachkriegszeit. Hecker erinnert sich, wie er als angehender Landmaschinenschlosser noch die Ringe für die Räder des Stellmachers fertigen musste.
In seiner Lehrzeit und danach hatte vor allem die Firma Deutz aus Köln ihre Blütezeit. Die 05-Reihe entwickelte sich zum Renner. Damit ließen sich auch die ersten 100-ha-Betriebe bestellen. Doch auch Deutz machte einen strategischen Fehler: Sie gingen in die USA. „Der Sprung über den großen Teich bekam der Firma nicht. Heute sind sie Teil des italienischen Herstellers SDF“, sagt Hecker.
Eine weitere Marke, an der Hecker schrauben durfte, ist Schlüter. Er sagt dazu nur: „Tolle Technik. Die Schlüter waren immer etwas größer und besser als die Traktoren der Konkurrenz.“ Nicht von ungefähr lautete das Sprichwort: „Alle Güter fahren Schlüter!“ Der Firmengründer stammte aus dem Sauerland. Der Sitz war aber in Freising. Mit seinem Enkel ging die Firma 1993 in Konkurs. Dennoch lässt die Marke Schlüter bis heute noch die Sammlerherzen höher schlagen.
Für den Besuch
Gäste können allein oder geführt durch das Museum gehen. Für eine Führung bitte vorher Kontakt aufnehmen. Auch Kindergeburtstage lassen sich dort veranstalten.
Öffnungszeiten: Das Museum ist freitags bis sonntags und feiertags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Nach telefonischer Vereinbarung sind auch Sonderöffnungen und Führungen zu anderen Zeiten möglich.
Eintritt: Der Eintritt kostet 8 €. Kinder von 6 bis 16 Jahren zahlen 5 €.
Adresse: Karl-Schoppe-Weg 8, 33100 Paderborn
Kontakt: Das Museumsteam ist zu erreichen unter Tel. (0 52 51) 49 07 11 oder per Mail an info@deutsches-traktorenmuseum.de
www.deutsches-traktorenmuseum.de
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