Während in Köln, Düsseldorf und Münster am Rosenmontag der Straßenkarneval tobt, kehrt in Wolbeck wieder etwas Ruhe ein. Eine Woche zuvor ein anderes Bild: Zahlreiche Wagen und Fußgruppen schlängeln sich durch den Vorort von Münster. Meist führt eine Ziege den Tross an. Der Narrenruf „Hipp Hipp, Meck Meck“ schallt durch den Ort. Der Hippenmajor, wie dort der Karnevalsprinz heißt, jubelt in die Menge. Die Wolbecker feiern den Ziegenbocksmontag, besser bekannt als ZiBoMo.
Die Hippe als Wappentier
Doch warum entwickelte sich die Ziege zum Symbol des Wolbecker Karnevals? Gehen wir zurück in die Nachkriegszeit. Wie in vielen Orten war auch in Wolbeck die Ziege die Kuh des kleinen Mannes. Die Ziegenzucht gehörte zum Ortsbild. Hinzu kam der Aberglaube, der die Ziege mit magischen Kräften und Hexerei verband. Kurzum ein ideales Wappentier für die tollen Tage. Zwischen den Kriegen gingen laut Wilbernd Jäger von der Karnevalsgesellschaft schon Gruppen zur Fastnacht mit Ziegen durch den Ort. Vor 70 Jahren erhob der Vorsitzende des Heimatvereins den Ziegenbocksmontag zu einer Gemeinschaftsveranstaltung.
Doch warum der Montag vor dem Rosenmontag? Seit dem 19. Jahrhundert versuchte die katholische Kirche mit einem 40-stündigen Gebet zur Fastnacht das närrische Treiben auszuhebeln. Den Umzug verlegte man daher in Wolbeck kurzerhand eine Woche vor. So konnten die Wolbecker Karneval feiern und trotzdem an den Gebeten teilnehmen. In der ehemaligen Schule in Wolbeck befindet sich sogar ein ZiBoMo-Museum. Es wird auf Anfrage geöffnet.
Mit Schuh in der Rinne
Noch früher im Jahr schreitet ein komischer Umzug durch Heek im Kreis Borken: Am ersten Montag nach dem Dreikönigstag, dem 6. Januar, wird in Heek „Schlöffken“ gefeiert. Morgens versammeln sich die Männer am Marktplatz zum Frühschoppen. Gegen Abend „schluffen“ sie mit einem Fuß in der Straßenrinne, dem anderen auf dem Gehweg von Kneipe zu Kneipe. Sie sind traditionell in blau-weiß gestreifter Münsterländer Tracht und Schiebermütze gekleidet, tragen rechts einen Holzschuh und links einen normalen Schuh. Auf dem Rücken baumelt eine Mettwurst am Stock.
Das frühe Datum geht auf einen Mord in einer Fastnacht vor 150 Jahren zurück. Damals kam ein Knecht bei einer Schlägerei ums Leben. Der Pfarrer hatte den Heekern daraufhin die Fastnacht verboten und zum Gebet aufgerufen. Doch die Heeker ließen sich nicht lumpen und verlegten das Fest einen Monat vor.
Klein-Köln bei Ahaus
Wenig Kilometer von Heek entfernt liegt der Ahauser Ortsteil Wüllen. Er verwandelt sich im Karneval in „Klein Köln“. So heißt der 1850 gegründete Karnevalsverein. Trotzdem schallt im Ort nicht „Alaaf“ durch die Straßen, sondern „Helau“. Laut Homepage des Vereins stammt der Begriff „Klein Köln“ von einem Handwerksgesellen aus Wüllen, der während der Walz in Köln war.
Er feierte zunächst allein im Ort Karneval, stülpte sich einen Jutesack über und hängte sich ein Schild um, auf dem mit Senf geschrieben stand: „Klein-Köln – Helau“. Zunächst hielten ihn seine Mitmenschen für verrückt. Doch langsam festigte sich der Karneval im Ort. Er selbst rief aber nicht „Alaaf!“ wie in Köln, sondern „Helau!“ wie in Düsseldorf. Heute hat der Karnevalsverein über 600 Mitglieder.
Schmausen vor dem Fasten
Beim Wurstaufholen am Karnevalssamstag gehen die Wüllerner von Haus zu Haus. Sie geben ein Ständchen und bekommen zur Belohnung eine Wurst oder ein Ei. Laut Thorsten Uschok, dem Geschäftsführer des Karnevalsvereins, ist diese Tradition wesentlich älter als der Straßenkarneval. Es ist ein Brauch, den es Ende des 19. Jahrhunderts in fast allen katholischen Orten Westfalens gab. Die jungen Burschen fanden sich zum Wurstsingen oder -aufholen zusammen. Die Wurstsänger erhielten meist eine Mettwurst, die sie wie eine Trophäe an einem langen Stock befestigten. Nach dem Rundgang aßen sie gemeinsam die eingesammelten Würste. Ursprünglich wurde rund um Fastnacht auf vielen Höfen zum letzten Mal vor dem nächsten Herbst geschlachtet. Somit waren die begehrten Würste vorhanden. Außerdem ließ sich so noch mal richtig schlemmen, bevor Aschermittwoch die 40-tägige Fastenzeit begann.
Das gleiche Motiv gilt auch für den Heischegang in Holthausen im sauerländischen Schmallenberg. Dort gehen die jungen Männer am Dienstag nach Rosenmontag von Haus zu Haus und sammeln Würste und Eier. Im Landgasthof Vollmar-König wird dann alles zubereitet und anschließend feuchtfröhlich verspeist.
Achtung Katzenkiller!
„Helau“ und „Alaaf“ kennt jeder. Doch auch in Westfalen gibt es eigene Rufe für die tollen Tage.
Hier eine Auswahl:
„Rumskedi“ hat sich zum Slogan der Beckumer entwickelt und leitet sich vom Satz „Rumskedi, dao schitt de Katte in’t Häcksel“ ab. Eine Äußerung mit der sich einst zwei Beckumer Orignale begrüßten. „Rumskedi“ kommt aus dem Platt und bedeutet, etwas schnell, aber nicht ordentlich zu machen. Der Satz steht mundartlich für: „Da hat die Katze in’s Häcksel geschissen.“ Gemeint ist, dass das Leben allem Unglück zum Trotz weitergeht.
In Paderborn wird „Hasi Palau“ gerufen. Die Verniedlichung „Hasi“ bezieht sich auf das bekannte Drei-Hasen-Fenster im Dom. „Palau“ ist eine Kombination aus „Helau“ und „Paderborn“.
Im Attendorn schmettern die Narren „Kattfiller“ – ein Ausdruck, der so viel wie „Katzenmörder“ bedeutet. Bei der Eroberung der in der Nähe gelegenen Burg Bilstein soll nach einer Sage von den belagernden Attendornern versehentlich eine Katze mit der Armbrust erschossen worden sein. Die Bilsteiner hätten daraufhin spöttisch hinterhergerufen: „Dort ziehen sie hin, die Kattfiller!“ Dabei steht „Katt“ für „Katze“, „Filler“ für „Pfeil“.
In Stadtlohn im Kreis Borken heißt es „Du Un Da“. Es ist abgeleitet vom Plattdeutschen „De unwiesen Daage“, was so viel heißt wie „Die närrischen Tage“.
In Delbrück ruft man im Straßenkarneval „He, geck, geck“, abgeleitet von Jeck, und im benachbarten Rietberg „Ten Dondria (Helau)“.
Fastnacht für die Kleinen
Im Sauerland gibt es die Tradition der „Lütke Fastnacht“. Am Donnerstag vor Rosenmontag, für viele besser bekannt als Weiberfastnacht, zogen früher die Kinder von Haus zu Haus und sammelten Würste, Kartoffeln und Zucker. Dabei sangen sie ein sogenanntes Heischelied. Mit den gesammelten Lebensmitteln veranstalteten die Kinder ein Fest. Dabei ahmten sie die Erwachsenen nach. Heute gehen die Kinder verkleidet von Haus zu Haus und bitten um Süßigkeiten. Halloween lässt grüßen.
Eine Sauerländer Tradition, die es nicht mehr gibt, ist das Zehenbeißen: Unter großem Radau machten am Rosenmontag die Mädchen Jagd auf die Jungen, um ihnen die Schuhe und Socken auszuziehen und ihnen in die Zehen zu beißen. Am folgenden Tag bissen dann die Jungen zu – ein eigenwilliger Ritus, um die beiden Geschlechter sich annähern zu lassen. Angeblich gab es das Zehenbeißen in einigen Orten noch bis ins 20. Jahrhundert.
Gebet statt Party
Ernst bleibt es während der tollen Tage in Beverungen-Dalhausen im Kreis Höxter. In dem Korbmacherdorf läuten Rosenmontag die Glocken. Ein Gelübde von etwa 1870 ruft die Dalhäuser zum Gebet in die Kirche. Damals brach die Cholera im Ort aus . Ein Drittel der Dalhäuser starb. Die Überlebenden schworen, an den närrischen Tagen nicht zu feiern und sich nicht zu verkleiden. Seitdem beten die Gläubigen am Rosenmontag und Veilchendienstag in der Kirche.
Lesen Sie mehr: