Warum braucht es auch nach 50 Jahren eine IG Bauernhaus?
Ricker: Nach wie vor werden gerade in kleinen Orten landwirtschaftliche Hofstellen, jahrhundertealtes Kulturgut, abgerissen. Das geschieht oft unbedacht und ohne kluge Neubaukonzepte. Die Ortskerne verändern sich. Dabei ist es aus unserer Sicht wichtig für ein gutes Leben auf dem Land, dass sich auch alte Strukturen bewahren. Sie sind identitätsstiftende Punkte. Manchmal fehlen Ideen für eine sinnvolle Umnutzung. Oder es herrscht die Überzeugung, dass das Neue besser ist als das Alte.
Viele Gebäude haben natürlich ihre Nutzung verloren und entsprechen heute nicht mehr den Anforderungen. Was entgegnen Sie in solchen Fällen?
Da ist es wichtig, neue Nutzungen zu finden. Es geht nicht darum, im Alten zu verharren, sondern es weiterzuentwickeln und in die Zukunft zu führen. Manche große Bauten bieten heute Platz für Wohnen und Arbeiten, also Homeoffice, Werkstätten und Ateliers.
Denken Sie manchmal, dass die IgB mit ihren Ideen der Zeit voraus war?
Der Klimaschutz, dass man Ressourcen schonen und Energie sparen muss, diese Themen stecken in der Art und Weise, wie IgB-Mitglieder Häuser instandsetzen. Vieles, was IgB-Mitglieder seit 50 Jahren vertreten, wird heute aktuell: Dass man in Recyclingprozessen denkt, Baustoffe wiederverwendet, Müll vermeidet. Wir sehen allerdings vieles differenzierter als es politisch aktuell gedacht wird, zum Beispiel bei den Plänen für ein neues Gebäudeenergiegesetz oder die Sanierungsoffensive der EU.
Wie blicken Sie auf diese politischen Pläne?
Wir wollen platzieren, dass Gebäude im Ganzen betrachtet werden müssen. Es ist eben nicht so, dass alte Gebäude per se Energiefresser sind, während gedämmte Neubauten klimafreundlicher sind. Wer immer nur die Nutzungsphase betrachtet, denkt zu kurz – gerade bei Altgebäuden. Es wird nicht einbezogen, welche Energie aufgewendet wurde, um das Gebäude und die nötigen Materialien überhaupt herzustellen. Und es wird nicht einbezogen, wie nachher die Entsorgung aussieht. Wenn man ein Fachwerkhaus entsorgen würde, ist das ganz anders als bei Beton und Verbundstoffen. Wenn man diesen Gesamtzyklus betrachtet, stehen Altbauten sofort ganz anders da. Vielleicht sogar besser als ein hochgedämmter Neubau.
Was unternehmen Sie, um sich Gehör zu verschaffen?
Wir geben Stellungnahmen ab, vor allem auf EU- und Bundesebene. Wir kooperieren mit Denkmalschützern, Heimatbünden und Restauratoren. Auf kommunaler und Landesebene sprechen unsere Mitglieder Politiker an und zeigen ihre gut instandgesetzten Bauten als gute Beispiele. Mittlerweile sind das vielleicht rund 6000 alte Häuser. Längst nicht alle stehen unter Denkmalschutz.
Ist der Name IG Bauernhaus heute noch der richtige?
Unser Motto „Wir lieben alte Häuser“ bringt zum Ausdruck, dass es um mehr geht. Das Bauernhaus steht stellvertretend für ländliche Bauten, mitten auf dem Land oder in Kleinstädten. Wir überzeugen mit dem, was wir tun, und der Name soll bleiben.
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