Jan Schurna und Eva Guntermann zögerten nicht lange, als sie Ende vergangenen Jahres von dem Mietangebot im Nachbarort hörten. Neben 110 m2 Wohnfläche plus Keller und einem großen Garten überzeugte das Paar vor allem der besondere Charakter der Bleibe. „Das ist schon spektakulär“, sagt Jan Schurna heute, drei Monate nach dem Einzug. Die neue Wohnung in Edelkirchen, einem kleinen Ortsteil von Halver im Märkischen Kreis, ist kreisrund – und das aus gutem Grund. Denn sie ist aus einem ehemaligen Güllebehälter entstanden.
Knapp 30 Jahre Güllelager
Rund 450 m3 Ausscheidungen von Kühen und Schweinen fasste der „Beton-Pott“. Anfang der 1980er-Jahre hatte Hartmut Römers Vater den neuen Güllebehälter für seinen landwirtschaftlichen Betrieb gebaut. 22 cm dick ist der 4 m hohe Betonring. Bis 1998 führte Hartmut Römer den Betrieb im Haupterwerb. Dann übernahm er die Leitung eines Gartenbaubetriebs. Einige Jahre später verließen die letzten Schweine den Hof. Was nun tun mit den Gebäuden und dem Güllebehälter? Thomas Römer, der jüngere Bruder des Hofbesitzers, hatte einen Vorschlag. In der Maschinenhalle könnte er mit seiner Tischlerei einziehen und im einstigen Güllebehälter Büro und Ausstellungsfläche unterbringen.
Gemeinsam entwickelten die Brüder aus der fixen Idee konkrete Pläne und skizzierten den Bau. Dem Bauordnungsamt des Märkischen Kreises schickten sie gemeinsam mit einem Architekten einen Bauantrag und bekamen im August 2009 tatsächlich grünes Licht.
Wie klappt’s mit der Genehmigung?
Das Bauordnungsamt des Märkischen Kreises hat die beiden Umnutzungen des Güllebehälters ohne große Probleme genehmigt. Vereinzelt gibt es ähnliche Projekte in NRW und anderen Bundesländern. Mögliche Nachahmer sollten sich allerdings nicht darauf verlassen, dass die Genehmigung auch bei ihnen glatt durchläuft. Das ist auch vom Ermessen der zuständigen Bauordnungsämter abhängig.
Hilfreich ist in jedem Fall ein Blick ins Baugesetzbuch. Dort regelt § 35 Absatz 4, welche Umnutzungen im Außenbereich möglich sind. Infrage kommen dafür ursprünglich für eine privilegierte, also in der Regel landwirtschaftliche, Nutzung genehmigte Gebäude. Es darf sich nicht um eine Ruine handeln und die äußere Gestalt des Gebäudes muss im Wesentlichen gewahrt bleiben.
Mit der Jugendfeuerwehr
Bei einer Löschübung weichte die örtliche Jugendfeuerwehr die verbliebenen Güllereste kräftig ein. Diese ließen sich anschließend mit Pumpen und Schaufeln beseitigen. Von innen wurde der Ring mit dem Hochdruckreiniger gesäubert und später mit einem normalen Innenanstrich versehen. „Geruchsprobleme gab es nicht“, berichtet Hartmut Römer.
Den weiteren Umbau meisterten die Brüder mit viel Eigenleistung. Der Betonring bekam eine Zwischendecke aus Holz und obenauf ein zweites Geschoss in Holzrahmenbauweise. 27 Segmente formen den Kreis. Die Verkleidung aus Alublechen macht die runde Form perfekt.
„Rund zu bauen, das ist eine Nummer“, sagt Hartmut Römer. Dabei erinnert sich der heute 63-Jährige vor allem an die Konstruktion des Daches. 27 Sparren laufen auf die Spitze, 6 m über der Wohnebene, zu. Um sie dort befestigen zu können, musste eine 500 kg schwere Stahlplatte auf den zentralen Holzpfeiler gehievt werden.
Für kalte und heiße Tage
Rundherum ist der Bau gut gedämmt. Auf die Außendämmung des Betonrings wurde ein inzwischen rot gestrichener Außenputz aufgetragen. Vorgesorgt ist ebenso für heiße Sommertage. „Hat sich warme Luft unter der Decke gestaut, lässt sie sich mit einer Lüftung in den Keller leiten“, erklärt Hartmut Römer. Dort sorgen zwei per Kernbohrung geschaffene Löcher für eine stete Belüftung. Geheizt wird mit Flüssiggas und zusätzlich einem Kaminofen. Eine eigene Kleinkläranlage und ein Glasfaseranschluss komplettieren die technische Ausstattung.
Tor und Tür im Betonring
Für die neue Nutzung brauchte der einstige Güllebehälter natürlich auch Zugänge. Zwei Öffnungen sägten die Römers in den Betonring, direkt auf Niveau der Sohle für ein Garagentor und eine Etage höher für die Eingangstür.
Nachdem er das Gebäude zehn Jahre lang genutzt hatte, zog Thomas Römer mit seinem Betrieb um. Im Herbst 2022 stellte Hartmut Römer deshalb einen Antrag auf Umnutzung zum Wohnraum, die Genehmigung kam im vergangenen Sommer. „Das Bauamt des Märkischen Kreises hatte einfach zu viel mit dem geplanten Neubau der Rahmede-Talbrücke zu tun“, erklärt Hartmut Römer die lange Dauer.
Herausforderung Dusche
Aus dem Büro ist inzwischen das Schlafzimmer der Wohnung geworden, aus dem Aktenlager ein begehbarer Kleiderschrank. Etwas aufwendiger war der Ausbau der Toilette zum vollwertigen Bad. „Ich wollte gerne eine bodengleiche Dusche“, erklärt Hartmut Römer. Dafür musste er die Holzdecke aufschneiden.
Die neuen Mieter freuen sich über den Komfort und die Atmosphäre des ungewöhnlichen Baus. Aus allen Himmelsrichtungen strömt Licht in den großen Wohnraum. Richtung Süden geht der Blick in die wellige Landschaft mit Wiesen und Wäldern im Tal des Löhbaches. An den Wänden hat der passionierte Jäger Jan Schurna Trophäen aufgehängt. Das klappt an den Wänden mit nur kurzen geraden Abschnitten bestens.
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