Dieser Sessel hat Geschichte – und Format. 1,25 m ragt die Rückenlehne in die Höhe, zwischen den Ohren liegen 85 cm. Schon seit Jahrzehnten steht er in einem Haushalt im Sauerland. Doch der letzte Bezug hing nur noch in Fetzen. Jetzt bekommt das wuchtige Stück in Telgte, Kreis Warendorf, eine Generalüberholung. Seit 16 Jahren ist Andreas Schwarte mit seiner Werkstatt in einer ehemaligen Holzschuhfabrik am Stadtrand zu Hause. Selbstständig ist er bereits seit über 30 Jahren.
Auf Podesten stehen Möbelstücke, an denen er und seine Mitarbeiter gerade arbeiten. Meistens sind es Sofas, Sessel und Stühle, die neue Polster und neue Bezüge bekommen sollen. An der Fensterseite sind Nähtische aufgereiht. An der Wand hängen hunderte Garnrollen.
Von Grund auf überholen
Um den Sessel aus dem Sauerland kümmert sich Mitarbeiterin Nicola Gabriel. Fehlstellen am Holzgerüst hat die Raumausstatter-Meisterin bereits ausgebessert, das Holz anschließend neu geschliffen und gewachst. Die Federung hat sie erneuert und Schaumstoff in verschiedenen Stärken und Dichten auf Sitzfläche und Rückenlehne positioniert, festgeklebt und mit weicher Diolenwatte abgepolstert. Die Lehne wird von hinten durch neue Gurte gestützt.
Stoffprobe mit nach Hause nehmen
Jetzt zieht sie den neuen Bezug auf. Nach Vorarbeit an der Nähmaschine befestigt sie ihn mit dem Luftdrucktacker. Den alten Stoff einfach zu überziehen, vermeidet das Team. Vor allem aus hygienischen Gründen, aber auch weil die Polster dann immer dicker werden und sich die Proportionen verändern. Sich für einen neuen Bezugsstoff zu entscheiden, ist für die Kunden meist die größte Herausforderung. Andreas Schwarte empfiehlt, eine Stoffprobe vor der Entscheidung mit nach Hause zu nehmen.
Die Komplettüberholung eines Sessels kostet je nach Aufwand zwischen 1000 und 2500 €. „Ob es sich lohnt, das können nur die Kunden selbst entscheiden“, sagt Andreas Schwarte. Oft spiele der ideelle Wert eine Rolle. Und: Aufwerten ist nachhaltiger als neu kaufen.
Richtig pflegen
Andreas Schwarte hat auch einige Pflegetipps parat.
Ledermöbel: Sie sollten mindestens einmal im Jahr gereinigt und gefettet werden, damit das Material nicht austrocknet. Dafür eignen sich Lederreiniger und eine Ledermilch. Dem Fett Zeit zum Einziehen geben und nach einem Tag mit einem weichen Tuch nachreiben.
Textilbezüge: Regelmäßiges Absaugen ist wichtig. Wer gründlicher ran will, kann die Bezüge beim Raumausstatter reinigen lassen. Eine spezielle Maschine feuchtet den Stoff an und saugt das Wasser direkt wieder ab. Wer Flecken entfernen will, sollte das Reinigungsmittel erst an einer verdeckten Stelle ausprobieren. Nach der feuchten Reinigung die Stelle auf mittlerer Stufe trocken föhnen, damit kein Wasserfleck entsteht.
Federn, polstern und beziehen
Der Sitzkomfort hängt maßgeblich von der Federung und der Polsterung des Möbelstücks ab. Für die Haltbarkeit ist die Strapazierfähigkeit des Stoffes entscheidend. Alle drei Komponenten – Federung, Polsterung und Bezug – lassen sich bei einer Überarbeitung neu zusammenfügen. Beim Kauf eines neuen Möbelstücks und bei der Überarbeitung ist im Vorteil, wer einige Fachbegriffe kennt.
Nosagfedern: Diese Stahlfedern verlaufen wellenförmig und waagerecht. Deshalb werden sie auch Wellen- oder Schlangenfedern genannt. Sie geben leicht nach, wenn jemand Platz nimmt, verhindern aber auch zu tiefes Einsinken.
Federkern: Hier sind viele senkrecht angebrachte Stahlfedern miteinander verbunden, auf einer Bodenplatte oder einer Nosagfederung. Das verteilt den Druck auf die gesamte Fläche. Bei Sesseln ist auch von einem „Federkorb“ die Rede.
Raumgewicht: Das Raumgewicht (RG) gibt in kg/m3 an, wie fest ein Polster-Schaumstoff ist. Je höher der Wert, desto höher ist die Festigkeit und desto geringer der Verschleiß. Schaumstoffe mit einem RG von 40 eignen sich für Sitzflächen und Lehnen, weichere zum Abpolstern der Oberflächen. Mitunter liegen dann mehrere Schichten übereinander.
Scheuertouren: Neben der Optik spielt die Strapazierfähigkeit bei der Stoffwahl eine Rolle. Stoffe sollten 30 000 „Scheuertouren nach Martindale“ mitmachen. Je höher der Wert, desto widerstandsfähiger ist das Material gegen Abrieb und Verschleiß.
Besonders strapazierfähig sind neben Kunstfasern auch Mischgewebe, Stoffe aus reiner Schurwolle oder auch Mohairstoffe. Die Preisspanne beginnt bei etwa 80 € pro laufendem Meter.
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