Samstagmorgen in Hegensdorf: Michael Neesen kommt gerade von einer Baustelle und pumpt noch schnell den Reifen eines Oldtimer-Traktors auf, mit dem sein Bruder Klaus auf den Hof knattert. Dann zeigt er, was er in den vergangenen Jahren aus dem alten Bauernhof mitten in Hegensdorf gemacht hat. Im alten Wohnhaus stehen 200 m2 für die Büros seiner Baufirma zur Verfügung, in der erweiterten Garage ist Platz für seine Fahrzeugsammlung und im Anbau auch noch für sein Hobby: die Musik. Die Gebäude sind kernsaniert, neu gedämmt und mittlerweile per Erdwärmepumpe beheizt.
Hauptsache im Heimatort
Die Neesen Schlüsselfertigbau GmbH beschäftigt 60 Mitarbeiter und erreicht einen Jahresumsatz von über 30 Mio. €. Zwischen Paderborn und Bochum betreut sie Baustellen. Als Unternehmenssitz kommt für Michael Neesen aber nur sein Heimatort Hegensdorf infrage, ein Ortsteil von Büren im Kreis Paderborn. Und das nicht nur weil die A 44 nah ist. „Das ist hier mein Zuhause“, sagt der 50-Jährige. Im Haus oberhalb ist er aufgewachsen und wohnt dort noch heute. Als er den Bauernhof nebenan vor 15 Jahren kaufen konnte, griff er direkt zu. Der Lagerplatz ist weiter in Bad Wünnenberg, gesteuert wird der Betrieb aber aus Hegensdorf.
Kein Gewerbegebiet
So wie Neesen halten es viele Gewerbetreibende in Hegensdorf. Sie nutzen für ihre Firmen Gebäude, die schon seit Jahrzehnten stehen. Denn ausgewiesene Gewerbegebiete, in denen Neubauten möglich wären, gibt es in Hegensdorf nicht. „Wer hier bleiben will, muss erfinderisch sein“, sagt Ortsvorsteher Dirk Herbst.
Das fehlende Gewerbegebiet sieht er allerdings weniger als Problem, sondern eher als Chance. Bisher konnte für alle örtlichen Betriebe eine Lösung gefunden werden – manchmal mit langem Atem. Leerstände gibt es auch durch die vielen Umnutzungen fast nicht. Beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gab es dafür im vergangenen Jahr einen Sonderpreis der Kreishandwerkerschaft, für die Umnutzung alter Gebäude zu Handwerksbetrieben. Die Bewerbung hatte Herbst gemeinsam mit der Ortsgruppe der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) vorbereitet.
Aktive im Ort halten
„Die Aktivposten im Vereinsleben müssen wir halten“, sagt Dirk Herbst, der auch für die CDU im Bürener Stadtrat sitzt. Dazu gehört für ihn, ihren Betrieben Standorte bieten zu können.
Hegensdorf zählt 962 Einwohner und 27 Unternehmen. Dass das Dorf lebt, ist bei einem Gang durch den Ort schnell zu sehen. Ein paar Landjugendliche sind auf dem Weg zum Gruppenraum, auf dem Sportplatz an der Gemeindehalle kickt die F-Jugend und rund um das Ehrenmal machen ein paar Senioren „klar Schiff“.
Die Dorfgemeinschaft buddelt
„Hilfe zur Selbsthilfe, das zeichnet uns hier aus“, sagt Dirk Herbst, im Hauptberuf Regionalleiter bei der Sparkasse Paderborn-Detmold. Im Jahr 2007 verbuddelte die Dorfgemeinschaft eigenhändig eine DSL-Leitung. Seit vier Jahren haben 85 % der Hegensdorfer einen Glasfaseranschluss.
Von dem profitiert auch die Firma von Michael Neesen, wenn mal wieder große Baupläne versendet werden müssen. Mit seinem Unternehmen will er nicht mehr weg aus Hegensdorf. Verantwortlich fühlt er sich auch für den Erhalt des alten Hofes. Gerade hat er eine alte Feldscheune saniert, die zu dem einstigen Gemischbetrieb gehörte. „Wir wollen, dass die alten Gebäude erhalten bleiben.“
Beispiel Schützenhalle
Ortswechsel: Immer wieder hat Michael Stork leicht verzweifelte Lieferanten am Telefon. „Ich stehe hier an einem Giebel, auf dem steht Jugend- und Volkshalle“, hört er dann. Aber das Unternehmen Stork Haustechnik können sie einfach nicht finden. Wer da nach dem Weg sucht, ist längst am Ziel. Seit zehn Jahren ist das Unternehmen „Stork Haustechnik“ unter dem 100 Jahre alten, ausladenden Walmdach der einstigen Schützenhalle zu Hause. Bis 1975 hatten die Hegensdorfer dort gefeiert. Danach folgten verschiedene Gewerbenutzungen.
Knapp 500 m2 Lagerfläche stehen zur Verfügung. Im einstigen Thekenbereich ist das Büro untergebracht. „Zum Laden der Autos ist das Gebäude nicht optimal“, sagt Stork, der inzwischen 16 Mitarbeiter beschäftigt. Zufrieden ist er trotzdem. „Das war die einzige Möglichkeit, im Ort zu bleiben.“
Rettung für die Halle
Der 45-Jähige ist in Hegensdorf aufgewachsen und wohnt nur einen Steinwurf vom Betrieb entfernt. Mit seinem 2007 gegründete Unternehmen zog er in den ersten Jahren immer wieder um – bis 2012. Ein Jahr zuvor konnte Michael Stork die Halle gemeinsam mit einem anderen Hegensdorfer kaufen. Es folgte eine umfangreiche Entrümpelung und Sanierung. Das Dach war komplett zugemoost und nicht mehr ganz dicht. Lange hätte die Halle das nicht mehr mitgemacht. Stork ist seine Verbindung zum Ort wichtig – deshalb hat er auch den historischen Schriftzug am Giebel erneuern lassen. Ein Maler hat ihn akribisch rekonstruiert.
Michael Stork im Ort zu halten, war auch der Dorfgemeinschaft ein Anliegen. Schließlich leitete er lange die örtliche Löschgruppe der Freiwilligen Feuerwehr und ist seit zwei Jahren als Stadtbrandmeister Bürens oberster Feuerwehrmann.
In der alten Schule
Mitten in Hegensdorf steht die alte Schule des Ortes. Direkt neben der Gemeindehalle, dem Mehrzweckbau für Schützen und Sportler, KLJB und Kindergarten. Seit 1971 findet in dem verputzten Bau kein Unterricht mehr statt. Die Kinder aus dem Ort besuchen die Grundschule „Auf der Harth“ gemeinsam mit den Jungen und Mädchen aus den Nachbarorten Harth und Weiberg.
Im Hauptgebäude der alten Schule leben Jugendliche in einer Wohngruppe. Im Anbau hat sich die Haustechnik-Firma von Markus Schumacher und Bernd Imöhl eingemietet. „So konnten wir uns vergrößern“, sagt Schumacher, der aus Hegensdorf stammt. Der Betrieb hat inzwischen 15 Mitarbeiter. Als Lager stehen 300 m2 zur Verfügung, zusätzlich 200 m2 für Büros.
Die Gebäude böten, was die Firma brauche, sagt Schumacher. Außerdem schätzt er die zentrale Lage von Hegensdorf zwischen Bielefeld und Ruhrgebiet.
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