Über Häuser nachzudenken, das ist Arvid Gröne gewohnt. Schließlich ist er Architekt. Aber über kaum eines hat er mehr gebrütet als über das, was er jetzt im Nordosten von Delbrück baut. Denn: Dort am Rand eines Waldstücks, unweit des Architekturbüros der Familie, hat er gleich ein ganzes Bündel selbst gesetzter Anforderungen zu erfüllen.
Der Neubau soll ein gemütliches Zuhause für die vierköpfige Familie mit zwei kleinen Töchtern bieten. Aber auch nicht zu groß sein, wenn die Kinder mal ausziehen. Außerdem will die Familie mit Baumaterialien und Energie, Platz und Geld sparsam umgehen. Was in Gesprächen mit Ehefrau Linda und Bruder Jonathan, ebenfalls Architekt, am Computer und vor allem in seinem Kopf entstanden ist, das nimmt seit Anfang September Gestalt an.
Kompakt und luftig zugleich
Innerhalb einer Woche stand der Holzrahmenbau für das Haus mit zwei Vollgeschossen und einem Satteldach. Er ruht auf einer 14 x 6,50 m großen Bodenplatte aus Beton. Das Haus verschwindet fast zwischen den Bäumen. „Die haben wir vorher eingemessen, um möglichst wenige fällen zu müssen“, erklärt Arvid Gröne.
Ins Auge stechen vor allem die hohen Fensteröffnungen auf den Längsseiten. Sie nehmen die Form von Deelentoren auf und bringen viel Licht in die zentral gelegenen Bereiche zum Wohnen, Kochen, Essen und Spielen. Diese sind großzügig bemessen, Rückzugsbereiche wie Schlafzimmer mit 8 bis 10 m2 dagegen klein. „So können 100 m2 für eine vierköpfige Familie auch luftig wirken“, betont Arvid Gröne.
Hängematte statt Geländer
Wie seine beiden ein und drei Jahre alten Töchter freut er sich auf einen besonderen Clou im Obergeschoss: Auf einer Seite der Galerie verläuft die Treppe, oben abgegrenzt durch ein Bücherregal. Auf der anderen Seite wird es kein Geländer geben. Stattdessen wollen die Grönes ein Fangnetz spannen, als riesige Hängematte mit Blick in den großen Wohnraum und nach draußen auf die Lichtung vor dem Haus.
Die künftige Terrasse liegt im Norden des Hauses – ganz anders als bei gängigen Planungen. Arvid Gröne ist von der Wahl trotzdem überzeugt. „Die Sonne wird die Landschaft beleuchten und wir müssen nicht in die Sonne schauen.“
Mit wenig Beton
Arvid Gröne und Ehefrau Linda war ein geringer CO2-Fußabdruck ihres Hauses wichtig. Beton „gönnten“ sie sich deshalb nur für die Bodenplatte. Die Zwischendecke ist komplett aus Fichte. Statt Estrich wird unter dem Holzboden eine Schüttung aus Leichtlehm und Blähton zum Einsatz kommen. Die Fenster sind aus Eiche. Das Dach werden alte Hohlpfannen decken, die einst auf einer Scheune saßen.
Als Dämmung, Wandbeplankung und Putzträger arbeiten die Grönes mit Stroh. Das ist aus ihrer Sicht das ökologischste Material, das hierzulande zu verbauen ist. „Schließlich wächst es jedes Jahr nach“, sagt Arvid Gröne. Das Ständerwerk haben Handwerker außen mit Holzweichfaserplatten und innen mit Strohplatten beplankt, als Alternative zu herkömmlichen OSB-Platten aus verklebten Holzspänen. Dafür wird Stroh mit Hitze und Dampf behandelt, mit Kalk, Mineralien und Eiweißen versetzt und zu Platten gepresst. Mit einer 3 cm dicken Lehmputzschicht ist die Feuerwiderstandsklasse 90 erreichbar.
Entstaubtes Weizenstroh
Als Dämmung eigne sich Stroh, weil es eine höhere Dichte als Holzwolle oder Zellulose habe und dadurch einen deutlich besseren Hitzeschutz biete, erklärt Arvid Gröne. Ein weiterer Vorteil: Die Einblasdämmung aus Stroh koste etwa die Hälfte von Holzweichfaserplatten. Ein Nachteil: Stroh ist sehr nässeempfindlich. Das zerkleinerte und entstaubte Weizenstroh (ISO-Stroh) wird deshalb erst dann eingeblasen, wenn der Bau mit Lärche verkleidet ist. Insgesamt ist der Wandaufbau etwas teurer als bei einem gewöhnlichen Bau mit Holzständerwerk. Dafür aber diffusionsoffen und weniger fehleranfällig als eine Variante mit Dampfbremse.
Eine Wand aus Lehm
Da hatte der Kran einiges zu heben: 6 t wiegt die Wand aus Stampflehm, die den Wohnbereich im Erdgeschoss vom dahinterliegenden Technik- und Abstellraum trennt. Ein Hersteller aus Warstein hat das etwa 2 x 3 m große und 32 cm dicke Stück aus Lehm, Sand und Ton gefertigt. Es soll zusätzliche Masse ins Gebäude bringen und dadurch Temperaturschwankungen abmildern. Außerdem kann die Wand Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. An kalten Tagen wird sie als Wärmespeicher dienen. Dafür ist sie elektrisch beheizbar. Die Energie dafür kommt im Idealfall von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.
Einfache Technik
Die Haustechnik hält die Familie bewusst einfach. Eine Fußbodenheizung fehlt genauso wie eine Lüftungsanlage. Elektrische Durchlauferhitzer werden das Wasser in Küche und Bad erwärmen. Ein Holzofen spendet im großen Wohnraum Wärme, ebenso wie die beheizbare Wand aus Lehm. Auch die Sockel lassen sich mit Strom auf Temperatur bringen. Zusätzlich sind in Bad und Schlafzimmern elektrisch betriebene Infrarotheizkörper geplant. Die Familie kalkuliert – auch dank starker Eigenleistung – mit Baukosten in Höhe von 2500 €/m2.
Erwohntes Baurecht
Einziehen will die Familie im nächsten Sommer. Die Baustelle hat sie bis dahin immer vor Augen. Denn: Das Recht auf einen Neubau hat sie sich erwohnt. Nach dem Kauf vor zwei Jahren lebt sie in dem kleinen Häuschen, das seit dem Zweiten Weltkrieg auf dem Grundstück steht.
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